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Großartige Raritäten von der Elbland Philharmonie

Mit dem „Waldgesang“ boten die Musiker schon die zweite Uraufführung der Saison.

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Céline Moinet, Solooboistin der Staatskapelle, brillierte jetzt bei der Elbland Philharmonie.
Céline Moinet, Solooboistin der Staatskapelle, brillierte jetzt bei der Elbland Philharmonie. © François Sechet 2011

Von Karsten Blüthgen

In der antiken Sage des Orpheus wird der Sänger und Dichter ermordet. Nach einer dänischen Lesart, die der Dresdner Johann Gottlieb Naumann in den 1780er-Jahren zur Oper veredelte, finden sich Orpheus und Eurydike am Ende glücklich vereint. Erwartete Tragik und überraschende Wendung waren in der Ouvertüre zum Greifen, mit der die Elbland Philharmonie am Donnerstag in Pirna ihr erstes Philharmonisches Konzert schwungvoll-markant eröffnete. Unter Chefdirigent Ekkehard Klemm war dieser Naumann als dramatischer Geniestreich zu erleben.

Die zweite Rarität des Abends: das Konzert für Oboe und kleines Orchester, das der betagte Richard Strauss Ende des Zweiten Weltkriegs komponierte. Es steht im Schatten seiner sinfonischen Dichtungen. Céline Moinet nahm sich des unablässigen Plaudertons, der das Werk etwas aus der Zeit fallen lässt, mit großem Atem und Hingabe an. Technische Hürden, reichlich enthalten, waren als solche nicht wahrzunehmen. Das Lyrische kam berührend zur Geltung.

Ihr Gespür für feine Interaktionen bewies die Solooboistin der Sächsischen Staatskapelle Dresden ebenso bei der Uraufführung des „Waldgesangs“. Caspar René Hirschfeld komponierte dieses Konzert für Oboe, Streicher und Schlagwerk 2012. Der gleichlautende Titel eines Gedichts von Korvin Reich gab dem 1965 in Wernigerode geborenen Komponisten den Impuls, darauf zu reagieren. „Waldgesang“ habe bei Hirschfeld „unmittelbar rhythmische und klangliche Assoziationen erweckt, die auch sofort an die vorliegende Besetzung geknüpft waren.“ Klemm vertiefte sich mit typischer Neugier und Gründlichkeit in die Partitur, stellte Moinets Gesang und hölzerne Perkussion sensibel über die kompakten Streicher. Geheimnisvolle Dialoge entsponnen sich. Es war ein Flirren und Geistern. Archaische Wucht fand sich neben zarten Regungen, das Reine traf auf Verfremdung. Doch – so lässt sich Wald denken!

Der Bogen dieses Abends landete, wo er einsetzte: im späten 18. Jahrhundert – und nun bei einem Klassiker. Klemm entfaltete die langsame Einleitung von Mozarts D-Dur-Sinfonie KV 504 unerhört expressiv. Ein gewichtiger Beginn, doch wohlproportioniert für das vielschichtige Werk ohne Menuett. Opernnähe wird der „Prager“ nachgesagt – zu Recht. Äußerst differenziert behandelt Mozart die Holzbläser, als gelte es auch hier, Situationen und Charaktere zu zeichnen. Der huschende Einsatz des Finales erinnerte in Pirna stark an die „Figaro“-Ouvertüre, mehr noch an das Duettino „Aprite presto aprite“ im zweiten Akt der Oper, wenn sich der in eine Intrige verwickelte Cherubino entschließt, sicherheitshalber aus dem Fenster zu springen. Rhythmisches Klappern und einen Deut zu tiefe Hörner trübten den Mozart-Klang etwas, den die Philharmoniker sorgsam aufgefächert in die Marienkirche entsandten. Herzlicher Beifall.

  • Nochmals am 3.10., Landesbühnen Radebeul und am 9.10., Stadthalle „stern“ Riesa