SZ + Döbeln
Merken

Wenn Jugendstreit völlig aus dem Ruder läuft

Sieben Heranwachsende hatten in Döbeln im Jahr 2022 Zoff mit einer Bekannten. Wie der gelöst wurde, stellt keine Option dar.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Vier junge Erwachsene waren vorm Amtsgericht Döbeln angeklagt, mit drei weiteren Frauen eine weitere Person körperlich misshandelt zu haben.
Vier junge Erwachsene waren vorm Amtsgericht Döbeln angeklagt, mit drei weiteren Frauen eine weitere Person körperlich misshandelt zu haben. ©  Symbolfoto: Claudia Hübschmann

Döbeln. „Es sind Jugendliche, die geleitet werden müssen, wenn sie die Stabilität im Elternhaus verlieren“, sagte Rechtsanwalt Wolfgang Mond beim Plädoyer, das er für seine Mandantin hielt.

Diese war eine von vier Angeklagten im Amtsgericht Döbeln nach einem Streit zwischen jungen Leuten, zu dem es am 3. Februar 2022 in Döbeln gekommen war. Drei Rädelsführerinnen der Gruppe wurden bereits in einem abgekoppelten Verfahren zu Auflagen verurteilt.

Ärger beginnt in Wohnung

Was war passiert? Acht junge Menschen, damals zwischen 16 und 20 Jahren, hatten sich in Döbeln Nord getroffen, um Alkohol zu trinken und zu chillen. Die Wohnungsinhaberin provozierte mutmaßlich andere Anwesende mit Lügen, was offensichtlich zu Streitereien führte.

Diese verlagerten sich schließlich in die Innenstadt, wo es in der Albertstraße sowie dem Spielplatz an der Kunzemannstraße heftig handgreiflich wurde. So sollen Angeklagte die Geschädigte mit Faustschlägen ins Gesicht und in den Bauch angegriffen, außerdem mit Fußtritten, Schlägen mit einem Stock und Kopfstößen drangsaliert haben.

Die Geschädigte trug Gesichtsprellungen davon, zudem ging ihr Handy im Wert von 400 Euro zu Bruch. Weiterhin wurde einer Angeklagten ein Diebstahl sowie Sachbeschädigung zur Last gelegt. Diese Vergehen waren von der Verteidigung bereits eingeräumt worden.

Im Gegensatz zum ersten Prozesstag Anfang März war diesmal auch die Geschädigte erschienen. Aus der Dose Red Bull, die sie vor sich auf dem Zeugentisch platzierte, nahm die 19-Jährige ab und an einen Schluck. Zudem musste sie von Richter Simon Hahn darauf hingewiesen werden, vor der Kammer das Basecap abzunehmen.

In schnoddrigen Sätzen berichtete sie, was vor zwei Jahren passierte, offenbarte allerdings auch einige Erinnerungslücken.

Erinnerungslücken beim Opfer

Die meisten Angeklagten kannte sie aus einer Förderschule, gab die Geschädigte an, und dass die Probleme begannen, als sie in der Wohnung in Döbeln Nord wohl Unwahrheiten verbreitet und das damals ungeborene Kind einer der Angeklagten bedroht hatte.

Sie sei getreten und geschlagen worden, zudem habe man ihr Handy „zerlatscht“. Dabei beschuldigte sie auch einen der Angeklagten, der bislang durch andere Zeugenaussagen entlastet war. Entschuldigt hatte sich niemand bei ihr, auch verarbeitet hätte sie die Angelegenheit noch nicht.

  • Sie haben Hinweise, Kritik oder Lob? Dann schreiben Sie uns per E-Mail an [email protected]

Auch die dritte der bereits abgeurteilten Rädelsführerinnen war diesmal zu ihrer Zeugenaussage erschienen, wobei sie der Meinung war: „Alle müssen etwas gemacht haben.“

Sie habe das Video von der Tat aufgenommen, welches bereits am ersten Prozesstag begutachtet wurde. Warum? Das wisse sie nicht mehr. Das veranlasste Rechtsanwalt Thomas H. Fischer zu der Bemerkung: „Sind Sie krank, dass Sie so etwas vergessen?“

Problematische Kindheiten

Die Angaben der Jugendgerichtshilfe verdeutlichten, dass alle vier Angeklagten aus mehr oder weniger zerrütteten Familienverhältnissen stammen, keine Schul- oder Berufsabschlüsse haben, dafür allerdings durch die Bank weg mit dem Gesetz sowie Drogen oder Alkohol in Kontakt kamen.

Allerdings würde es bei zwei der nach Jugendstrafrecht zu verurteilenden jungen Erwachsenen mittlerweile eine etwas positivere Entwicklung geben.

Soziale Trainingskurse und Arbeitsstunden, so lautete die Forderung der Staatsanwaltschaft, je nach Fall und Schwere der Anschuldigungen.

  • Nachrichten aus der Region Döbeln von Sächsische.de gibt es auch bei Facebook und Instagram

Rechtsanwalt Thomas H. Fischer legte für seinen Mandaten ein Veto ein, da er dessen Recht auf ein faires Verfahren an ersten Prozesstag verletzt sah, da für ihn kein Verteidiger anwesend war. Außerdem hätte es unterschiedliche Aussagen gegeben.

„Was passiert ist, ist nicht schön. Man muss die strafrechtliche Verantwortlichkeit jedes Einzelnen überprüfen und nicht zum Rundumschlag ausholen“, rügte der Anwalt und beantragte Freispruch.

Zwei der Angeklagten zeigten in ihrem letzten Wort zumindest Reue und entschuldigten sich bei der Geschädigten.

Zwei Verurteilungen

Letztendlich folgte Richter Simon Hahn der Staatsanwaltschaft bei zwei der Angeklagten und verurteilte diese zu sozialen Trainingskursen sowie jeweils 40 Stunden sozialer Arbeit.

Einer der Angeklagten wurde freigesprochen und für die junge Frau, die mit einem Edding die Sparkasse Döbeln „verschönert“ hatte, endete diese Sachbeschädigung mit zehn Einzelgesprächen bei der Awo sowie Schadensersatz in Höhe von rund 800 Euro.

„Was passiert ist, war eine Riesensauerei“, fasste Richter Simon Hahn das Geschehen zusammen, Selbst wenn die Geschädigte gelogen habe, gehe es nicht, mit solch einer Gruppendynamik dagegen vorzugehen.

„Sie haben Glück, dass noch das Jugendstrafrecht zur Anwendung gekommen ist. Nach Erwachsenenstrafrecht hätte es für die gefährliche Körperverletzung mindestens sechs Monate Freiheitsentzug gegeben“, warnte der Richter die Angeklagten für die Zukunft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.