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In der Oper Chemnitz ist die Fee ganz in Gold

Selten ist die Filmoper „Die drei Wünsche“ von Bohuslav Martinu zu erleben. Die Inszenierung treibt es bunt.

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Der Counter Etienne Walch gibt die Fee Null, die sich fangen lässt, um Wünsche zu erfüllen.
Der Counter Etienne Walch gibt die Fee Null, die sich fangen lässt, um Wünsche zu erfüllen. © Nasser Hashemi

Von Jens Daniel Schubert

Es gibt noch Orte, wo Wünsche in Erfüllung gehen. Vielleicht hat Bohuslav Martinu deswegen seine Oper „Die drei Wünsche oder die Launen des Lebens“ als Filmoper angelegt. So verschachtelt er die drei Wünsche seiner Protagonisten mit den Fragen von Illusion und Wirklichkeit und wirbelt die Ebenen der Handlungen und Beziehungen durcheinander. Chemnitz hat das selten gespielte Werk, uraufgeführt 1971, des aus Böhmen stammenden Komponisten auf die Opernbühne geholt. Zur Premiere am Sonnabend gab es langen Applaus, auch wenn hier so mancher Wunsch offengeblieben ist.

Story vom Fischer und seiner Frau

Am Ende ist es die alte Geschichte vom Fischer und seiner Frau. Arthur und Nina, auf der Bühne Ehepaar Juste, sind aneinander gewöhnt bis zur Langeweile, aber für Veränderung zu träge. Da kommt die Fee ins Spiel. Angeblich hat er sie auf der Jagd gefangen. Gezeigt wird eher, dass sie sich absichtsvoll in seine Fänge begibt. Nun muss, oder will sie für ihre Freiheit drei Wünsche erfüllen. Geld, Jugend, Liebe – wer wünschte sich das nicht. Die Wünsche gehen in Erfüllung. Aber die Sehnsucht nach Glück bleibt.

Martinus Dreh mit dem Film überträgt die Chemnitzer Regisseurin Rahel Thiel aufs Theater. Die Geschichte des Films/Theaters mischt sich mit der Realität. Arthur ist zerrissen. Auch dem Zuschauer fällt es schwer, die Ebenen zu trennen. Im Theater verschwimmen die Grenzen. Die Fee, vom Counter Etienne Walch als kunstvolles Wesen zwischen Mann und Frau gegeben, kommt auf einem Schminktisch gefahren. Sie ist gefesselt von einer Lichterkette, begleitet von einem Quartett ausgefallener Kunstfiguren, singend wie die Comedian Harmonists. Sie ist vielleicht einfach der Spiegel, in dem sich die Hauptfigur sieht. Dazu kommt noch ein ganzer Katalog bedeutungsschwerer Symbole auf die Bühne. Zuschauertraversen und Lichterwände, ein altes Grammofon, Lichterkette und Filmeinspiel, Theatermasken und skurrile, surrealistisch kostümierte Figuren. Sie bieten ein breites Spektrum von Assoziations- und Interpretationsmöglichkeiten, bleiben aber unkonkret. Die Hauptfiguren leben ihre Geschichte, die fiktionale und die reale, in den drei Wünschen aus.

Wenn Wünsche nicht so gemeint sind

In einer üppig goldenen Ausstattung erfüllt sich der Wunsch nach Reichtum. Da entstehen glanzvolle Bilder. Dass hier innere Leere und Seelenlosigkeit herrschen, verkündet ein trauriges Lied.

Im zweiten Wunsch nach Jugend bekommt die Ehefrau Nina ihre Anziehungskraft wieder. Mareike Schröter gibt die Ehefrau vor und nach der Verjüngung als zupackende, liebeshungrige Frau. Nina nutzt die zurückgewonnene Attraktivität, um sich endgültig Serge zuzuwenden. Daniel Pataky gibt ihn als Objekt der Begierde gleich mehrerer attraktiver Frauen mit kaum erkennbaren Eigeninteressen. Arthur hat zwei Wünsche verspielt, die ihn seiner Sehnsucht nach Glück nicht näherbringen. Im dritten formuliert er „geliebt zu werden“. Auch der geht in Erfüllung. Allerdings: Eine hässliche arme Alte verwandelt sich vor aller Augen in eine junge attraktive selbstbewusste Frau. Marlene Bieber bleibt mit ihrem eindringlichen Bittgesang nachhaltig im Gedächtnis. Sie liebt Arthur mit all ihrem tatkräftigen Egoismus. Doch so war Arthurs Wunsch nicht gemeint. Er wollte Nina, die ihn mit Serge bloßstellt.

Nach dem Schluss kommt der Film. In einer langen Sequenz irrt Thomas Essl als Darsteller und Hauptfigur durch die Hinterbühnenräume des Theaters. Von den Fratzen der Mitspieler verlacht, findet er keinen Ausweg.

Unglaublich reiche Musik

Hier kann die Robert-Schumann-Philharmonie unter Jacob Brenner noch einmal all die unterschiedlichen Facetten der Musik, vom großen Opernpathos bis zum schlichten Lied, von Jazz bis zum stimmungsvollen Filmsound, entfalten. Trotz des thematisch-stilistischen Reichtums der Musik zieht sich die Szene in die Länge. Als sie vorbei ist, holt die Fee nochmals zu einer Quintessenz der Geschichte aus.

Es sind nicht „Die Launen des Lebens“, die dem Glück entgegenstehen. Selbst wenn eine gute Fee drei Wünsche erfüllt, bedeutet das nicht die Wendung zum Guten. Vielleicht sind die Wünsche falsch. Oder die Erwartung an das Leben. Oder geht es um etwas ganz anderes?

Chemnitz löst mit einer musikalisch spannenden, in vielen Bildern eindrücklichen und gedanklich anregenden Inszenierung manche Wünsche ein. Aber es bleiben viele Fragen offen.

Termine: 24. 11., 2., 15. und 22. 12. sowie weitere Aufführungen 2024; Kartentel. 0371 6969666