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„Im Bilderberg-Mythos steckt ein wenig Einbildung“

Das Bilderberg-Treffen ist bekannt für seine Geheimhaltung, die Teilnehmer sind eine Auslese der Politik- und Wirtschaftselite Europas und Nordamerikas. Der Vorsitzende verteidigt das Gesprächsformat gegen Kritik.

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© ronaldbonss.com

Sebastian Kunigkeit

Paris. Die Bilderberg-Konferenz versammelt einmal im Jahr hohe Politiker, Wirtschaftsbosse, Akademiker und ein paar Journalisten hinter verschlossenen Türen. Bei den Treffen in wechselnder Besetzung gilt die „Chatham House Rule“: Die 130 Teilnehmer dürfen die besprochenen Informationen verwenden, aber die Redner nicht namentlich zitieren. Diesmal tagt die Runde von Donnerstag an in Dresden. Kritiker sprechen von einem „elitären Zirkel“, der demokratischen Grundprinzipien entgegenstehe. Der Vorsitzende des Lenkungsausschusses der Konferenz, Axa-Chef Henri de Castries, hält im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Paris dagegen.

Auszug aus der Teilnehmerliste der Bilderberg-Konferenz in Dresden

Deutschland: Ursula von der Leyen, Verteidigungsministerin
Deutschland: Ursula von der Leyen, Verteidigungsministerin
Deutschland: Thomas de Maizière, Bundesinnenminister
Deutschland: Thomas de Maizière, Bundesinnenminister
Deutschland: Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister
Deutschland: Wolfgang Schäuble, Bundesfinanzminister
Deutschland: Stanislaw Tillich, Sachsens Ministerpräsident. (Nach Angaben der Staatskanzlei wird er nur an einem Abendessen teilnehmen.)
Deutschland: Stanislaw Tillich, Sachsens Ministerpräsident. (Nach Angaben der Staatskanzlei wird er nur an einem Abendessen teilnehmen.)
Deutschland: Paul Achleitner, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank
Deutschland: Paul Achleitner, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank
Deutschland: Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI)
Deutschland: Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI)
Deutschland: Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzende der Siemens AG
Deutschland: Joe Kaeser, Vorstandsvorsitzende der Siemens AG
Deutschland: Tom Enders, Vorstandsvorsitzender der Airbus Group
Deutschland: Tom Enders, Vorstandsvorsitzender der Airbus Group
Deutschland: Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE
Deutschland: Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE
Deutschland: Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG
Deutschland: Timotheus Höttges, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Telekom AG
Deutschland: Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung
Deutschland: Hans-Werner Sinn, ehemaliger Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung
Deutschland: Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse AG
Deutschland: Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutsche Börse AG
USA: Henry Kissinger, ehemaliger US-amerikanische Außenminister
USA: Henry Kissinger, ehemaliger US-amerikanische Außenminister
Niederlande: König Willem Alexander
Niederlande: König Willem Alexander
Niederlande: Ahmed Aboutaleb, Bürgermeister von Rotterdam
Niederlande: Ahmed Aboutaleb, Bürgermeister von Rotterdam
Niederlande: Mark Rutte, Ministerpräsident
Niederlande: Mark Rutte, Ministerpräsident
Portugal: Jose Manuel Barroso, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission
Portugal: Jose Manuel Barroso, ehemaliger Präsident der Europäischen Kommission
Großbritannien: Marcus Agius, ehemaliger Vorsitzender der britischen Großbank Barclays
Großbritannien: Marcus Agius, ehemaliger Vorsitzender der britischen Großbank Barclays
Großbritannien: Bob Dudley, Vorstandsvorsitzender von BP
Großbritannien: Bob Dudley, Vorstandsvorsitzender von BP
Spanien: Ana Patricia Botin, Aufsichtsratsvorsitzende der Banco Santander
Spanien: Ana Patricia Botin, Aufsichtsratsvorsitzende der Banco Santander
Norwegen: Børge Brende, Außenminister
Norwegen: Børge Brende, Außenminister
Frankreich: Emmanuelle Charpentier, Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
Frankreich: Emmanuelle Charpentier, Direktorin am Berliner Max-Planck-Institut für Infektionsbiologie
Belgien: Charles Michel, Premierminister
Belgien: Charles Michel, Premierminister
Irland: Michael Noonan, Finanzminister
Irland: Michael Noonan, Finanzminister
Irland: Michael O'Leary, Vorstandsvorsitzender der Fluggesellschaft Ryanair
Irland: Michael O'Leary, Vorstandsvorsitzender der Fluggesellschaft Ryanair
Kanada: Bill Morneau, Finanzminister
Kanada: Bill Morneau, Finanzminister
Türkei: Mehmet Simsek, Vize-Premierminister
Türkei: Mehmet Simsek, Vize-Premierminister
Christine Lagarde: Direktorin des Internationalen Währungsfonds
Christine Lagarde: Direktorin des Internationalen Währungsfonds
Henri de Castries: Vorstandsvorsitzender des französischen Versicherungskonzerns AXA und Chef des Lenkungsausschusses der Bilderberg-Konferenz.
Henri de Castries: Vorstandsvorsitzender des französischen Versicherungskonzerns AXA und Chef des Lenkungsausschusses der Bilderberg-Konferenz.
Klaus Schwab: Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums; gehört dem Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenzen an.
Klaus Schwab: Gründer und Präsident des Weltwirtschaftsforums; gehört dem Lenkungsausschuss der Bilderberg-Konferenzen an.

Die Geheimhaltung um das Treffen gibt Anlass zu viel Argwohn und Kritik. Warum sprechen Sie hinter verschlossenen Türen?

„Wenn ich die Frage umdrehen darf: Warum konzentriert man sich so auf die Geheimhaltung von Bilderberg, wenn es jeden Tag zehntausende Treffen gibt, deren Inhalt nicht öffentlich ist? Was wäre die Rechtfertigung? Es ist kein Parlament, keine operative Organisation. Es ist eine informelle Gruppe, die über verschiedene Themen spricht und die Diskussion hinter verschlossenen Türen führt, um die Gespräche zu erleichtern. Warum sollten diese Menschen nicht das gleiche Recht auf Privatsphäre haben wie jeder normale Bürger?“

Themen und Demos

An der Bilderberg-Konferenz Ende der Woche in Dresden werden rund 130 Entscheider aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Militär und Medien teilnehmen. Wie die Konferenzleitung am Dienstag mitteilte, sagten Gäste aus 20 Staaten ihr Kommen zu.

Themen der 64. Konferenz werden den Angaben zufolge unter anderem die Flüchtlingskrise und Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts sein. Vor den Präsidentschaftswahlen wollen sich die Konferenzteilnehmer auch mit der politischen und wirtschaftlichen Lage in den USA befassen. Weitere Themenschwerpunkte sind China, Russland, der Nahe Osten, Cyber-Sicherheit, Energie- und Rohstoffpreise, Prekariat und Mittelschicht sowie technologische Innovation.

Die Teilnehmer dürfen Gesprächsinhalte verwenden, aber Redner nicht namentlich zitieren. Gegner sprechen von einem „elitären Zirkel“, der demokratischen Grundprinzipien entgegenstehe.

In Dresden sind zahlreiche Gegenproteste angekündigt, darunter von der rechtsextremen NPD und linken Gruppen. Auch das islam- und fremdenfeindliche Pegida- Bündnis hat Aktionen angekündigt. Die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz vor. Die Anmeldungen im Überblick:

Wann: 09.06.2016

Wer: NPD – Kreisverband Dresden

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Volksherrschaft durchsetzen -„Bilderberger“-Macht brechen - Heimlichtuerei beenden!

Teilnehmerprognose: 50

Wann: 09.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Mahnwache

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Protest der „Mahnwache für Frieden - Dresden“ anlässlich der Bilderberg-Konferenz

Teilnehmerprognose: 10 bis 50

Wann: 09.06.2016

Wer: Die Rote Fahne/Antifaschistische Aktion

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Antifaschistische Kundgebung: Deutschland sagt nein zu Imperialismus und Krieg

Teilnehmerprognose: 15000

Wann: 09.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Wer bestimmt wirklich

Teilnehmerprognose: 50 bis 100

Wann: 09.06.2016

Wer: Die PARTEI Kreisverband Dresden

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Dresden grüßt seine Gäste

Teilnehmerprognose: 25 Teilnehmer

Wann: 10.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Mahnwache

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Protest der „Mahnwache für Frieden - Dresden“ anlässlich der Bilderberg-Konferenz 2016

Teilnehmerprognose: 10 bis 50

Wann: 10.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Wer bestimmt wirklich

Teilnehmerprognose: 50 bis 100

10.06.2016 // Freie Bürgerinitiative // Kundgebung // Dresden Neustadt // Erstellung einer Dresdner Proklamation // 400 Teilnehmer

Wann: 11.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Mahnwache

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Protest der „Mahnwache für Frieden - Dresden“ anlässlich der Bilderberg-Konferenz 2016

Teilnehmerprognose: 10 bis 50

Wann: 11.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Wer bestimmt wirklich

Teilnehmerprognose: 50 bis 100

Wann: 11.06.2016

Wer: LOVEstorm people

Was: Versammlung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Bilder gegen Bilderberg

Teilnehmerprognose: 1000

Wann: 11.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Aufzug mit Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: ANTI – BILDERBERGER FTS

Teilnehmerprognose: 50 bis 200

Wann: 11.06.2016

Wer: Freie Bürgerinitiative

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Neustadt

Thema: Erstellung einer Dresdner Proklamation

Teilnehmerprognose: 400 Teilnehmer

11.06.2016

ALTERNATIVE für Deutschland Sachsen

Kundgebung

Dresden Altstadt

TTIP, Ceta

Teilnehmerprognose: 1000

Wann: 12.06.2016

Wer: natürliche Person

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Wer bestimmt wirklich

Teilnehmerprognose: 50 bis 100

Wann: 12.06.2016

Wer: LOVEstorm people

Was: Versammlung

Wo: Dresden Altstadt

Thema: Bilder gegen Bilderberg

Teilnehmerprognose: 1000

Wann: 12.06.2016

Wer: Freie Bürgerinitiative

Was: Kundgebung

Wo: Dresden Neustadt

Thema: Erstellung einer Dresdner Proklamation

Teilnehmerprognose: 400 Teilnehmer

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Sie haben sehr viel mehr Einfluss als normale Bürger.

„Ich würde dieses Urteil voll und ganz verstehen, wenn bei Bilderberg Entscheidungen getroffen würden, die sich auf öffentliche Systeme auswirken. Es ist aber ausschließlich ein informeller Kreis, in dem Diskussionen zu breiten Themen geführt werden und Menschen Meinungen austauschen.

Kritiker argumentieren, dass Bilderberg einen Raum schafft, in dem ohne Kontrolle bestimmte Agenden vorangetrieben werden können.

„Erstens: Was wissen sie denn darüber? Und zweitens ist es völlig klar, dass dort keine Entscheidungen getroffen werden. Kompetente Menschen stellen ihre Meinungen vor, andere fragen nach, man stellt sich manchmal gegenseitig infrage, sodass die Teilnehmer ihre eigene Meinung bilden können - was ist schlimm daran? Damit Sie echte Diskussionen bekommen und manche Leute wirklich offen sprechen können, brauchen Sie Regeln wie die Chatham House Rule.“

Wie laufen die Gespräche konkret?

„Es ist ein großer Konferenzraum, die Gäste sitzen in alphabetischer Reihenfolge. In einem Jahr ist A vorne, im nächsten Jahr ein anderer Buchstabe. Das Format ist sehr klassisch: Es gibt ein Podium, ein Moderator stellt das Thema vor, dann können ein, zwei, manchmal drei Diskussionsteilnehmer ihre Sichtweisen vorstellen. Und dann gibt es eine offene Diskussion mit dem Saal.“

Was haben die Teilnehmer von dem Treffen?

„Das Bewusstsein von etwa 130 Menschen zu einer breiten Auswahl von Themen ist beim Rausgehen größer als beim Reingehen. Um Ihnen ein Beispiel zu geben, wir diskutieren seit Jahren über neue Technologien. Vor vielen Jahren war es sehr interessant für mich, dort die ersten Diskussionen um Cybersecurity zu hören. Wir versuchen, die Gäste so auszuwählen, dass wir sehr verschiedene Sichtweisen hören. Wenn man nur die üblichen Verdächtigen nimmt, bekommt man nur die üblichen Gespräche.“

Sie treffen sich in Dresden, einer politisch polarisierten Stadt. Haben Sie keine Bedenken mit Blick auf mögliche Proteste?

„Nein. Wir treffen uns jedes Jahr in einem anderen Ort. Diese Konferenzen haben manchmal Anlass zu Demonstrationen im Umfeld gegeben, aber es waren eigentlich immer friedliche Versammlungen. Und Deutschland ist bekannt für seine Organisationsfähigkeit.“

Was glauben Sie, warum es gerade um diese Konferenz so viele Vorwürfe, Fragen und auch Verschwörungstheorien gibt?

„Menschen träumen gerne und stellen sich vor, dass es irgendwo einen Orden gibt, wo einige Leute alles entscheiden. Da steckt ein wenig Einbildung in dem Mythos um Bilderberg. Es ist aber eigentlich viel simpler. Ja, es stimmt, dass viele der Teilnehmer große Verantwortung haben, wichtige Jobs, die Akademiker einen hohen Fachkenntnisstand. Daran ist doch nichts falsch. Wenn wir unsere Welt besser verstehen wollen, ist es gut, Gespräche zwischen diesen Menschen zu erleichtern. Denn sich gegenseitig zuzuhören heißt immer, sein Verständnis zu verbessern. Und manchmal helfen widersprüchliche Sichtweisen, bessere Antworten zu finden.“

Am Ursprung des Bilderberg-Treffens stand auch ein transatlantischer Gedanke - ist das heute noch relevant?

„Ja, ich denke, das ist relevanter denn je. Was haben wir gemeinsam? Vor allem zwei sehr grundlegende Werte: Die Überzeugung, dass die individuelle Freiheit wichtig ist, und dass jedes Individuum die anderen respektieren muss. Wir leben in einer Welt, in der die Dinge sich sehr schnell wandeln und wo es nicht unbedeutende Bedrohungen gibt. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam zu verstehen versuchen, wie diese zwei Kernwerte am Leben gehalten werden können.“ (dpa)