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Riesenchance Gesundheitscampus

Jörg Scharfenberg schaut auf sechs spannende Jahre im Seenland-Klinikum und sieht es gut aufgestellt für die Zukunft.

Von Uwe Schulz
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Vergangene Woche war der letzte Arbeitstag in Hoyerswerda für Jörg Scharfenberg. Nach sechs Jahren wechselt der Geschäftsführer ans Herzzentrum Dresden.
Vergangene Woche war der letzte Arbeitstag in Hoyerswerda für Jörg Scharfenberg. Nach sechs Jahren wechselt der Geschäftsführer ans Herzzentrum Dresden. © Foto: Uwe Schulz

Herr Scharfenberg. Letzter Arbeitstag in Hoyerswerda. Wie ist es denn so?

Eine sehr ambivalente Stimmung. Zum einen ist da der Trennungsschmerz. Sechs Jahre sind eine sehr intensive, bewegte Zeit, in denen viel passiert ist. Und jetzt der Abschied. Das geht mir schon ans Herz. Es ist sehr emotional, aber andererseits freue ich mich auf die Herausforderung in Dresden am Herzzentrum. Ich nehme aber Dinge mit, die mich hier geprägt haben.

Was hat Sie denn hier geprägt?

Ich nehme sehr viele Erfahrungen mit, vor allem die, die mit dem Klinikum zu tun haben, mit dem Team. Das Team hat ein unglaubliches Engagement und eine Leidenschaft für unser Klinikum. Es herrscht ein unglaublicher Teamgeist, der geprägt ist von gegenseitiger Wertschätzung und Respekt. Das hat mich immer sehr berührt und bewegt. Und ich konnte mich immer aufs Team verlassen, egal ob die Zeiten gut oder schlecht waren, es war immer da und hat unsere Patienten auf einem extrem hohen Qualitätsniveau versorgt. Das ist eine Erfahrung, die für immer in meinem Herzen bleiben wird. Darüber hinaus natürlich die Erfahrung mit unseren Gesellschaftern. Wir haben ja die Situation, dass 51 Prozent am Lausitzer Klinikum die Stadt Hoyerswerda hält und 49 Prozent die Sana Kliniken AG. Diese Kombination ist ein unglaublicher Wettbewerbsvorteil für das Haus, weil wir die politische Unterstützung erhalten, gerade was die Entwicklung zum Gesundheitscampus anbelangt. Oder wenn es um die Akquise von Fördermitteln ging, waren unsere Unterstützer aus der Stadt immer da. Und auf der anderen Seite natürlich die wirtschaftliche Unterstützung eines großen privaten Klinikkonzerns. Ich denke, das ist eine Symbiose, die dafür Sorge trägt, dass das Klinikum heute wirtschaftlich stabil und zukunftsfähig dasteht.

Noch ist das Verhältnis der Anteile Stadt-Sana 51 zu 49 Prozent. Die gefassten Beschlüsse lauten, dass es genau andersherum sein sollte. Das ist bislang nicht geschehen. Das ist eine Baustelle, die Sie hinterlassen.

Das ist keine Baustelle, die ich hinterlasse, das ist ein Thema unserer Gesellschafter. Nach meinem Erkenntnisstand ist es so, dass die Gesellschafter im Gespräch sind und auch dieses Thema lösen möchten.

Auf welche Leistungen sind Sie in Ihrer Zeit hier besonders stolz?

Die sechs Jahre waren intensiv und es gibt einiges, auf das ich stolz bin. Ich habe im März 2015 begonnen. Das erste, was wir getan haben, ist uns ein neues medizinisches Konzept zu geben, geprägt durch die Etablierung von Zentren und Schwerpunkten aber auch dem Neuaufbau von Fachabteilungen, zum Beispiel der Neurologie. Und auch einige Sanierungsprojekte haben wir umgesetzt. So haben wir 2015 die Geriatrie und die geriatrische Tagesklinik eröffnet. Im Jahr 2016 haben wir mit der Neurologie eine nagelneue Fachabteilung ans Netz gebracht. 2018 haben wir die neue Palliativstation gebaut und etabliert. Im Jahr darauf haben wir die ISO-Erstzertifizierung erfolgreich geschafft. Wir hatten Besuch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der uns bei diesem Besuch auch dieses Zertifikat übergeben hat. Wir haben das Patienten-WLAN ans Netz gebracht. Und 2020 haben wir gemeinsam die Pandemie bekämpft. An der Stelle kann ich unserem Team nur ausdrücklichen Dank aussprechen. Was hier bis heute geleistet wird, das ist unsagbar und kann nicht hoch genug wertgeschätzt werden. Das Klinikum steht medizinisch und wirtschaftlich sehr gut da.

Gegenprobe: Was hat nicht geklappt, von welcher Idee mussten Sie sich verabschieden?

Wir haben uns noch von keiner Idee verabschieden müssen. Aber da sind ein paar Projekte angeschoben, die ich nicht vollenden konnte. Da sind die Etablierung eines Hybrid-OPs oder auch die roboterassistierte Chirurgie. Was mir grundsätzlich nicht gelungen ist in den letzten sechs Jahren, das ist ausreichend Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Ich hoffe, dass das in Zukunft in Dresden besser gestaltbar ist.

Unterjähriger Geschäftsführerwechsel bedeutet, dass das laufende Jahr noch geprägt ist vom alten Geschäftsführer. Welche Investitionen stehen an?

In unserer Mehrjahresplanung haben wir vorgesehen, dieses Jahr 4,15 Millionen Euro zu investieren, natürlich fließt der größte Teil in die Medizintechnik. Wir haben vor, den Sterilisator zu erneuern. Im OP wird es einige Investitionen geben in neue OP-Tische. Neue Ultraschallgeräte sind geplant, ein neues Endosonographiegerät. Natürlich auch Investitionen in die IT, insbesondere was IT-Sicherheit anbelangt, und in den Digitalisierungsprozess, um nur einiges zu nennen.

Wie sieht es baulich aus?

Wie gesagt, haben wir vor, einen Hybrid-OP zu etablieren und roboterassistierte Chirurgie. Da sind auch bauliche Maßnahmen notwendig und erste Planungsmaßnahmen sind auf den Weg gebracht. Unsere Kollegen der Sana Kliniken AG sind mit involviert und wir sind dabei zu rechnen und die Planungen für das Projekt zu erstellen. Ob wir das dieses Jahr noch schaffen, müssen wir erst sehen. Auf jeden Fall werden wir noch Baumaßnahmen in unserem MVZ haben. Wir bauen hier die Räumlichkeiten in der ehemaligen Tagesklinik um, so dass dort die chirurgische Praxis und die Praxis für Psychiatrie ein neues Zuhause finden und nachfolgend die gynäkologische Praxis vom Treff 8 ins Ärztehaus umziehen kann.

Nun hat das Krankenhaus Hoyerswerda in den letzten 30 Jahren sehr bewegte Zeiten durch – von Schließungsängsten bis zur Euphorie die ganze Palette. Wie bewerten Sie die Chancen und Risiken des Lausitzer Seenland-Klinikums?

Ich denke, dass das Hoyerswerdaer Klinikum sehr gut aufgestellt ist. Die Riesenchance liegt natürlich in der Weiterentwicklung des Gesundheitscampus. Wir haben ja schon einen ambulanten Kollegen gewinnen können, der eine Strahlentherapie auf dem Gelände errichten wird. Die Baugenehmigung liegt vor. Der genaue Start steht aber noch nicht fest. Aber wir haben vor im Rahmen des Strukturwandels, der ja auch eine große Chance für unser Klinikum ist, ein digitales Krankenhaus zu errichten, wenn die Fördermittel kommen. Und natürlich wollen wir mit anderen Partnern aus dem Gesundheitswesen, zum Beispiel Altenpflegeheimbetreibern, Kooperationen eingehen. Die Idee ist, die gesamte Versorgungskette am Campus abzubilden und im Rahmen des Strukturwandels dafür Sorge zu tragen, dass neue Versorgungsformen erprobt werden, die zu einem effizienteren und effektiveren Gesundheitswesen führen können. Ich glaube, das ist eine Riesenchance.

Eine weitere ist die Vernetzung mit anderen Kliniken. Die Sana Kliniken AG beteiligt sich ja an den Niederlausitzkliniken mit den beiden Standorten Senftenberg und Lauchhammer. Da wird es Abstimmungen zu den Versorgungsschwerpunkten geben. Das wird die Region stärken und damit auch das Klinikum in Hoyerswerda.

Die Risiken bestehen natürlich darin, dass der Strukturwandel nicht gut gemacht wird. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die 8.000 direkten und 20.000 indirekten Arbeitsplätze in der Energieindustrie kompensiert werden. Mit der Energieindustrie wird ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Lausitz bis 2038 abgeschaltet. Da müssen kluge innovative Konzepte entwickelt werden, um die Arbeitsplatzsituation zu kompensieren. Wir haben da unseren Beitrag geleistet mit unserem innovativen Konzept des Smart Virtual Hospital. Wir trauen uns da zu, einen Teil dieser wegfallenden Arbeitsplätze zu kompensieren mit dem Fernziel, so etwas wie ein Gesundheits-Dienstleistungs-Cluster am Standort zu entwickeln, wo aus Investitionen Innovationen entstehen, die zur Marktreife entwickelt werden. Wir stellen uns vor, dass hier so eine Art Showroom entsteht, wie man in Zukunft Versorgungsformen denken kann, wie die Digitalisierung im Gesundheitswesen aussehen kann und wie für Patienten entsprechende Angebote formuliert werden können.

Es ist ja auch schon kommuniziert, wo das ungefähr entstehen soll. Da sind jetzt noch die Mitarbeiterparkplätze. Da stellt sich die Frage: Wo sollen in Zukunft die Mitarbeiter des Seenlandklinikums parken?

Wir haben schon ein Entwicklungsmodell für den Gesundheitscampus erstellt. Die Situation mit den Parkplätzen ist uns bewusst und in der Perspektive sind daher auch Parkhäuser geplant. Das hängt freilich alles von der Finanzierbarkeit ab.

Ein Dauerbrenner in Ostsachsen ist die Personalfrage. Zum einen der dauerhafte Kampf um die Ärzte, die Mediziner, zum anderen die Suche nach Pflegepersonal. Wie sehen Sie da das Seenlandklinikum aufgestellt?

Ich sehe uns da sehr gut aufgestellt, vor allem weil wir unsere eigene Krankenpflegeschule am Campus haben. So haben wir die Chance, die jungen Kolleginnen und Kollegen in Beschäftigungsverhältnisse zu bekommen. Es ist uns gelungen, Mitarbeiter, die altersbedingt aus dem Unternehmen ausscheiden, durch Absolventen der Krankenpflegeschule zu ersetzen. Wir haben jetzt begonnen, zusätzlich einen unterjährigen Kurs zu etablieren, um auf den gestiegenen Bedarf zu reagieren.

Sie wechseln jetzt als Geschäftsführer nach sechs Jahren. Ist das eine kurze oder eine lange Zeit für einen Geschäftsführer bei der Sana?

Die Sana ist ein wunderbarer Arbeitgeber und steht für Kontinuität. Es gibt da keine Regeln für die Verweildauer eines Geschäftsführers.

Was reizt Sie an der Aufgabe in Dresden?

Die Universitätsmedizin hat mich schon immer gereizt. Es ist die Symbiose aus Hochleistungsmedizin, Patientenversorgung, Forschung und Lehre. Das Herzzentrum ist eine Institution in Sachsen und in Deutschland, genießt einen ausgezeichneten Ruf. Und wir haben vor, neu zu bauen. Zumindest planen wir es. So eine Chance bekommt man als Geschäftsführer auch nur einmal, nämlich ein Klinikum von der Bodenplatte bis zum Dach einmal neu zu konzipieren und dann zu bauen. Das ist eine Gelegenheit, die mich unglaublich gereizt hat. Man hat die Chance Medizin zu entwickeln und auf den Weg zu bringen. Und auf der anderen Seite die Familienzusammenführung, dass ich einfach die Gelegenheit habe, meine Kinder aufwachsen zu sehen und bei der Familie zu sein. Mein neuer Dienstweg liegt bei einer Viertelstunde und ist auch mit dem Fahrrad zu absolvieren. Das sind alles Gründe, die mich bewogen haben, zuzusagen.