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Kein Personal: Erste Friseursalons müssen schließen

Geschäftsinhaber im Landkreis Bautzen legen Schere und Fön zur Seite. Ist ein Traumberuf am Ende?

Von Tilo Berger
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Das Handwerkszeug einer Friseurin steckt in dieser Gürteltasche. Obwohl der Beruf bei jungen Frauen nach wie vor hoch im Kurs steht, klagen Salons über Nachwuchsmangel. Dafür gibt es natürlich Gründe.
Das Handwerkszeug einer Friseurin steckt in dieser Gürteltasche. Obwohl der Beruf bei jungen Frauen nach wie vor hoch im Kurs steht, klagen Salons über Nachwuchsmangel. Dafür gibt es natürlich Gründe. © Daniel Karmann/dpa

Bautzen. Wer sich derzeit an der Bautzener Goschwitzstraße oder in Gaußig die Haare richten lassen möchte, steht vor verschlossenen Türen. In Bautzen verkündet ein Schild hinterm Schaufenster: „Der Fachkräftemangel ist auch in diesem Geschäft angekommen.“ Die junge Chefin macht Babypause bis Mai 2020, einen Ersatz für ihr Geschäft fand sie nicht. In Gaußig sucht Ute Grocholl jemanden, der ihren Salon übernimmt. Die Gemeindeverwaltung hat sich eingeschaltet und lobt auf ihrer Facebookseite die Stammkundschaft, welche die neue Betreiberin oder der neue Betreiber des Friseurgeschäfts An der Rieglitz übernehmen könnte. Seit 1990 grifft Ute Grocholl hier zu Schere und Fön. Doch eine schwere Krankheit zwingt sie, eine Nachfolge zu suchen. „Bis jetzt hat sich ein Interessent gemeldet“, sagt sie. „Mal sehen, was draus wird.“

An der Löbauer Straße in Bautzen betreibt Heike Langfeld seit mehr als 20 Jahren ihren Friseursalon. „Gut, dass ich so ein tolles Team habe“, hält sie große Stücke auf ihre Mannschaft. Eine Truppe, in der junge Mitarbeiterinnen willkommen wären. „Doch der Fachkräftemangel betrifft nicht nur uns Friseure, sondern das ganze Handwerk“, sagt Heike Langfeld. Junge Leute entschieden sich bei ihrer Berufwahl für Branchen, in denen sie mehr verdienen können. „Was beispielsweise auf dem Bau für Lehrlingsgehälter geboten werden, da können wir nicht mithalten“, erklärt die Friseurmeisterin.

In einem der größten Salons im Landkreis Bautzen kann die einzige Friseurin wählen, vor welchem der etwa 15 Spiegel sie ihre Kunden bedienen möchte. „Wir sind seit Monaten chronisch unterbesetzt“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Erst in den vergangenen Monaten hätten hier mehrere Mitarbeiterinnen gekündigt. „Die niedrigen Löhne sind der Hauptgrund, dass Leute aufhören. Aber die Arbeit den ganzen Tag im Stehen geht auch sehr auf die Knochen.“ Viele Friseurinnen und Friseure bekämen nur den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser liegt derzeit bei 9,19 Euro pro Stunde, ab Januar 2020 bei 9,35 Euro.

Babypause bis Mai 2020 – so lange bedient niemand Kundschaft im Herrensalon an der Bautzener Goschwitzstraße.
Babypause bis Mai 2020 – so lange bedient niemand Kundschaft im Herrensalon an der Bautzener Goschwitzstraße. © SZ/Uwe Soeder

Doch so paradox es klingt: Obwohl Friseure kaum noch Nachwuchs finden, steht der Beruf vor allem bei jungen Frauen nach wie vor hoch im Kurs. In der Rangliste der von Oberlausitzerinnen favorisierten Ausbildungsberufe liegt Friseurin aktuell auf Platz fünf. Bis Oktober dieses Jahres baten 60 Bewerber, darunter 55 Frauen, die Arbeitsagentur Bautzen um Vermittlung einer Lehrstelle. Davon wurden der Agentur 33 gemeldet. Vor zehn Jahren gab es 129 Bewerberinnen für 44 Ausbildungsplätze, aber da lebten in der Region auch noch mehr junge Leute im Berufsanfängeralter. Am Ende ist der Traumberuf nicht, aber die Zahl der Lehrverträge geht zurück. Und nicht alle, die damit beginnen, halten lange durch. Das bestätigt Sabine Gotscha-Schock, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft. „Aktuell haben wir im Landkreis Bautzen 57 Friseurlehrlinge. Leider gibt es in dem Beruf häufig Lehrvertragslösungen.“ So hätten beispielsweise vor zwei Jahren 25 Lehrlinge die Ausbildung begonnen, von denen nun im dritten Lehrjahr aber nur noch 19 übrig geblieben sind, zitiert Sabine Gotscha-Schock aktuelle Zahlen der Handwerkskammer Dresden. Während oder gleich nach der Lehre oder nach einigen Jahren Berufstätigkeit würden viele Friseurinnen entweder in einen anderen Beruf wechseln oder nur noch Teilzeit arbeiten. „Oft passiert das, nachdem sich Nachwuchs eingestellt hat“, weiß Szilvia Schiffel, die Obermeisterin der Friseur-Innung im Landkreis.

„Noch eine ganz andere Herausforderung ist die Selbstständigkeit, mit der ja die Übernahme eines bestehenden Geschäfts verbunden ist“, sagt Sabine Gotscha-Schock. Es gebe nicht viele junge Leute, die sich diesem Thema stellen. „Dazu kommt die zeitliche und finanzielle Belastung eines Meisterkurses. Viele schrecken auch vor den immer neuen bürokratischen Hürden der Selbstständigkeit zurück.“

Und schon sieht die Chefin der Kreishandwerkerschaft die nächste Herausforderung: den neuen gesetzlichen Mindestlohn für Lehrlinge. Ab Januar 2020 bekommen Auszubildende mindestens 515 Euro pro Monat. „Das bedeutet für das Friseurhandwerk eine deutliche Erhöhung“, weiß Sabine Gotscha-Schock. „Einige Betriebe werden sich überlegen, überhaupt noch oder im bisherigen Umfang auszubilden.“ Da dürfte es in den nächsten Jahren noch mehr Schilder geben, die vom angekommenen Fachkräftemangel künden.

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