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Dresdens prägender Bühnenbildner geht in Rente

Noch ein Dutzend Premieren hat Ausstatter Stefan Wiel noch – bevor er bald als Pensionär gilt.

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Stefan Wiel mit einem Modell im Theater.
Stefan Wiel mit einem Modell im Theater. © David Reißmann

Von Jens Daniel Schubert

In dieser Spielzeit wurden die Landesbühnen Sachsen 75. Man feierte im kleinen Kreis. Das Theaterfest am 1. Mai fiel aus. Dennoch wird geprobt. Man hofft auf sinkende Zahlen. Mittendrin arbeitet Stefan Wiel. Siebzehn Jahre hat er als Ausstattungsleiter der Landesbühnen jede Premiere termingerecht realisiert. „Im achtzehnten kam fast nichts so wie geplant“, sagt er. „Derzeit haben wir faktisch zwei Endprobenphasen parallell.“ Ein neuer Tanzabend mit elf Solochoreografien muss eine übergreifende Ausstattung bekommen, dazu das Operetten-Pasticcio „Dinner for five“.

„Kiss me, Kate“ hatte eine Premierenvorstellung im Haus und muss nun ins Theaterzelt Rathen übertragen werden. Dort sollen auch „Peter Pan“, „Annie get your Gun“ sowie „Petterson und Findus“ über die Bühne gehen. „Winnetou“ soll in den Lößnitzgrund übertragen werden. Dort gibt es bislang nur eine grüne Wiese. Wunsidel will „Hänsel und Gretel“. Eine coronagerechte Hausvariante soll der großen Freilichtbühne der Louisen-Festspiele angepasst werden. Die „Jedermann“-Inszenierung für die Burgfestspiele in Meißen ist auf Abstand umzustellen, der semiszenische „Freischütz“ aus dem Theater Bad Elster für die Burghofbühne zu adaptieren.

Viel Arbeit für den Ausstatter, der im Sommer einen neuen Lebensabschnitt beginnt. „Pension mag ich nicht hören, das klingt so nach Ruhestand. Es ist eine neue Herausforderung eben!“ Eine, wie es viele gab in den vierzig Jahren als Bühnen- und Kostümbildner.„Schwer und viel“, unken Bühnenarbeiter, „das ist Wiel!“ Doch seine Bühnenbilder können auch spartanisch sein. Qualität ist keine Frage der Quantität. Typisch für Wiel ist sein dramaturgisches und szenisches Verständnis. Wohl durchdacht bringt er sich in das Inszenierungsteam ein. Klar strukturiert und meinungsstark, in der Art verbindlich, umgänglich, mit feinem Humor und manchmal einer leicht ironischen Note, so beschreiben ihn Kollegen.

Auf der Bühne überzeugt sein Erfindungsreichtum, mit dem er aus schlichten und kleinsten Bühnen frappierende, einzigartige Räume baut. Sein Blick fürs Mögliche und technisches Geschick, dies zu erweitern, seine Ideen, die nicht selbstverliebt, sondern dramaturgisch sind, und sein treffsicheres ästhetisches Gespür sind Markenzeichen. Gut 250 Inszenierungen hat er gestaltet. Er hat auch in Berlin und Bonn, Salzburg und München gearbeitet. Aber meist in Sachsen.

Arbeiten für Lindenoper bis Hoppes Hoftheater

Nach dem Studium in Berlin-Weißensee war Wiel Ausstattungsleiter in Freiberg und Bautzen. Danach arbeitete er nur zwei Jahre freischaffend, bevor wichtige Jahre am Staatsschauspiel Dresden begannen. So wie er mit seinen Bühnen Akzente setzte, prägte ihn die Zusammenarbeit mit wichtigen Regisseuren. Seine Ausstattung von Klaus Dieter Kirsts „Rocky Horror Show“ im Kuppelzelt 1993 war spektakulär.

Bereits zehn Jahre zuvor ist Stefan Wiel dem Musiktheaterregisseur Michael Heinicke begegnet. Über viele Jahre ergänzten sie sich bei fast dreißig der unterschiedlichsten Inszenierungen. Klassiker, Lustspiel, große Oper, moderne Oper, Musical.

Musiktheater, Schauspiel, Ballett. Podien großer Häuser wie Linden- und Komische Oper und ganz kleine wie Projekttheater, Theater in der Fabrik und Hoppes Hoftheater. „Ich kann überall arbeiten. Ein großes Bühnenbild schluckt mehr Material. Aber, was ich an Ideen und Einsatz investiere, ist stets vergleichbar.“Fast zehn Jahre war er Ausstattungsleiter am Theater Junge Generation – damals noch im ausgebrannten Haus ohne Bühne. „Hier habe ich gelernt, mit den spartanischsten Mitteln etwas zu bauen.“ In dieser Zeit entstanden auch eigene Regiearbeiten. 2003 wechselte er schließlich an die Landesbühnen. „Längere Zeit an einem Haus und in verantwortlicher Position: da entwickelt sich eine intensive Zusammenarbeit mit Künstlern und Gewerken.“

Die künstlerischen Direktoren, Arne Retzlaff vom Schauspiel, Horst O. Kupich vom Musiktheater und Reiner Feistel vom Ballett. waren ihm vertraute Partner. Sie gingen, als das Theater zur GmbH umgewandelt wurde. Der neue Intendant bat ihn, zu bleiben. Das Konzept der Öffnung, alternativer Spielstätten, Theaterabende mit mehreren Premieren, in denen auch Theaterhaus und Foyer mit einbezogen waren, forderten neu heraus. „Nach anfänglicher Skepsis fanden wir relativ schnell eine produktive gemeinsame Basis.“

Szenografie ist Schnittpunkt zwischen Bildender und Darstellender Kunst. Kostüme charakterisieren, befördern das Spiel und sind dem Darsteller angepasst. Beides bildet eine geschlossene, ästhetische Einheit. Das sind die Spannungspole, in denen ein Ausstatter arbeitet. Wiel schöpft aus ihnen Energie. So wird Theater auch weiter zu seinem Leben gehören. Pläne hat er reichlich.

Sobald die Landesbühnen Sachsen ihr Haus in Radebeul wieder öffnen dürfen, wird dort eine Ausstellung Arbeiten von Stefan Wiel präsentieren.