Freischalten Freischalten Kamenz
Merken

Großes Berlinale-Kino: Vom Crostwitzer Fußballrasen auf den roten Teppich in Berlin

Die jungen Fußballer der SG Crostwitz wurden für den Dokumentarfilm "Elf Mal Morgen" mit der Kamera begleitet. Jetzt erlebten sie die aufregende Premiere mit ganz viel Blitzlichtgewitter.

Von Miriam Schönbach
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Franc Klimann (r.) ist einer der Protagonisten in dem Berlinale-Dokumentarfilm "Elf Mal Morgen". SG Crostwitz-Präsident Thaddäus Ziesch war immer Ansprechpartner für das Filmteam.
Franc Klimann (r.) ist einer der Protagonisten in dem Berlinale-Dokumentarfilm "Elf Mal Morgen". SG Crostwitz-Präsident Thaddäus Ziesch war immer Ansprechpartner für das Filmteam. © Matthias Schumann

Crostwitz. Ganz großes Kino mit ganz großem Auftritt. Das ist wohl die kürzeste Zusammenfassung für den Ausflug einer Delegation der SG Crostwitz zur Berlinale in der vergangenen Woche. Allerdings sind die Fußballer nicht etwa nach Berlin gereist, um sich die neuesten und ausgezeichneten Leinwandproduktionen anzuschauen. Stattdessen stand die sorbische Mannschaft selbst im Mittelpunkt - und zwar in dem Dokumentarfilm „Elf Mal Morgen“. In mehr als 100 Minuten wird darin über ganz unterschiedliche Fußball-Jugendmannschaften in Deutschland erzählt - fernab von Kommerz, Transferrekorden oder spektakulären Trainerwechseln.

Gruppenbild bei der Berlinale: Die Delegation der SG Crostwitz mit Fußball-Weltmeister Philipp Lahm (Reihe hinten, 5.v.l.) und Europas Fußball-Königin Célia Śasić (4.v.l.).
Gruppenbild bei der Berlinale: Die Delegation der SG Crostwitz mit Fußball-Weltmeister Philipp Lahm (Reihe hinten, 5.v.l.) und Europas Fußball-Königin Célia Śasić (4.v.l.). © Matej Zieschwauck

Bei Franc Klimann klingen die Ereignisse der vergangenen Woche noch nach. An diesem Nachmittag ist er auf dem Weg zum Training auf dem Hartplatz in Ralbitz. Das Crostwitzer Grün am Dorfausgang muss für die Saison noch geschont werden. „Es fühlt sich beides gut an, der Fußballrasen genauso wie der rote Teppich“, sagt der 15-Jährige. Häufig spielt der Gymnasiast im Mittelfeld, aber die Positionen wechseln auch mal. Im letzten Spiel hat er eine Vorlage für ein Fast-Tor gegeben, verloren hat sein Team trotzdem 0:2. Bedauerlich.

Philipp Lahm ist Pate von "Berlinale meets Fußball"

Ein Gewinn ist für ihn und seine Mannschaft aber der Filmdreh. Kurz nach den Sommerferien 2023 klingelt beim Präsidenten der SG Crostwitz, Thaddäus Ziesch, das Telefon. Am anderen Ende der Leitung ist der Produzent Felix Herrmann. Er sagt: „Wir haben ein Filmprojekt vorgesehen in Verbindung mit der Fußball-Europameisterschaft und der Berlinale. Hättet Ihr Lust mitzumachen?“ Das Projekt ist schnell erklärt: Es heißt „Berlinale meets Fußball“.

Angestoßen – um im Fußballjargon zu bleiben – wurde es durch die Internationalen Filmfestspiele. Studierende der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF) wollen elf Jugendmannschaften in Deutschland mit möglichst diversem Hintergrund, darunter eine jüdische Mannschaft, blinde Spieler oder ein türkisches Frauenteam, abseits des Profifußballs porträtieren. Die Patenschaft dazu übernimmt Philipp Lahm, Weltmeister-Kapitän und Turnierdirektor der Fußball-EM 2024. Über dessen Stiftung läuft auch die Vermittlung in die sorbische Lausitz, über die Europeada – die Europameisterschaft der sprachlichen Minderheiten – weiß man voneinander.

Nach einer kurzen Absprache mit Vorstand und Eltern der Crostwitzer Spieler bekommen die Filmemacher das Okay. Ende Oktober stehen zwei Absolventinnen der Filmhochschule erstmals zur Recherche im Dorf. Die Crostwitzer lassen sie eintauchen ins sorbische Leben zwischen Anpfiff und Kirchgang. Gedreht wird schließlich bei einem zweiten Besuch. Drei Tage sind dafür vorgesehen.

Mit der Kamera begleiten Caroline Spreitzenbach und Justina Jürgens drei Spieler intensiver, darunter auch Franc Klimann. Sie gehen mit dem Schüler nicht nur auf den Fußballplatz. Sie sind mit der Kamera auch im Jugendzimmer dabei, fahren mit dem jungen Fußballer in die Schule nach Bautzen, zur Chorprobe des Kulturensembles „Brigada“ im sorbischen Gymnasium, zur Tanzgruppe Höflein und für einen „Shot“, wie Franc Klimann schon ganz filmerfahren sagt, zum Angeln an den Steinbruch in Nucknitz.

Selbstverständlich darf das Foto vor dem Berlinale-Palast nicht fehlen. Für die Crostwitzer war der Ausflug auf den roten Teppich bei den Filmfestspielen eine unvergessliche Reise.
Selbstverständlich darf das Foto vor dem Berlinale-Palast nicht fehlen. Für die Crostwitzer war der Ausflug auf den roten Teppich bei den Filmfestspielen eine unvergessliche Reise. © SG Crostwitz

Für die Geschichte rund um den sorbischen Verein entscheiden sich die Filmemacherinnen, den 15-Jährigen in den Mittelpunkt ihrer acht Minuten zu stellen. „Es war total aufregend, als sie mit der Kamera kamen. Aber man gewöhnt sich auch daran. Jetzt war es total ungewöhnlich, sich auf der großen Leinwand zu sehen“, sagt Franc Klimann.

Genossen hat die Delegation aus Crostwitz das Berlinale-Fieber aber in vollen Zügen. Zur Premiere mit Blitzlichtgewitter sind sie nicht nur Weltmeister Philipp Lahm begegnet, sondern auch Europas Fußball-Königin wie einstiger Stürmerin der deutschen Frauen-Fußballnationalmannschaft Célia Śasić und den Berlinale-Chefs. Ihre Tage in Berlin bleiben den Crostwitzern unvergesslich.

Botschafter für die Lausitz in Fußball-Shorts

Ein Leinwandstar wird aus Franc Klimann wohl eher nicht, aber in der nächsten Produktion des Theaterjugendclubs ist er auf der Bautzener Bühne schon mal zu erleben. SG Crostwitz-Präsident Thaddäus Ziesch wünscht sich, dass der junge Spieler eine Ausbildung zum Schiedsrichter macht. „Du lässt Dir nichts vormachen“, sagt er. Der Neuntklässler, der 2023 neben seinem Vater Marko Klimann als Grünling erstmals auf dem Osterreiterpferd saß, lässt sich diese Option zum Pfeifen noch offen.

Gezeigt werden soll „Elf Mal Morgen“ während der Fußball-Europameisterschaft zwischen dem 14. Juni und dem 14. Juli 2024 in deutschen Kinos. Angedacht ist, dann auch in Crostwitz vorbeizuschauen. „In unserem Filmteil ist Fußball nur zweitrangig. Er zeigt, was diese spezielle Region ausmacht, das, was uns Halt gibt – die Heimat, die Kultur, die Traditionen, die Besonderheiten der Minderheit“, sagt Thaddäus Ziesch. Auf diese Weise wird die B-Jugend der SG Crostwitz in Fußball-Shorts zu einem besonderen Botschafter für die sorbische Lausitz.