SZ + Feuilleton
Merken

"Kunst für Sachsen": Ein Meisterwerk des Klassizismus

In der Serie "Kunst für Sachsen" stellen wir bedeutende Erwerbungen der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD) vor. Heute: Ein Leuchter in Eiform.

 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat sein Domizil im   Pillnitzer Schloss. Hier ein Blick auf das Bergpalais.
Das Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat sein Domizil im Pillnitzer Schloss. Hier ein Blick auf das Bergpalais. © SBG

Von Thomas A. Geisler, Barbara Bechter und Christiane Ernek-van der Goes

Es ist ein ganz besonderer Glücksfall, wenn für ein Objekt der angewandten Kunst aus dem frühen 19. Jahrhundert der Hersteller dokumentiert ist. Wenn zudem einer Beschreibung noch eine farbige Zeichnung zuzuordnen ist, dann ist das wirklich einzigartig. Dieser Umstand zeigte sich im Frühjahr 2020, als dem Kunstgewerbemuseum der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ein Leuchter von außergewöhnlicher Gestaltung aus der Zeit des Klassizismus, also zwischen 1770 und 1840, angeboten wurde: Der Korpus baut sich aus sechs gebogenen und in Akanthusblattvoluten auslaufenden Messingstreben auf. Diese sind an zwei Messingringen montiert, wodurch sich eine Eiform ergibt. Eine Form, so besonders, dass es kaum Vergleichsbeispiele gibt.

Chursächsische Spiegelfabrik mit erlesenem Kundenkreis

In dem von 1786 bis 1827 in Weimar publizierten „Journal des Luxus und der Moden“ findet sich in der Märzausgabe 1800 eine kolorierte Zeichnung, die den Leuchter als ein Produkt der Chursächsischen Spiegelfabrik in Dresden charakterisiert – eine Manufaktur, die fast völlig in Vergessenheit geraten war. Erst die Forschungen zum Berliner Pendant „Werner & Mieth“ förderte sie wieder zu Tage. Erste Recherchen zeigen, dass die Manufaktur einen erlesenen Kundenkreis in ganz Europa belieferte, was ein weiteres Indiz für die hohe Qualität der Chursächsischen Spiegelfabrik ist.

Das Kaufangebot kam gleichzeitig mit der Neukonzeption der Dauerausstellung in den restaurierten Kaiserzimmern im Westflügel des Bergpalais des Pillnitzer Schlosses – selbst ein Meisterwerk des Frühklassizismus. Dabei wurde deutlich, dass Sachsen für die Entwicklung des Klassizismus in Deutschland eine große Rolle gespielt hat, jedoch dafür kaum Objekte im Bestand vorhanden sind. Der Leuchter war deshalb in vielerlei Hinsicht eine einmalige Gelegenheit als Sammlungsergänzung und zudem sofort in einer Dauerpräsentation sichtbar.

Ein seltenes Objekt und Highlight in den Kaiserzimmern des Bergpalais von Schloss Pillnitz ist dieser Lüster aus der Chursächsischen Spiegelfabrik Dresden.
Ein seltenes Objekt und Highlight in den Kaiserzimmern des Bergpalais von Schloss Pillnitz ist dieser Lüster aus der Chursächsischen Spiegelfabrik Dresden. © SKD

Anders als beispielsweise Gemälde, die durch einen überlieferten Künstlernamen, einen Titel oder ein Sujet eine Zuordnung ermöglichen, werden Leuchter in Publikationen und Archivalien meist nur grob beschrieben: Eine genaue Identifikation und eine Rückverfolgung ist selten möglich. Außerdem war nicht auszuschließen, dass mehrere Versionen dieses Leuchters existieren. Zudem war er durch mehrere Stationen im Kunsthandel gegangen.

Herkunft wird genau geprüft

Selbstverständlich wird vor allen Ankäufen und Schenkungen die Wahrscheinlichkeit von unrechtmäßigen Besitzverhältnissen mit größter Sorgfalt geprüft und verantwortungsvoll abgewogen. Um auszuschließen, dass es sich um Raubkunst oder ein gestohlenes Werk handelt, wurden weitreichende Recherchen zur Provenienz unternommen. Unter anderem erfolgte eine Prüfung der Datenbank Lost Art, dieser weltweit zugänglichen Datenbank der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg, die speziell Angaben zu Kulturgütern auflistet, die infolge des Nationalsozialismus beziehungsweise des Zweiten Weltkrieges verbracht, verlagert oder insbesondere jüdischen Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden. Darüber hinaus wurde eine Anfrage an das Art Loss Register in London gestellt, der weltweit größten Datenbank für als verloren geltende, während der Kriege geraubte oder als gestohlen gemeldete Kunstwerke. Unsere Anfrage wurde mit einer Unbedenklichkeitsbescheinigung bestätigt. Damit wurde die derzeit bestmögliche Prüfung unrechtmäßig gehandelter Kunstwerke durchgeführt. Forschungsprozesse sind nie abgeschlossen, weshalb Werke mit zum Teil unbekannter Vergangenheit gerade in öffentlichen Museen bestens aufgehoben sind.

Blick in eines der Kaiserzimmre mit dem Leuchter in Eiform im Pillnitzer Bergpalais
Blick in eines der Kaiserzimmre mit dem Leuchter in Eiform im Pillnitzer Bergpalais © SKD

Das Kunstgewerbemuseum entwickelt seine Sammlung durch Erwerbungen weiter. Dies bedeutet, mit den Entwicklungen in der zeitgenössischen Gestaltung und dem aktuellen Design-Diskurs ebenso Schritt zu halten, wie es gilt, Lücken in den Sammlungsbereichen früherer Epochen zu erforschen und zu schließen. In diesem Fall gelang die Sicherung dieses Meisterstückes des Klassizismus nur durch eine gemeinsame finanzielle Anstrengung und das Zusammenspiel mehrerer Partner, namentlich der Ernst von Siemens Kunststiftung, der Rudolf-August-Oetker-Stiftung, der Hermann Reemtsma Stiftung, dem St. Heinrichs Orden e. V. und dem Freundeskreis Kunstgewerbemuseum Dresden e. V. Für alle war eine gründliche Provenienzrecherche Bedingung. Die breite Basis ermöglichte den Ankauf zu sehr guten Konditionen und ohne Risiko für den Haushalt der SKD.

Thomas Geisler ist Direktor des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in Pillnitz. Das Foto zeigt Ihn am Wasserpalais, in dem sich auch sein Büro befindet.
Thomas Geisler ist Direktor des Kunstgewerbemuseums der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden in Pillnitz. Das Foto zeigt Ihn am Wasserpalais, in dem sich auch sein Büro befindet. © Ronald Bonß

Seit dem Sommer 2022 ist der Leuchter eines der Highlight-Objekte in der neuen Präsentation „Gestaltung um 1800“ in den Kaiserzimmern und veranschaulicht beispielgebend die herausragenden Leistungen des sächsischen Manufakturwesens dieser Zeit.

Thomas Geisler ist Direktor des Kunstgewerbemuseums, Christiane Ernek-van der Goes wissenschaftliche Mitarbeiterin und Barbara Bechter Provenienzforscherin.