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Vier Menschen erschossen - Griff ein Soldat zur Waffe?

Nachts fallen mehrere Schüsse in zwei Gemeinden in Niedersachsen. Vier Menschen sterben. Im Fokus der Ermittler steht ein Soldat. Was könnte das Motiv gewesen sein?

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Ein Bundeswehrsoldat steht im Verdacht, vier Menschen im Landkreis Rotenburg (Wümme) erschossen haben.
Ein Bundeswehrsoldat steht im Verdacht, vier Menschen im Landkreis Rotenburg (Wümme) erschossen haben. © Kai Moorschlatt/NordwestMedia TV/dpa

Scheeßel/Bothel. Die Sonne scheint, Vögel zwitschern und die ersten Frühlingsblüher sprießen im Garten vor dem Backsteinhaus im niedersächsischen Scheeßel. Ein paar Bälle liegen auf dem Rasen, daneben stehen eine Schaukel und ein großes Trampolin. Eine Idylle - wären da nicht das Polizeiabsperrband und ein Polizeiwagen mit Blaulicht in der Hofeinfahrt. In dem Familienhaus müssen sich in der Nacht auf Freitag unfassbare Szenen abgespielt haben - ebenso wie an einem zweiten Tatort im rund neun Kilometer entfernten Bothel. Am Ende sind vier Menschen tot.

Mitten in der Nacht, etwa um halb vier am Freitagmorgen, seien seine Eltern aus dem Schlaf hochgeschreckt, erzählt ein Nachbar in Scheeßel. Mehrere Schüsse fielen. "Man denkt, wenn man so was hört, dass das total weit weg ist", sagt der 22-Jährige. "Aber dann aus dem Fenster zu gucken, wenn das so zwei Meter von einem entfernt ist - das ist natürlich ein ganz anderes Gefühl." Stunden später die traurige Gewissheit: Eine 55-jährige Frau und ein 30 Jahre alter Mann im Nachbarhaus sind tot.

Mutmaßlicher Angreifer stellte sich in der Nacht

Auch in Bothel - ebenfalls im Landkreis Rotenburg (Wümme) gelegen - fielen Schüsse. Eine 33-jährige Mutter und ihr dreijähriges Kind verloren dort ihr Leben. Ein Bundeswehrsoldat soll an den beiden Tatorten zur Waffe gegriffen haben. Weitere Angaben, beispielsweise zu den Beziehungen des Verdächtigen zu den Opfern, machte die Staatsanwaltschaft vorerst nicht. "Eine Motivlage im familiären Umfeld kann nicht ausgeschlossen werden", teilten die Ermittler lediglich mit.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich am Freitag in der Von-Düring-Kaserne in Rotenburg, wo unter anderem das Jägerbataillon 91 stationiert ist. Auf einem Besucherparkplatz vor der Kaserne untersuchen Ermittler ein schwarzes Auto auf Spuren, wie eine dpa-Reporterin beobachtete. Der Verdächtige soll am frühen Morgen mit dem Wagen dorthin gefahren sein, berichtet ein Sprecher der Polizei. Er sei ausgestiegen, auf die Wache zugegangen und habe sich gestellt. Die Polizei nahm den 32-Jährigen wenig später fest. Ein Richter erließ gegen ihn einen Haftbefehl wegen Mordes in vier Fällen, wie die Ermittler mitteilen. Der Deutsche sitze nun in Untersuchungshaft.

In der Fahrertür seines Autos steckt ein Molotowcocktail, im Kofferraum neben einem Bundeswehr-Rucksack liegt Patronenmunition. Was der Soldat wohl damit vorhatte? Das müsse erst noch herausgefunden werden, sagt ein Sprecher der Polizei. Die Ermittler prüfen auch, ob die Tatwaffe von der Bundeswehr stammt. Bei der Bundeswehr fehlt nach dpa-Informationen in dem Zusammenhang jedoch keine Waffe.

Verteidigungsministers Boris Pistorius zeigte sich bestürzt über die Tat. "Die mehrfache Tötung von unschuldigen Menschen in Scheeßel ist einfach grauenvoll", sagte der SPD-Politiker am Freitag, wie eine Sprecherin des Bundesministeriums der Verteidigung mitteilte. Vieles spreche für eine Tat im Kontext einer privaten Beziehung. "Aber das ist alles Spekulation, daran will und kann ich mich jetzt nicht beteiligen", sagte der Minister. "Mein Mitgefühl ist bei den Angehörigen der Opfer, so ein Verbrechen ist einfach furchtbar."

Auch für die Anwohner in Scheeßel ist die Ungewissheit nur schwer zu ertragen. Warum mussten die Nachbarn im Haus nebenan sterben? In den ersten Stunden hätten ihn Hunderte Nachrichten erreicht, berichtet der 22-jährige Landwirt. Er selbst könne kaum noch an was anderes denken. Was waren die Hintergründe der Tat? Was wäre passiert, wenn er oder andere Nachbarn zu dem Zeitpunkt draußen gewesen wäre? "Das sind alles Sachen, die will man sich irgendwie gar nicht ausmalen." (dpa)