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Kamenz: In der alten Bäckerei entstehen individuelle Wohnungen

Ein Paar hat ein ruinöses Haus an der Pulsnitzer Straße saniert. Bald können die ersten Mieter einziehen - nachdem etliche Schwierigkeiten zu bewältigen waren.

Von Ina Förster
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Dagmal Kockel und Uwe Herwehe stehen hier vor der Rückseite ihres umfangreichen Sanierungsobjektes an der Pulsnitzer Straße in Kamenz. Die ersten Mieter wollen im Juli einziehen.
Dagmal Kockel und Uwe Herwehe stehen hier vor der Rückseite ihres umfangreichen Sanierungsobjektes an der Pulsnitzer Straße in Kamenz. Die ersten Mieter wollen im Juli einziehen. © Anne Hasselbach

Kamenz. Man erahnt das uralte Backhaus an der Pulsnitzer Straße 10 in Kamenz noch. Rotes Mauerwerk, geschwungene Bögen und Gewölbe überall. Mit ein wenig Fantasie sieht man sie an ihren Mehltrögen stehen - die Kamenzer Stadtbäcker, die hier über Jahrhunderte Brot und Semmeln gebacken haben, Kuchen in den Ofen schoben und die hungrige Kundschaft glücklich machten. Doch das ist lange her. Heute wird hier mit Charme und Flair gewohnt. Bald jedenfalls.

In den 90er-Jahren wanderte das letzte Brot aus dem Backofen auf den Verkaufstresen. Dann stand das Areal samt Backstube und Ladengeschäft ewig leer. Bis März 2017 befand es sich noch in den Händen des privaten Vorbesitzers, der es vor vielen Jahren kaufte, aber wenig Sanierungswillen zeigte. Das Gelände wucherte immer mehr zu. Vor allem ein ruinöser hinterer Anbau zog immer wieder Ärger an. Bis Dagmar Kockel und Uwe Herwehe die Immobilie für sich entdeckten, kauften und vor drei Jahren mit der Sanierung begannen.

Corona verzögerte die Sanierung um Monate

Ende 2022 wollten sie eigentlich fertig sein. So war jedenfalls die Bauplanung. Heute winkt Dagmar Kockel nur müde lächelnd ab: "Den Zeitplan hatten wir uns lange abgeschminkt", sagt sie. Corona mit Personalproblemen bei den Gewerken und Lieferengpässen beim Material kamen dazwischen. Und ein ziemlich langer Kampf um Bau- und Abrissgenehmigungen am Anfang.

Das alte Haus steht zwar nicht unter Denkmalschutz, nur eine Sprüche-Tafel aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges an der Vorderseite des Gebäudes. Fördermittel gab es dementsprechend keine für die Haussanierung. Aber dafür Auflagen, weil sich das Gebäude in der Altstadt befindet. Biberschwänze auf dem Dach mussten es sein. Und dreifach verglaste Holzfenster als Lärmschutz. Auch die Abrissgenehmigung für einen ruinösen Anbau an der Südseite dauerte ihre Zeit.

"Wer ein altes Haus kauft, muss aber vorher wissen, was da auf ihn zukommt", sagt Dagmar Kockel. Blauäugig jedenfalls seien sie nicht gewesen.

Eingespieltes Team im Privatleben wie auf der Baustelle

Dagmar Kockel und ihr Lebensgefährte Uwe Herwehe sind schon länger ein eingespieltes Team - im privaten Leben, wie auch seit Jahren auf ihrer gemeinsamen Baustelle. Beide haben eigene Häuser, in denen sie leben. Doch so einem alten ehrwürdigen Haus noch einmal neues Leben einzuhauchen - das reizte beide.

Als Bauherrin fungiert die Bernsdorferin, ihr Lebensgefährte aus Kamenz leitet die Bauarbeiten. Dabei ist er in seinem Metier, denn der 62-Jährige hat als Chef seiner Tiefbaufirma seit Jahrzehnten Durchblick, Know-how und die nötige Manpower für das umfangreiche Unterfangen.

Überall findet man Zeugen der Vergangenheit - schönes Gewölbe und auch Mauern wurden freigelegt.
Überall findet man Zeugen der Vergangenheit - schönes Gewölbe und auch Mauern wurden freigelegt. © Anne Hasselbach
Im Dachgeschoss gibt es darüber viel offenes Gebälk, wie hier in der oberen Etage der 150 Quadratmeter großen Wohnung, die bereits vergeben ist.
Im Dachgeschoss gibt es darüber viel offenes Gebälk, wie hier in der oberen Etage der 150 Quadratmeter großen Wohnung, die bereits vergeben ist. © Anne Hasselbach
Der Boden des riesigen mittelalterlichen Kellers mit Kreuzgewölbe wurde mit alten Backsteinen ausgelegt.
Der Boden des riesigen mittelalterlichen Kellers mit Kreuzgewölbe wurde mit alten Backsteinen ausgelegt. © Anne Hasselbach
Diese Sprüchetafel aus dem Dreißigjährigen Krieg steht als einziges Detail auf dem Areal unter Denkmalschutz.
Diese Sprüchetafel aus dem Dreißigjährigen Krieg steht als einziges Detail auf dem Areal unter Denkmalschutz. © Anne Hasselbach
Dagmar Kockel und Uwe Herwehe sind stolz auf die umfangreiche Sanierung der Pulsnitzer Straße 10 (im Hintergrund). Das Haus befindet sich an einer der engsten Stellen der Straße, gleich gegenüber vom Stadttheater. Über Jahrhunderte war es eine Bäckerei.
Dagmar Kockel und Uwe Herwehe sind stolz auf die umfangreiche Sanierung der Pulsnitzer Straße 10 (im Hintergrund). Das Haus befindet sich an einer der engsten Stellen der Straße, gleich gegenüber vom Stadttheater. Über Jahrhunderte war es eine Bäckerei. © Anne Hasselbach
Uwe Herwehe hat auch solche kleinen Details bei der Sanierung einarbeiten lassen: Dieses Zeichen soll den künftigen Mietern Glück bringen.
Uwe Herwehe hat auch solche kleinen Details bei der Sanierung einarbeiten lassen: Dieses Zeichen soll den künftigen Mietern Glück bringen. © Anne Hasselbach

Das Areal an der Pulsnitzer Straße 10 war eine spannende Herausforderung. Und nach drei Jahren Bauzeit sieht man nun einen Fortschritt. Der idyllische Innenhof mit herrlichen Rundbögen und Granitsäulen ist der Hingucker. Auch die Wohnungen selbst bestechen durch zum Teil freigelegtes Mauerwerk, verputzte Gewölbe und individuelle Gestaltung. Viel freies Gebälk sorgt für besonderen Charme in den oberen Geschossen.

"Keine der Wohnungen ähnelt der anderen. Sie sind alle besonders", schwärmt Dagmar Kockel. Und führt gern durch die Räume. Noch verirrt man sich in den Treppenhäusern und vielen Gängen. Noch braucht es Fantasie, um sich das künftige Wohnen im Detail vorzustellen. Doch eines ist klar: Das wird gut. "Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie die Mieter sich hier wohlfühlen können. Und wie wir das Optimale herausholen", so die Bauherrin.

Größte Wohnung geht über drei Etagen

Der Spagat zwischen uraltem Gemäuer und modernen Wohnwünschen ist geglückt. Die größte Wohnung ist 150 Quadratmeter groß und verläuft über drei Etagen. "Das hat schon Eigenheimcharakter. Und die Mieter konnten im Vorfeld einiges mit bereden", sagen die Sanierer.

Andere Wohnungen sind mit 50 bis knapp 100 Quadratmetern kleiner, aber ebenfalls sehr interessant. Zum Teil gibt es offenes Wohnen, eine Wohnung hat sogar eine großzügige Terrasse. "Die ist aber schon vergeben", so Kockel. Auf die anderen Mietparteien wartet später ein uriger Innenhof. Auch Carports sind geplant. Im Juli wollen die ersten Mieter einziehen.

"Zwei der fünf Einheiten sind noch nicht reserviert", verrät Dagmar Kockel. Auch eine Singlewohnung ist dabei. "Sollte sich dafür niemand finden, denken wir schon über ein möbliertes Fremdenzimmer nach", so Herwehe.

Der gesamte Gebäudekomplex wurde energetisch saniert. "Da wir hier in der Altstadt nicht mit Solar arbeiten konnten, haben wir uns für Erdwärme entschieden", erklärt Dagmar Kockel. Sie selbst wird eine Filiale ihrer Versicherungsagentur in einer Gewerbeeinheit im Erdgeschoss unterbringen. Eine weitere nutzt Uwe Herwehe als Archiv für seine Tiefbaufirma. "An der Pulsnitzer Straße war es illusorisch zu hoffen, dass hier jemand einen Laden öffnen will", sagt er.

Wenn man sich die Risse in allen Häuserwänden ansehe, sei es wirklich unverständlich, dass hier noch Lkw fahren dürfen. Eine Tonnagebegrenzung wäre das Mindeste. Die neuen Hausbesitzer setzen sich deshalb mit für eine Verkehrsberuhigung ein.