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Sächsische Schweiz: Initiative Naturpark entsetzt über Waldbrand-Gutachten

Laut einem Experten soll Totholz die Waldbrände nicht beschleunigt haben. Kritiker sehen aber Widersprüche. Grünen-Politiker dagegen sind zufrieden.

Von Anja Weber
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Im Januar hatte die Bürgerinitiative zu einer Wanderung durch den Totwald in der Sächsischen Schweiz eingeladen, um das Ausmaß zu zeigen.
Im Januar hatte die Bürgerinitiative zu einer Wanderung durch den Totwald in der Sächsischen Schweiz eingeladen, um das Ausmaß zu zeigen. © Daniel Förster

Das Totholz sei nicht schuld an dem verheerenden Waldbrand in der Sächsischen Schweiz. Ausgebreitet habe sich dieser durch Flugfeuer. Auch die Rettungswege wären jederzeit frei gewesen. Zu dem Schluss kommt ein Gutachten der TU Dresden, beauftragt durch das sächsische Umweltministerium. Vor allem bei den vor Ort Betroffenen kocht die Stimmung hoch.

Immerhin sind bei den Waldbränden reichlich elf Millionen Einsatzkosten entstanden. Die Tourismuswirtschaft beklagt laut deren Verband etwa 20 Millionen Einbußen. Und noch mitten in den Waldbränden appellierte Innenminister Armin Schuster (CDU) daran, das man in der Sächsischen Schweiz künftig einen besonderen Einklang zwischen Bevölkerungsschutz, Naturschutz und Brandschutz benötige und man vielleicht auch andere Wege gehen müsste. Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) ließ dagegen schon von Anfang an keinen Zweifel daran aufkommen, dass aus seiner Sicht das Totholz nicht Schuld sein kann. Zu dem Ergebnis kommt auch das Gutachten.

Nationalpark-Kritiker haben einen Verdacht

Die Bürgerinitiative (BI) Naturpark Sächsische Schweiz wird sich in den nächsten Tagen intensiv mit dem Inhalt des veröffentlichten Gutachtens auseinandersetzen. In einer ersten Durchsicht sei für sie aber der Eindruck entstanden, dass alles nicht so schlimm gewesen sein kann und eigentlich keine Brandvorsorgemaßnahmen notwendig seien. Das könne nicht das Fazit dieses grenzüberschreitenden Großschadensereignisses sein, so die BI. Es wäre zudem nicht ersichtlich, inwieweit man mit der 36-seitigen Einzelexpertise der TU Dresden im Austausch mit dem 17-köpfigen tschechischen Expertengremium gestanden habe.

Dieses hatte ihre über 100-seitige Studie im Januar veröffentlicht und ist zu einem etwas anderem Ergebnis gekommen. In dieser heißt es unter anderem, dass die Brände in Nadelwäldern schwerer verlaufen seien als in Laubwäldern. Das habe man vor allem in den Waldgebieten gemerkt, in denen Bäume durch den Borkenkäferbefall bereits abgestorben waren.

"Überraschend ist zudem der Zeitpunkt der öffentlichen Präsentation des Gutachtens durch Minister Günther gerade einen Tag nach dem sehr hoffnungsvollen Auftaktgespräch zwischen der Bürgerinitiative und der Nationalparkverwaltung am 30. Januar in Bad Schandau", schreibt die Bürgerinitiative in ihrer Presseerklärung. Von der Verwaltung des Nationalparks sei ihnen darauf umgehend mitgeteilt worden, dass weder der Termin der Veröffentlichung noch die Inhalte vor dem gemeinsamen Treffen bekannt gewesen seien. Bei den Mitgliedern der Bürgerinitiative keimt ein Verdacht auf.

Denn so konnte der Inhalt des Gutachtens nicht in das Gespräch einfließen. "Es bleibt also fraglich, warum das Gutachten, welches bereits Ende des letzten Jahres vorgelegen haben soll, wie gestern bekannt wurde, erst einen Monat später der Öffentlichkeit vorgestellt wurde", kritisiert die Bürgerinitiative. Aus ihrer Sicht entstehe teilweise der Eindruck, dass die Befürchtungen der Bürgerschaft die politischen Entscheidungsträger noch nicht erreicht hätten.

Die Bürgerinitiative selbst hatte sich als Folge der Waldbrände gegründet. In ihren Anliegen geht es allerdings nicht vordergründig nur darum. Sie fordern vielmehr eine klimagerechte, nachhaltig und naturverträglich ausgerichtete Schutz-durch-Nutzung-Strategie für den Landschaftsraum Sächsische Schweiz. Ein auf die Bevölkerung ausgerichteter Brandschutz ist da nur eins von mehreren Argumenten für die von ihnen geforderte Änderung der sächsischen Naturschutzgesetzgebung.

Nationalpark-Befürworter sehen sich bestärkt

Der Sebnitzer Stadtrat Paul Löser (Grüne) fühlt sich bestätigt: "Das Gutachten räumt nun endgültig mit dem Mythos auf, dass Totholz für die starke Ausbreitung des Waldbrandes verantwortlich ist", teilt er mit. Bereits im letzten Jahr hätten Forstexperten starke Zweifel an der These geäußert, die vor allem von jenen verbreitet worden sei, die den Nationalpark abschaffen wollen. Mit dem vorliegenden Gutachten verliere deren Argumentation nun jede faktenbasierte Grundlage. Es schaffe die wissenschaftsbasierte Voraussetzung, um eine konstruktive Diskussion darüber zu führen, wie Menschen, Tiere und Pflanzen in der Region am besten vor weiteren Waldbränden geschützt werden könnten.

Auch der Grünen-Kreissprecher Nino Haustein meldet sich zu Wort und fordert: "Anstatt sich jetzt in weiteren Grundsatzdiskussionen zu verlieren, müssen wir endlich ins Machen kommen. Der nächste Dürresommer und damit verbundene Waldbrände werden angesichts der Klimakrise nur eine Frage der Zeit sein", sagt er. Das durch den Nationalpark überarbeitete Schutzkonzept müsse anschließend schnell umgesetzt werden. Darüber hinaus müsse man von Landesseite der Bau der Löschwasserzisternen im Nationalpark und die Vorbereitung der Feuerwehren auf weitere Waldbrandsituationen absolute Priorität haben.

Die Kommunen dürften seiner Meinung nach dort nicht im Regen stehen gelassen werden. Außerdem erinnert er an die angestrebte Gründung eines Rates zur Nationalparkregion. "Damit wir einen Konsens darüber bekommen, wie sich unsere Region mit dem Nationalpark in Zukunft entwickeln soll", sagt er. Wichtige Punkte aus seiner Sicht seien dabei eine Lösung für die Verkehrslenkung, Tourismus in Zeiten der Klimakrise und ein daran angepasstes Marketing.

Die Expertenkommission will ihren Bericht übrigens im März vorlegen. Das Gutachten fließt da mit ein.