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Kamenzer Würstchen: „Rezept ist das bestgehütete Geheimnis der Stadt“

In Kamenz ist am 17. März Würstchenmarkt. Sächsische.de stellt die wichtigsten Akteure vor. Heute: Fleischerei Minkwitz, deren Rezept weit über 100 Jahre alt ist.

Von Ina Förster
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Constanze und Enrico Minkwitz führen die  gleichnamige Kamenzer Fleischerei an der Oststraße bereits in vierter Generation. Dünne Kamenzer gehören zum festen Repertoire und werden immer noch nach dem Originalrezept von 1897 gefertigt.
Constanze und Enrico Minkwitz führen die gleichnamige Kamenzer Fleischerei an der Oststraße bereits in vierter Generation. Dünne Kamenzer gehören zum festen Repertoire und werden immer noch nach dem Originalrezept von 1897 gefertigt. © Matthias Schumann

Kamenz. Es ist so eine Sache mit Geheimnissen: Manche machen schnell die Runde, andere offenbaren sich nur wenigen Personen. So ist es auch mit den Kamenzer Würstchen. "Das Rezept dafür ist wohl eines der bestgehüteten Geheimnisse der Stadt", meint Fleischermeister Enrico Minkwitz mit einem Augenzwinkern.

Jeder Fleischer verwahrt die Rezeptur meistens so lange, bis er sie an seinen Nachfolger weitergibt. Neben Rind und Schwein gehören nämlich vor allem geheimnisvolle Kräuter und Gewürze mit hinein, bevor die Würstchen geräuchert werden.

Das Rezept wurde früher wortwörtlich im Tresor verwahrt, ist sozusagen so etwas wie "Goldstaub". So kommt es auch, dass die Würste bei jedem Fleischer anders schmecken. Nur Mitglieder des Kamenzer Fleischervereins, der sich die Marke vor geraumer Zeit schützen ließ, dürfen sie übrigens so nennen. Alle anderen müssen sie "nach Kamenzer Art" betiteln.

Außer Würstchen gibt's auch Kamenz-Burger

Zum nächsten Würstchenmarkt am 17. März 2024 werden wieder Tausende Fans der deftigen Spezialität in die Stadt strömen und die verschiedenen Sorten kosten. Auch die fünfte Ausgabe des frühlingshaften Genuss-Events inklusive verkaufsoffenem Sonntag kommt mit einem umfangreichen Programm daher, das von der Cityinitiative, der Stadt sowie dem Citymanagement vorbereitet wird. Kamenzer Würstchen werden dann von allen drei Kamenzer Fleischereien zu haben sein. Entweder sind die Handwerksbetriebe selbst vor Ort, oder andere Händler bieten ihre Ware an.

Enrico Minkwitz und sein Team sind von Anfang an mit dabei und lassen es sich auch 2024 nicht nehmen, den ganzen Tag selbst mit in ihren Verkaufswagen zu stehen. Dann gehen unzählige Kamenzer über den Tresen, aber auch solche Spezialitäten wie der Kamenz-Burger. "Wir lassen uns da immer einiges einfallen", sagt Minkwitz. Imbiss-erprobt sei man bereits von vielen Stadt- und Forstfesten.

Fleischerei Minkwitz schon in vierter Generation

Der 49-Jährige ist Fleischermeister in vierter Generation und führt den Traditionsbetrieb seines Schwiegervaters Rudolf Minkwitz zusammen mit seiner Frau Constanze seit 2008 mit Erfolg. Als junger Mann hatte er den Beruf des Fliesenlegers gelernt. Der Liebe zur Fleischertochter wegen sattelte er dann aber noch einmal um und nahm den Namen der Kamenzer Fleischer-Dynastie an. Immerhin wurde ihm so ein Handwerk anvertraut, das mittlerweile 126 Jahre Familientradition umfasst.

Dass das kein Fehler war, beweist er sich tagtäglich selbst, denn seine Arbeit mache ihm Spaß, sagt der Fleischermeister, der sich seit Jahren als Chef im Kamenzer Fleischerverein und Vorstandsmitglied in der Cityinitiative engagiert. "Für mich ist es selbstverständlich, etwas in der Stadt zu bewegen", sagt Enrico Minkwitz. Seine Frau Constanze hält die Fäden derweil im Laden an der Oststraße sowie im Catering zusammen.

Letzteres nehme immer mehr Gewicht ein in der täglichen Arbeit. "Die Auftragsbücher sind voll, sehr oft auch mittlerweile unter der Woche", erzählt Constanze Minkwitz. Vor allem Fingerfood werde gern von Unternehmen geordert, etwa für Empfänge, Tagungen oder Richtfeste. Und der Mittagsimbiss im Haus laufe super. Dank des nahen Lessingschul-Campus habe man zahlreiche Neukunden dazu gewonnen.

Trotz weltweiter Krisen habe sich das Geschäft weiter zum Positiven entwickelt. Zwei Gesellen und ein Azubi gehören aktuell mit zum Handwerksbetrieb. Und Altmeister Rudolf Minkwitz kann es nicht ganz lassen und packt vor allem an den Vormittagen noch immer mit an.

Kunden fragen auch nach veganer Bratwurst

"Die Kundschaft kauft qualitätsbewusster, auch viele junge Leute gehören dazu", sagt Enrico Minkwitz. "Und wir kaufen Fleisch definitiv regional ein. Rind beispielsweise ausschließlich vom Bauern Ingo Tuttas aus Großröhrsdorf." Das komme gut an, denn vielen sei mittlerweile die Lust auf Supermarkt-Fleisch vergangen. "Wir selbst arbeiten bewusst nicht mit Rotlicht in der Theke wie große Anbieter. Das täuscht der Kundschaft viel vor", sagt Minkwitz.

Constanze Minkwitz bei einem der früheren Würstchenmärkte in Kamenz. Da gibt es immer viel zu tun
Constanze Minkwitz bei einem der früheren Würstchenmärkte in Kamenz. Da gibt es immer viel zu tun © René Plaul

Was auffalle: Keiner möchte mehr Fleisch mit Fettrand. "Kein Fitzelchen darf am besten dran sein, dabei schmeckt etwas Durchwachsenes besser", gibt der Fleischer zu bedenken. "Eine schöne Roulade mit Maserung will keiner haben, dabei schwören echte Fleischkenner gerade darauf." Die Werbung und moderne Essgewohnheiten wirkten sich auf die Kundenwünsche aus.

"Wir werden beispielsweise immer wieder mal nach veganer Bratwurst gefragt, da in jeder Familie mittlerweile Vegetarier mit am Tisch sitzen. Und damit werden wir uns jetzt auch verstärkt beschäftigen", kündigt Minkwitz an. Verschließen möchte man sich der Entwicklung nicht. Doch die Produktion sei gar nicht so einfach.

Lieber dünne oder dicke Kamenzer?

Und bei den Kamenzer Würstchen? Team dicke oder dünne? "Definitiv dünne! Viele Kunden denken immer noch, dass die dicke Kamenzer der Ursprung war, stimmt aber nicht", sagt Constanze Minkwitz lachend. Die habe man zu DDR-Zeiten nur aus Mangel an dünnen Saitlingen erfunden.

Das Originalrezept von 1897 hat Enrico Minkwitz übrigens doch nicht ganz so feierlich vom Schwiegervater geerbt. "Als er einmal unverhofft im Krankenhaus lag und die Kamenzer-Produktion zu erliegen drohte, musste er ganz unsentimental damit rausrücken", erzählt der 49-Jährige.