Sie wollen in Kamenz über die Corona-Politik reden

Kamenz. Ein runder Holztisch auf dem Kamenzer Markt. Schon das allein ist ungewöhnlich. Vor zwei Wochen stellte eine Kamenzer Initiative das Möbelstück am Sonnabendvormittag erstmals auf. An diesem Sonnabend, 11 Uhr, wird es eine Fortsetzung geben. Es ist eine Reaktion auf die montäglichen Proteste gegen die Corona-Politik.
„Lasst uns miteinander reden!“, haben die Initiatoren als Überschrift gewählt. Kamenz hat 17.000 Einwohner - und die meisten davon seien nicht Montagabend bei Aufzügen unterwegs, so die Argumentation. Ihnen wolle die Initiative eine Stimme geben. Eine Alternative, um auf rechtlich einwandfreiem Boden unter Einhaltung bestehender Regeln seine Meinung, seine Kritik, seine Sorgen sagen zu können.
Die Diskussion vor zwei Wochen sei emotional, aber auch sachlich gewesen, resümiert Linken-Stadtrat und Mitinitiator Jens Fichte. Rund 70 Leute hätten miteinander debattiert. Natürlich würden die Positionen gerade auch beim Thema Impfen weit auseinanderliegen.
Die Initiative habe aber den ersten Runden Tisch ausgewertet und sei der Meinung, es lohne sich, weiterzumachen, sagen Juristin Dr. Janett Theile und Peter Sondermann, berufener Bürger im Verwaltungsausschuss des Stadtrates.
Das sehen Teilnehmer der Montagsdemos durchaus ähnlich. So schreibt ein Kommentator, es sei eine wirklich gute Diskussionsatmosphäre gewesen: „Bis auf ein paar Ausreißer auf beiden Seiten mit Respekt und auf Augenhöhe.“ Es könne doch keine gespaltene Stadt bleiben. Ein Hauptziel sei, die Impfpflicht zu stoppen. Einmal ins Gespräch gekommen, so die Meinung, könne man auch knallharte Zahlen auf den Tisch legen.
Keine Gegendemo, sondern ein Angebot zum Gespräch
Das wollen auch die Initiatoren des Tisch-Gesprächs: Studien zu Rate ziehen und – wenn es sich machen lässt – Fachleute auf den Markt holen, um Dinge einzuordnen und vielleicht Missverständnisse ausräumen zu können. Die Initiative wolle keine Gegendemo oder Lichterkette, sondern ins Gespräch kommen, Verständnis entwickeln. Es gehe darum, Kompromisse auszuloten als Basis fürs Zusammenleben. Da müssten sich alle bewegen. Janett Theile: „Natürlich hoffen wir im Gespräch auch bei dem einen oder anderen auf einen Aha-Effekt."
Da sei einerseits die Angst vor der Impfung und die Ablehnung, es geht um das Recht auf Selbstbestimmung. Aber auf der anderen Seite sei da auch die Sorge vor einer schweren Corona-Infektion. Er persönlich sehe keinen anderen Weg, um die Ansteckungen zu verringern und die Krankenhäuser vor Überlastung zu bewahren, als die Impfung, sagt Peter Sondermann. Und er wünsche sich Verantwortungsbewusstsein für die Gesellschaft. Eine Entscheidung gegen die Immunisierung habe auch Konsequenzen für andere.
Initiatoren sehen Proteste auf der Straße kritisch
100 Teilnehmer seien diesmal für die Aktion auf dem Markt angemeldet. Und das sei auch ein Unterschied zu den unangemeldeten Protesten, abseits von Hygieneregeln. Die Initiatoren vom Runden Tisch beurteilen die anhaltenden Proteste auf der Straße nach wie vor kritisch.
Die drei Kamenzer glauben nicht, dass sie Veränderungen bewirken. Janett Theile: „Ich denke, wir müssen die Forderungen konkret an die bringen, die darauf auch reagieren können.“ Das könne durch Unterschriften-Listen sein, Online-Petitionen oder die Einladung an den Runden Tisch. Nicht einverstanden sein, gehöre zur Demokratie, aber im rechtlichen Rahmen. Und wer mit Corona-Schutzmaßnahmen nicht einverstanden ist, könne die Entscheidungen durch Gerichte prüfen lassen, sagt Janett Theile.
Und wenn man sich an Regeln hält, heiße das ja nicht, dass man unkritisch ist gegenüber unverständlichen Corona-Auflagen, Mängeln und Bürokratie im Gesundheitssystem oder Zuständen in Krankenhäusern.
Kritik an OB-Auftritt bei Montags-Protest
Natürlich wüssten sie, dass viele Demo-Teilnehmer in Kamenz nichts mit Rechtsextremen am Hut haben. Wer aber eine Fahne der Freien Sachsen sehe und da mitlaufe, reihe sich mit ein bei Leuten, die den Staat destabilisieren wollen. Deshalb solle die Markt-Diskussion ein Alternativ-Angebot sein.
Insofern geht die Initiative auch deutlich auf Distanz zum Auftritt des Kamenzer Oberbürgermeisters am Montag vor den Demonstranten. Er habe die „in aller Regel rechtswidrigen Spaziergänge“. und den Runden Tisch der Initiative zum Dialog gleichgesetzt. Das sei sachlich falsch. Das Statement des Oberbürgermeisters sei „eine späte, aber deutliche Unterstützung der Forderungen der Spaziergänger gewesen“.
„Wie soll vor diesem Hintergrund eine Diskussion auf Augenhöhe zwischen den sich gegenüberstehenden Meinungen geführt werden?“, fragen die drei Initiatoren. Die Debatte solle ja ergebnisoffen sein. Daher denke die Initiative auch über einen unabhängigen Moderator nach, der mit Respekt zuhöre und für alle akzeptabel sei.