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Hunderte bei Demos in Döbeln

„Willkommen in Döbeln“ wirbt um Solidarität mit Flüchtlingen. Am Sonntagabend protestieren mehr als 400 Menschen gegen die bei Autoliv geplante Erstaufnahme.

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© André Braun

Von Sylvia Jentzsch und Elke Görlitz

Döbeln. Der sonst gemütliche Döbelner Obermarkt war am Sonntagabend Schauplatz einer Demonstration gegen die Asylpolitik der Regierung. Die Jungen Nationaldemokraten (JN) und die NPD Döbeln hatten zum Protest gegen die Erstaufnahmeeinrichtung aufgerufen. Bei Facebook warb die Gruppe „Döbeln wehrt sich“ für den Protest gegen die Flüchtlingsunterkunft an der Leisniger Straße. Diese soll in einer früheren Produktionshalle der Autoliv-Sicherheitstechnik GmbH entstehen und laut Information der Landesdirektion Sachsen für 400 Menschen hergerichtet werden (DA berichtete), wobei die Behörde gegenüber unserer Zeitung erklärte, dass ein weiterer Ausbau möglich sei.

Einige Hundert Menschen waren dem Aufruf zum Protestmarsch „gegen die Asylflut“ gefolgt. Anlass dafür war, dass die Landesdirektion Sachsen in einer früheren Produktionshalle eine Erstaufnahmeeinrichtung für 400 Flüchtlinge herrichten lässt.
Einige Hundert Menschen waren dem Aufruf zum Protestmarsch „gegen die Asylflut“ gefolgt. Anlass dafür war, dass die Landesdirektion Sachsen in einer früheren Produktionshalle eine Erstaufnahmeeinrichtung für 400 Flüchtlinge herrichten lässt. © Dietmar Thomas

Genervt von Informationspolitik

Nach Bekanntwerden des Aufrufs zur Protestveranstaltung hatte das Bündnis „Willkommen in Döbeln“ ebenfalls einen Aufruf veröffentlicht. Die Döbelner sollen den Flüchtlingen zeigen, dass sie in der Muldestadt willkommen sind. So versammelten sich am Nachmittag an der Leisniger/Eichbergstraße etwa 110 Menschen des linken und bürgerlichen Spektrums.

„Wir wollen Gesicht zeigen, zeigen, dass wir die Asylsuchenden und Flüchtlinge willkommen heißen“, so Johannes Gersten vom Bündnis Willkommen in Döbeln. „Es ist schön, dass so viele junge Leute gekommen sind“, sagte Oberbürgermeister Hans-Joachim Egerer (CDU). Er habe erst am Donnerstag erfahren, dass in Döbeln eine Erstaufnahme von Asylsuchenden erfolgen soll. Ihm sei bisher nicht bekannt, wann sie kommen und wie viele untergebracht werden sollen. „Ich hoffe, dass die Leute nach Nationalitäten getrennt werden“, so Egerer. Am Wochenende habe er vom Innenministerium niemanden sprechen können. Nun hoffe er, dass er am Montag mehr erfährt. Er habe auch schon mit Anwohnern gesprochen. Die seien nicht glücklich und hätten Angst, so der Oberbürgermeister. Man müsse warten, wie sich alles entwickle.

Reden statt randalieren

Das wollen die Mitglieder und Sympathisanten vom Bündnis Willkommen in Döbeln nicht. Eine bewegende Rede hielt am Wettinplatz der Gymnasiast Rasmus Wittrin. Er sprach davon, nicht gegen Menschen kämpfen zu wollen, auch wenn sie anders denken als er und die Asylanten nicht willkommen heißen. „Doch wie kämpft man ohne Steine und Fäuste?“, fragte der junge Mann. Mit eingeschlagenen Fensterscheiben und Blut könne man nichts erreichen. „Das bringt keinen Frieden. Wir müssen den Kreislauf durchbrechen und eine Schlacht mit der Zunge führen, reden statt randalieren“, forderte Rasmus Wittrin und erntete für seine Ansprache viel Beifall. Den bekam auch Berno Ploß, der nach eigenen Angaben fast im Theater wohnt und von den Organisatoren der Versammlung gebeten wurde, zu sprechen. Er sei genervt von der Informationspolitik der Landesbehörden, genervt von den Falschmeldungen und Lügen, die über Asylsuchende verbreitet werden, genervt, damit seine Zeit zu vergeuden. „Ich habe beschlossen, tätig zu werden“, so Berno Ploß. Er wolle die Menschen ermutigen, ihre Hemmschwellen gegenüber den Asylsuchenden zu überwinden. Wer helfen wolle, soll sich an das Willkommensbündnis wenden. Ploß sprach von Solidarität, Akzeptanz und Menschlichkeit.

Aus seiner Perspektive als ehemaliger Flüchtling aus Afghanistan berichtete Edris Zaba. Er lebte, nachdem er mit seinen Eltern wegen des Bürgerkrieges geflüchtet war, acht Jahre in Leisnig, weitere sieben Jahre in Döbeln. Nun studiert und lebt er in Leipzig. Der Prozess der Integration sei nicht leicht gewesen. Am meisten stört ihn der latente Bürgerrassismus, den er im Alltag erlebe. „Die Menschen sollen die Asylsuchenden selbst kennenlernen und sich dann ein Bild machen und nicht die Meinung, die verbreitet wird, einfach widergeben und Ängste aufbauen“, so Edris Zaba. Er ist froh, dass sich Döbeln im Laufe der Zeit verändert habe und es Bürger gibt, die Asylsuchende herzlich willkommen heißen und helfen wollen. „Ich dachte, das ist nicht mehr möglich“, so Edris Zaba.

Lautstarker Protest gegen Asylpolitik

Am Abend schließlich gelang es den Anmeldern der Protestveranstaltung gegen „Asylbetrüger“ deutlich mehr Menschen zu mobilisieren als bei ähnlichen Veranstaltungen in den letzten Jahren. Schätzungsweise 400 Anhänger der NPD und JN und Gruppen wie „Roßwein wehrt sich“, aber auch viele Menschen aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft schlossen sich dem Demonstrationszug an. „Wir sind das Volk“ und „Nein zum Heim“ rufend marschierte der Protestzug durch die Innenstadt, begleitet von der Polizei, die hin und wieder kleinere Gruppen Gegendemonstranten abdrängte. Angeschlossen hatte sich die Gruppe „Roßwein wehrt sich“. „Nein zum Heim in Leisnig“ war auf einem Transparent zu lesen. Viele, die sich während der Kundgebung noch zu dieser auf Distanz gehalten hatten und das Geschehen vor den Schaufenstern der Geschäfte stehend verfolgten, schlossen sich dem Zug dann doch an.

Zuvor hatten der Döbelner NPD-Stadtrat Jan Häntzschel und Jens Baur vom Dresdner NPD-Kreisverband gesprochen. „Wir fordern eine Festung Deutschland“, so Baur. Man solle wie Ungarn einen Zaun bauen oder wie Australien Flüchtende sofort zurückschicken, statt ihnen die Flucht noch zu erleichtern. Häntzschel gab sich als braver Steuerzahler und drohte, die Arbeit niederzulegen, wenn es zu einem Flüchtlings-Solidaritätszuschlag käme. Für seinen Slogan, Döbeln schon bei den Fluten 2002 und 2013 mit gerettet zu haben und nun vor der Asylflut retten zu wollen, bekam er viel Applaus.