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Kein Mindestlohn für Kühe

Der Wegfall der Milchquote ist für die meisten Bauern im Landkreis ein Gewinn, doch ihr größtes Problem bleibt.

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© Steffen Unger

Von Jana Ulbrich

Nummer 15 marschiert in den Melkroboter. Die Schwarzbunte mit den großen Kulleraugen steckt das Maul zielstrebig in den Futternapf. Mike Krause, der das gerade beobachtet, schmunzelt. „Die Kühe wissen genau, wie das hier geht.“ Vorne spuckt der Roboter kleine Leckerlis aus, hinten setzt ein kameragesteuerter Arm die Melkbecher an die Zitzen. Keine drei Minuten, da ist Nummer 15 abgemolken und die Nächste darf in den Melkstand. Die Kühe stehen geduldig Schlange vor der hochmodernen Technik.

Vor zwei Jahren hat Mike Krause den computergesteuerten Melkroboter angeschafft. Ein Wunderwerk der Technik, das Neueste auf dem Markt. Ein Automat, der alles überwacht und alles erkennt: Jeden einzelnen Liter Milch von jeder einzelnen Kuh, jede entzündete Zitze, jede mögliche Krankheit. Für Mike Krause und seinen landwirtschaftlichen Familienbetrieb gab es vor zwei Jahren nur die Wahl zwischen Aufgeben oder Investieren. Der Landwirt aus Großdrebnitz bei Bischofswerda hat sich fürs Investieren entschieden. Die neue Melk-Anlage hat eine sechsstellige Summe gekostet, zehnmal mehr als die alte.

Nummer 85 marschiert in den Melkstand, eine dicke, runde Rotbunte. Der Computer sieht sofort, dass sie kurz vorm Kalben ist und nicht mehr gemolken wird. Also kein Leckerli für die Rotbunte, die wieder davontrottet und gleich Nummer 27 Platz macht, die schon ansteht. In Krauses Stall können sich die Kühe frei bewegen und zum Melken kommen und gehen, wann sie wollen. Sie haben viel Licht und viel frische Luft, eine Tränke und eine Wellness-Ecke mit automatischer Kuhbürste.

Arbeiten unterm Existenzminimum

Milcherzeugung im Kreis

Die Milchquote ist abgeschafft. Über 30 Jahre lang hatte die EU den Bauern vorgeschrieben, wie viel Milch sie im Jahr produzieren dürfen. Wer die Quote überschritt, musste Strafe zahlen. Seit April ist die Quote vom Tisch.

20400 Milchkühe stehen in den Ställen im Kreis Bautzen. Jede einzelne gibt im Durchschnitt rund 9200 Kilogramm Milch im Jahr.

In den Molkereien im Kreis Bautzen werden im Jahr rund 180 Millionen Kilogramm der hier erzeugten Milch verarbeitet. Größter Abnehmer für die Milchbauern sind die Heinrichsthaler Milchwerke in Radeberg, die mehr als 11 Millionen Kilo verarbeiten. Müller-Milch ist Abnehmer für 52 Millionen Kilo Milch aus der Region.

Quelle: LfULG

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Den 60 Milchkühen in Krauses Stall geht es gut. Nur eins haut nicht hin: Sie bekommen – wenn man das so sagen will – für ihre Arbeit seit Monaten keinen Mindestlohn mehr. Auch alle anderen der 20 000 Milchkühe im Kreis arbeiten schon seit Monaten unterm Existenzminimum. Das liegt für Milchbauern wie Mike Krause bei wenigstens 36, besser noch 37 Cent, die er von den Molkereien für einen Liter Milch bekommen müsste, um kostendeckend produzieren zu können. Als der 42-Jährige sich für die neue Melkanlage verschuldete, waren gerade gute Zeiten für die Milchbauern. Da gab es 40 Cent pro Liter. Jetzt im April wird Mike Krause nur 29,5 Cent bekommen. Das trübt die Freude über den Wegfall der Milchquote sehr. Dass die EU den Erzeugern ab sofort nicht mehr vorschreibt, wie viel Milch sie produzieren dürfen, ist auch für Krause ein Gewinn. Die letzten drei Jahre hat er immer über Quote produziert. 3 000 Euro Strafe musste er letztes Jahr bezahlen, weil sein Familienbetrieb statt der festgelegten 460 000 Kilo Milch mehr als 500 000 Kilo abgeliefert hat. Was hätte er denn tun sollen? Die überzähligen Liter lieber auf die Felder schütten, anstatt sie abzuliefern? „Eine Kuh ist doch keine Maschine, die man abstellen kann.“

Nummer 29 drängelt sich an den Melkstand – schon zum zweiten Mal heute, wie Mike Krause auf dem Computerbildschirm sehen kann. Gutes Mädchen! Krauses Milchkühe sind keine Hochleistungstiere. 28 Liter gibt jede im Durchschnitt pro Tag, Spitzenbetriebe kommen auf 40 Liter pro Tag und Kuh. Mike Krause streicht der Rotbunten über die Stirn. Seine Kühe sollen ein lebenswertes Leben haben. Dennoch ist es jetzt – ohne Quote – auch sein Ziel, mehr Milch zu produzieren. Aber selbst, wenn das jetzt jeder Landwirt vorhat: Eine Milchschwemme wird es nicht geben. Und der Milchpreis? Der ist von so vielen anderen Faktoren abhängig, sagt Krause und ist sich darin mit Gabriele Uhlemann vom Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie einig. „Der Wegfall der Quote ist für alle eine Erleichterung“, sagt sie.

Grundlage für sein Leben

Wenn da nur der Preis nicht wäre, der seit einem Jahr fällt. Mike Krause weiß nicht, wie es weitergeht, wenn es so weitergeht. Noch kann er den Verlust im Stall zum Teil mit der Feldarbeit ausgleichen. Aber was nützt ein Betriebszweig, wenn er dauerhaft Verlust einfährt? Mike Krause steht zwischen seinen Kühen und sieht nachdenklich aus. Sein Blick fällt auf den Melkroboter. Das hier ist doch die Grundlage für sein Leben und das seiner Familie.