Döbeln
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Katastrophe absurd

Das Grauen zum Beginn des Zweiten Weltkriegs ist in „Sein oder Nichtsein“ in Lachen verpackt. Aber darf man das?

Von Jens Hoyer
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Im Polski Theater Warschau proben die Schauspieler 1939 an einem Stück mit dem Titel Gestapo. Die Kostüme können sie später noch gut gebrauchen, als sie die deutschen Besatzer in einem aberwitzigen Verwechslungsspiel verwirren.
Im Polski Theater Warschau proben die Schauspieler 1939 an einem Stück mit dem Titel Gestapo. Die Kostüme können sie später noch gut gebrauchen, als sie die deutschen Besatzer in einem aberwitzigen Verwechslungsspiel verwirren. © Lars Halbauer

Döbeln. Die Schauspieler machen Theater im Theater. Plakativ hängen links und rechts überdimensionale Hakenkreuzfahnen. Der Gestapo-Gruppenführer hat einen Pimpf vorgeladen und will ihn gerade zu seinem Vater befragen, als der Führer erscheint. „Heil Hitler“, brüllt der Gestapomann. „Ich heil mich selbst“, entgegnet Hitler. Der Regisseur rastet aus und verbittet sich jede Improvisation. Schließlich sei das ein dokumentarisches Theaterstück über Nazi-Deutschland.

Das Polski Theater Warschau hat 1939 das Nazi-Stück auf den Spielplan genommen. Die Anspannung des Regisseurs ist zu verstehen. Es wurde noch kein einziges Mal durchgeprobt und am nächsten Tag soll die Premiere sein. Das hat sich dann auch erledigt. Die Dame von der Zensur-Behörde verbietet die Aufführung, denn man will angesichts der Krise die Deutschen nicht provozieren. Na gut, spielt man eben Shakespeare.

Im 80. Jahr des Überfalls auf Polen hat das Mittelsächsische Theater die Komödie „Sein oder Nichtsein“ auf den Spielplan genommen. Das Theater greift damit einen Stoff auf, aus dem der Regisseur Ernst Lubitsch bereit 1942 einen sehr erfolgreichen Film machte. Eine Nazigeschichte, verpackt in einer Komödie. „Auch damals gab es Diskussionen, ob man das darf. Aber Lubitsch sagte, darüber müsse man lachen“, sagte Dramaturg Matthias Wolf. 

Der Film „Der große Diktator“ mit Charly Chaplin habe das Vorbild gegeben. „Mit Übertreibung wird vorgeführt, wie etwas wirklich ist“, sagte Wolf. „Wir wollen mit der Geschichte den 80. Jahrestag des Überfalls auf Polen ins Gedächtnis rufen. Der Stoff erzählt auch etwas über die Mittel und die Kraft des Theaters.“

Denn die polnischen Schauspieler in „Sein oder Nichtsein“ machen überall Theater – sozusagen auf des Messers Schneide. Die Deutschen sind inzwischen in Polen einmarschiert. Als die Schauspieler von einem Spion erfahren, der mit einer Namensliste der Mitglieder des polnischen Widerstands nach Warschau unterwegs ist, holen sie die Nazi-Kostüme wieder aus dem Fundus. Sie holen den Spion vom Flughafen ab und spielen ihm die deutschen Besatzer vor. „Als der Spion stirbt, spielen sie den auch. Ständig wird etwas vorgespielt und die Schauspieler kommen in Lebensgefahr, weil sie übertreiben. Die Welt zu retten mit den Mitteln der Kunst, das ist doch toll“, sagte Wolf.

Gerade laufen die letzten Proben, am Sonnabend ist die Premiere in Döbeln. Thomas Roth hat Regie in dem Stück geführt. Er war für Schauspieldirektorin Annett Wöhlert eingesprungen, die erkrankt ist. Für die Ausstattung ist Eckhard Reschat zuständig. „Er hatte schon ein Konzept für die Bühnenausstattung. Aber die beiden haben sich verständigen können“, sagte Wolf. 

Weil die erste Premiere diesmal in Döbeln ist, laufen die letzten Proben im Theater. Damit ist ordentlich Betrieb im Haus. Weil es sich um eine ziemlich große Produktion handelt, sind zwei Requisiteurinnen und drei Maskenbildnerinnen dabei. Dazu kommen vier Bühnentechniker, jeweils zwei Ton- und Lichttechniker. „In den Endproben ist viel zu tun“, sagte Wolf.

Premiere von „Sein oder Nichtsein“ am Sonnabend um 19.30 Uhr im Theater Döbeln.