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Corona: Kein Sonderrecht mehr für Mieter

Das Miet-Moratorium sollte säumige Mieter in der Corona-Krise vor Wohnungskündigungen bewahren. Am 1. Juli ist es ausgelaufen.

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© Jens Kalaene/dpa (Symbolbild)

Von Cristina Marina

Frankfurt a.M./Berlin. Frauke Werau (Name geändert) hat die fristlose Kündigung erhalten. Ihr Vermieter hat der 74-jährigen Frankfurterin die Wohnung gekündigt, weil sie im Mai und Juni nicht gezahlt hat. Die Rentnerin sah sich außerstande, die Miete zu begleichen, da ihr kleines Reisebüro, das sie noch betreibt, in den beiden Monaten nicht einen Cent eingebracht hat. In der Corona-Krise hat sie einfach keinen Umsatz gemacht. Jetzt weiß die Alleinstehende nicht weiter: "Wo soll ich denn hinziehen?"

Eigentlich sollte das sogenannte Miet-Moratorium, das der Bundestag zum Schutz von Mietern im März verabschiedet hatte, säumige Mieter wie Frauke Werau vor dem Rauswurf bewahren. Denn das Gesetz verbietet Kündigungen, wenn Mieter aufgrund von coronabedingten Einkommensverlusten ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Allerdings müssen sie nach dem Gesetz "glaubhaft machen", dass die Corona-Krise die Ursache für ihre Zahlungsunfähigkeit ist - und das hat Frauke Werau versäumt.

Mieterschützer fürchten, dass sich Wohnungskündigungen in den kommenden Wochen und Monaten häufen werden. Grund: Das gesetzliche Mietmoratorium ist am 1. Juli ausgelaufen. Coronabedingte Einnahmenausfälle sind aber nach den Prognosen der einschlägigen Wirtschaftsinstitute weiter zu erwarten.

Ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) wollte das Moratorium um drei weitere Monate verlängern, die Union hat das aber verhindert. Es gehe jetzt darum, zur Normalität zurückzukehren und das Wirtschaftsleben wieder ans Laufen zu bringen, hatte der rechtspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jan-Marco Luczak, argumentiert. In der SPD hält man diese Entscheidung für einen Fehler. "Wir sind sehr enttäuscht", sagte ihr rechtspolitischer Sprecher im Bundestag, Johannes Fechner, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Zurzeit planten viele Unternehmen weitere Entlassungen oder Kurzarbeit: "Wir müssen damit rechnen, dass die Zahl der betroffenen Mieter zunimmt."

In ernsthafte Zahlungsschwierigkeiten werden nicht nur Einkommensschwache geraten, schätzt der Geschäftsführer des Mieterschutzvereines in Frankfurt am Main, Rolf Janßen. "Das Problem reicht bis weit in die Mittelschicht hinein", sagte er dem epd. Wer bisher 30 Prozent oder mehr seines Netto-Einkommens für die Miete ausgebe und jetzt nur Kurzarbeitergeld beziehe, werde Probleme bekommen, sagt Janßen. Das gelte erst recht für Menschen, die in Branchen beschäftigt sind, die nahezu auf null heruntergefahren wurden.

Nach einer im Mai veröffentlichten Studie des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen sind Haushalte, die keine Rücklagen gebildet haben, schon ab einem Einkommensverlust von 100 Euro netto pro Monat durch die Mietkosten "finanziell überlastet", ab einem Einkommensverlust von 400 Euro sogar "stark überlastet". Haushalte, die über finanzielle Rücklagen verfügen, sind der Studie zufolge ab einem Verlust von 400 Euro "überlastet".

Moratorium wurde kaum genutzt

Der Deutsche Mieterbund hatte das Kündigungsmoratorium begrüßt und sich auch für dessen Verlängerung eingesetzt. Doch der Kündigungsschutz allein reicht nach seiner Auffassung nicht aus. Denn nach dem Gesetz sind Mietzahlungen nur gestundet. Das heißt: Mieter müssen bis Juni 2022 die Mieten einschließlich Zinsen nachzahlen. Andernfalls dürfen die Vermieter ihnen kündigen.

Nach Angaben des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen wurde das Moratorium indes kaum genutzt. In einer Umfrage unter rund 3.000 Mitgliedern hätten die befragten Unternehmen für die Monate April bis Juni bei 0,6 Prozent ihrer Mietverhältnisse von Mietrückständen berichtet. Mit Anträgen auf Stundung seien Mieter in nur 0,33 Prozent aller Mietverhältnisse auf ihr Wohnungsunternehmen zugekommen.

Die Frankfurter Rentnerin Frauke Werau hat jetzt Wohngeld beantragt. Sie hofft, dass sie mit der staatlichen Hilfe doch noch die Miete bezahlen kann - und dann in ihrer Wohnung bleiben darf. (epd)