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Maskenpflicht-Theater: Derbe Beleidigung am Dresdner Bahnsteig

Erst weigert sich eine Frau, im Zug einen Mund-und Nasenschutz aufzusetzen, dann im Bahnhof. Schließlich verliert sie die Beherrschung.

Von Alexander Schneider
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Gleich zweimal mussten Polizisten im Dresdner Hauptbahnhof eine renitente Reisende an ihre Maskenpflicht erinnern. Abends wurde die Frau ausfällig.
Gleich zweimal mussten Polizisten im Dresdner Hauptbahnhof eine renitente Reisende an ihre Maskenpflicht erinnern. Abends wurde die Frau ausfällig. © Symbolfoto: Rene Meinig

Dresden. Für Polizisten im Dresdner Hauptbahnhof ist es Routine, Passanten auf das Fehlen ihres Mund-Nasen-Schutzes anzusprechen. 95 Prozent setzt die Maske ohne Widerstand auf, berichtet ein Hauptmeister der Bundespolizei über seine Erfahrungen in einem Gerichtsprozess.

Vier Prozent diskutierten, würden sich aber gegenüber den Uniformierten einsichtig zeigen. „Man lernt, mit Leuten umzugehen, die das leugnen“, sagt der Beamte. Aber ein Prozent der Angesprochenen mache richtig viel Arbeit. Einsicht in die Corona-Maßnahmen sei bei denen völlig ausgeschlossen. Dazu gehörte auch die 38-jährige Angeklagte, in deren Prozess der Mann als Zeuge nun am Amtsgericht Dresden vernommen wird.

Ware im Wert von 1,99 Euro gestohlen

Die Frau muss sich wegen Beleidigung und wegen eines Ladendiebstahls verantworten. Weil sie zum ersten Verhandlungstermin am 1. Dezember 2021 nicht erschienen war, verhängte der Richter einen Sitzungshaftbefehl gegen die mehrfach vorbestrafte Angeklagte. Viereinhalb Wochen musste sie im Dresdner Gefängnis auf ihren Prozess warten.

Die Haft hat ihr offensichtlich gutgetan. Sie habe auf der Straße gelebt, sich in einer ausweglosen Lage gefühlt und nicht mehr gewusst, wie es weitergehen soll, sagt sie: „Ich bin froh, dass ich aufgegriffen wurde.“ Solche Sätze bekommen Richter selten zu hören.

Verteidiger Peter Hollstein legt für seine Mandantin ein umfassendes Geständnis ab. Die Ware im Wert von 1,99 Euro habe sie „aus der Not heraus“ eingesteckt, die Maske habe sie nicht getragen, weil sie Angst zu ersticken habe. „Ja“, es seien Beleidigungen gefallen, was sie genau gesagt habe, wisse sie nicht mehr.

Der Beamte kann sich noch gut an die Frau erinnern. Er hatte an jenem Mittwoch, 23. Juni 2021, gleich zweimal mit der 38-Jährigen zu tun. „Wir wurden gegen 22.15 Uhr von einer Zugbegleiterin wegen einer Auseinandersetzung alarmiert.“ Eine Frau sei „laut und aggressiv“ gewesen, habe sich geweigert, eine Maske zu tragen. „Wir wurden gebeten, die Dame aus dem Zug zu entfernen“, sagt der Zeuge. Er habe die Angeklagten gleich erkannt.

Déjà-vu im Zug

„Es war ein Déjà-vu. Wir hatten sie schon nachmittags am Querbahnsteig angesprochen und auch da habe sie sofort ungehalten reagiert. Sie leugnete alle Gesetze, die mit Corona zu tun haben“, so der Beamte. Erst nach Androhung von Zwangsmaßnahmen habe die Frau den Zug verlassen. Am Ausgang habe sie sich dann umgedreht und ihn mit „Du Dreckschwein“ und „Bulle“ beleidigt: „Das war mir dann zu viel.“

Eigentlich schien die Angeklagte nach der langen Haft auf einem guten Weg zu sein. Mitte 2020 bezog sie eine eigene Wohnung in Dresden. Doch ab Mitte 2021 habe sie ihre Wohnung nicht mehr betreten, nachdem sie sich mit einer langjährigen Freundin aus Radeberg überworfen hatte. „Es fällt ihr schwer, anderen zu vertrauen. Sie denkt, alle wollen ihr etwas Schlechtes“, sagt der Bewährungshelfer, der ihr zu einer Therapie rät.

Das Gericht verurteilt die Angeklagte zu einer Geldstrafe von 540 Euro. Der Richter teilt die Therapiebedürftigkeit der Angeklagten: „Der Antrieb dazu muss aber von Ihnen kommen“, sagt er.