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Zielmarke: 30.700 Einwohner im Jahr 2038

Hoyerswerda arbeitet jetzt an einem Gesamtstädtischen und regionalen Entwicklungs- und Handlungskonzept.

Von Mirko Kolodziej
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Zwei Dokumente mit grundsätzlichen Vorstellungen zu Hoyerswerdas Zukunft von 2011 sowie von 2017 und eine von mehreren Diskussionsrunden im Bürgerzentrum am 31. Mai 2023: Die Entwicklung der Stadt und Ideen dazu sind Dauerbrenner.
Zwei Dokumente mit grundsätzlichen Vorstellungen zu Hoyerswerdas Zukunft von 2011 sowie von 2017 und eine von mehreren Diskussionsrunden im Bürgerzentrum am 31. Mai 2023: Die Entwicklung der Stadt und Ideen dazu sind Dauerbrenner. © Foto: Mirko Kolodziej

Hoyerswerda. Es war 1997, Hoyerswerda hatte für den WK VIII den Städtebauwettbewerb „Von der Wohnsiedlung zur Stadt“ ausgelobt, da stand in der Zeitung: „Mehr als 2.000 leerstehende Wohnungen – Kosten in Millionen-Höhe!“ Den ersten Komplettabriss in der Neustadt gab es dann 2000.Zwei Jahre später begann man mit einem ersten Integrierten Stadtentwicklungskonzept (Insek) den Versuch, die Schrumpfung der Stadt – was hier vor allem heißt: Neustadt – strategisch irgendwie zu managen. Die Idee des Rückbaus „von außen nach innen“ wurde geboren. Es folgten immer wieder angepasste Überlegungen, so 2011 das Leitbild „Perspektiven einer Stadt im Wandel“, das 2017 noch einmal überarbeitet wurde. Mit dem städtebaulichen Entwicklungskonzept Seko kam 2017 auch der Gedanke der „Bandstadt“ mit kompakter Bebauung vom Markt über Alte Berliner-, Einstein- und Niederkirchnerstraße in Richtung Scheibe-See auf.

Nun sagt Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh (SPD): „Nur von außen nach innen und nur Bandstadt wird es nicht werden.“ Wieder einmal wird also darüber nachgedacht, wie Hoyerswerdas Zukunft aussehen soll. Der zugehörige Begriff dazu lautet dieses Mal Gesamtstädtisches und regionales Entwicklungs- und Handlungskonzept, kurz GeREHK. Die Stadt hat neben der schon mit dem Seko befassten Kommunalberatungsgesellschaft DSK auch das Leipziger Stadtplanungsbüro UMS – Stadtstrategien ins Boot geholt; und beide haben nun ihre erste Analyse der gegenwärtigen Situation fertiggestellt.

„Wir wollen heute keine großen Grundsatzdebatten führen, sondern ins Gespräch kommen“, sagte UMS-Büroleiter Jens Gerhardt-Strahl am Mittwochabend im Bürgerzentrum, wohin die Stadtverwaltung Einwohnerinnen und Einwohner zu einer ersten GeREHK-Auftaktveranstaltung eingeladen hatte. Im unteren Foyer entwickelten sich an thematisch geordneten Wandzeitungen lebhafte Diskussionen, und die extra ausgelegten Ideen-Karten wurden reichhaltig ausgefüllt. Und da es eben gleich um zahlreiche Aspekte des städtischen Lebens gehen soll, sind die Details unmöglich in aller Kürze aufzuzählen. Drei Beispiele: Hoyerswerda hat immerhin ein eigenes Stadtbus-Netz, andererseits noch keinen barrierefreien Bahnhof. Es gibt starke Kulturangebote, doch zumindest ein Teil der Jugend scheint sich zu fragen, wo sie sich verwirklichen kann. Und dem vielen Stadt-Grün stehen unter anderem vereinsamte Kleingärten gegenüber.

Viel zu üppige Infrastruktur

Beispielsweise die als mangelhaft empfundene ÖPNV-Verbindung nach Dresden, der Wunsch nach Alkoholverbotszonen oder auch die zuletzt mit den Plänen für die „Neue Kühnichter Heide“ wieder akut gewordene Frage nach dem Bedarf an Einzelhandel boten am Mittwoch reichlich Stoff für Diskussionen. Dreh- und Angelpunkt der Überlegungen von DSK und UMS: Die Infrastruktur sei inzwischen aufgrund der stark dezimierten Zahl an Neustadt-Bewohnern zu üppig; vor allem, was deren Unterhalt und Pflege angeht. Grob überschlagen 190 Hektar Grünflächen, 130 Hektar Straßen, Rad- und Fußwege sowie 47 Hektar Plätze kosten im Jahr nicht nur 1,57 Millionen an Pflege. Vieles ist in die Jahre gekommen. Der Sanierungsbedarf wird vorsichtig auf ungefähr 180 Millionen Euro geschätzt, und die eigenen Steuer-Einnahmen reichen dafür schon länger bei Weitem nicht.

Was tun? Der Blick richtet sich auf die Einwohnerstatistik. In den vergangenen beiden Jahren sind jeweils etwa 450 Hoyerswerdaerinnen und Hoyerswerdaer mehr gestorben als Babys geboren wurden. Zugleich gab es 2021 genau neun mehr Zu- als Wegzüge. Im vorigen Jahr waren es, vermutlich auch aufgrund der Unterbringung von Flüchtlingen, 509 mehr Zuzüge. Die Stadt hofft abgesehen von Migration, diesen Trend mit guter Wirtschaftspolitik und attraktiven Lebensbedingungen verstetigen zu können. Das ehrgeizige Ziel: In den nächsten Jahren soll das Zuzugsplus bei jeweils ungefähr 400 liegen. Sollte es so kommen, dann wird eine Stabilisierung der Einwohnerzahl in anderthalb Jahrzehnten bei etwa 30.700 prognostiziert. Zum Vergleich: Ende März dieses Jahres lag sie bei 31.783.

DSK und UMS erstellen jetzt auf Basis der um die am Mittwoch gesammelten Erkenntnisse ergänzten Analyse das eigentliche Konzept samt Maßnahme-Liste. Angekündigt sind im Rahmen dessen eine öffentliche Leitbildwerkstatt und ein ebenso für die Bevölkerung gedachter Maßnahmeworkshop. „Es darf niemand ausgeschlossen werden, und es dürfen keine unverrückbaren Pflöcke eingeschlagen werden“, gibt Nico Neumann von der DSK die Marschrichtung vor. Teil 1 dieser Ansage fußt wohl auf der Erfahrung, dass die Wohnungswirtschaft Konzepterstellungen bisher zumindest teilweise schon als über ihre Köpfe hinweg empfunden hat. Und die Sache mit den Pflöcken deutet an, dass auch das GeREHK ganz sicher kein Gesetz für alle Zeiten sein wird.