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Mark Forster ist verliebt in eine Liebesgeschichte

Der Sänger spricht über die Zukunft der Popmusik im Zeitalter von Streaming, Fans aus Russland, die Zeit nach dem Happy End und sein neues Album.

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„Für mich war und ist Corona ein zweischneidiges Schwert.“ Mark Forster sorgt sich um die Musikwelt.
„Für mich war und ist Corona ein zweischneidiges Schwert.“ Mark Forster sorgt sich um die Musikwelt. © Foto: Henning Kaiser

Viele kennen Mark Forster vor allem als quietschgutgelauntes Mitglied der Jurys von „The Voice“ und „The Voice Kids“. Im Hauptberuf ist der Mann aus dem pfälzischen Winnweiler Popmusiker, mit Hits wie „Au revoir“, „Chöre“ und zuletzt „Übermorgen“. Jetzt veröffentlicht der 38-Jährige, der laut Medienberichten mit Lena Meyer-Landrut zusammen ist und mit ihr vor nicht allzu langer Zeit Nachwuchs bekommen haben soll, sein fünftes Album „Musketiere“, auf dem er in mal poppig-knalligen, mal zarten Farben die Geschichte einer erblühenden Liebe erzählt.

Vier Singles wurden aus dem „Musketiere“-Album bereits vorab veröffentlicht, darunter „Übermorgen“, das schon im Mai 2020 rauskam. Wieso diese Häppchenstrategie?

Das ist die neue Welt. Früher brachte man ein Album raus und koppelte anschließend Singles daraus aus. Heute ist es umgekehrt. Jetzt kommen erst die einzelnen Songs, und das Album fasst dann alles nochmal zusammen. In der Streaming-Welt, in der wir jetzt leben, wird so einiges auf den Kopf gestellt.

Kürzlich lief im ZDF eine Reportage, in der sich Peter Maffay und Balbina darüber beklagten, wie unfair das ganze Streaming-System sei. Einige wenige würden die ganzen Einnahmen abschöpfen, der Großteil der Künstlerinnen und Künstler müsse sich mit ein paar Krümeln zufriedengeben. Wie blicken Sie auf diese Diskussion?

Da gibt es mehrere Facetten. Es ist tatsächlich so, dass das Konzept „Album“ ein bisschen zur Disposition steht und gefährdet ist. Viele hören Playlisten, die oft im Prinzip kostenlos sind, und entscheiden sich dabei eher für eine Stimmung oder einen Vibe statt für einen Künstler oder eine Künstlerin mitsamt ihrer oder seiner Geschichte. Das finde ich schade, weil ich es gernhabe, mich auf jemanden einzulassen und auch eine Entwicklung über mehrere Alben mitgehen möchte. Aber diese Art des Musikhörens wird den Leuten gerade aberzogen. Ich will auch nicht schnell, schnell alle paar Wochen einen neuen Song raushauen. Darunter würde die Qualität leiden.

Und das Finanzielle?

Ist sehr unfair. Wenn jemand 100 Millionen Streams hat, bedeutet das ja nicht, dass 100 Millionen Menschen diese Musik gut finden. Sondern, dass er 100 Millionen Mal gehört wurde. Sagen wir, meine Mutter hat sich früher ein Album von Whitney Houston gekauft und es zehn Mal gehört. Und ich habe mir ein Album von Freundeskreis gekauft und es viertausend Mal gehört. Beide haben wir 20 Mark bezahlt, von denen die Künstler einen Anteil bekamen. Beim aktuellen Streaming-Modell hätte Freundeskreis vierhundert Mal mehr verdient als Whitney. Das Problem ist, dass die Plattenindustrie, die gut am Streaming verdient, gerade keinen richtigen Grund hat, das Prinzip zusammen mit den Spotifys dieser Welt zu reformieren. Die im Internet eher leisen Kolleginnen wie Balbina oder Peter Maffay haben das Nachsehen, während die eher Lauten gut verdienen.

Wo stehen Sie denn zwischen diesen beiden Gruppen?

Ich habe eine ganz gute Position. Durch meine Arbeit im Fernsehen, besonders bei „The Voice“, habe ich teilweise ein Publikum, das sich nicht nur meine Musik, sondern auch für meine Person als solche interessiert. Ich selbst mag das klassische TV und Radio noch immer sehr, weil ich es gut finde, wenn sich jemand ein Programm für mich ausdenkt. Mein größter Social-Media-Kanal wiederum ist TikTok.

Sieht man sich etwa bei Youtube die Kommentare unter Ihren Songs an, ist man überrascht, wie viele der Hörer aus Ländern wie Brasilien, Russland oder den USA kommen.

Das bin ich ehrlicherweise gewohnt. Ich glaube, das liegt nur in zweiter Linie an der Musik und in erster an meiner TV-Präsenz. Ich bin ja schon sehr lange im „The Voice“-Kosmos unterwegs, die aktuelle Staffel ist formatübergreifend meine Elfte. Da es „The Voice“ praktisch in jedem Land gibt, verfolgen auch weltweit Leute die Staffeln aus Deutschland – und finden mich irgendwie lustig. Dann gucken sie, was denn dieser Typ für Musik macht, und einige finden das dann eben gut. Ich bekomme sogar oft Nachrichten von Leuten, die mithilfe meiner Songs Deutsch lernen.

Tatsächlich knausern Sie , gerade auch auf „Musketiere“, nicht mit einem üppigen Textanteil.

Das ist wahr. Ich liebe das Zusammenspiel zwischen einem sehr klaren Refrain, das ist die alte Beatles-Schule. Und einer Geschichte in den Strophen, wo es erzählerisch zugeht, was eher typisch ist für Hip-Hop.„Musketiere“ ist in der Tat ein Album im klassischen Sinne.

Sie erzählen die Geschichte eines Jungen und eines Mädchens, die sich näher kennenlernen, sich verlieben, zusammenkommen und am Ende zu dritt sind. Kann man von einem Konzeptalbum sprechen?

Das Wort „Konzeptalbum“ würde ich nicht in den Mund nehmen, weil es so unsexy ist. Wie auf allen meinen Alben habe ich auch auf „Musketiere“ darüber geschrieben, was bei mir gerade so los ist und was mich beschäftigt. Die letzten Platten „Tape“ und „Liebe“ waren eher wie Poesiealben, bei „Musketiere“ ist die Geschichte chronologisch erzählt und konkreter. Mein Leben hat sich so ein bisschen zugespitzt, und ich merkte beim Schreiben der Platte, dass ich dieses Mal echt eine Geschichte erzählen kann.

Möchten Sie diese Geschichte in Worte fassen?

Hier stecke ich in einem Dilemma. Ich habe schon vor Jahren für mich entschieden, dass ich über mein Leben nur singe, aber nicht spreche. Würde ich jetzt darüber reden, hätte ich das Gefühl, ich könnte nicht mehr darüber singen. Für mich ist das Album jedenfalls wie ein kleiner Film.

Hätten Sie vor ein paar Jahren gedacht, dass Ihr Leben solch ein Drehbuch bereithält?

Nein, das habe ich nicht gedacht. Wenn man es sich genauer anschaut, ist mein Leben einigermaßen normal. Verändert hat sich die Art, wie ich über mein Leben schreibe. Ich denke, dass ich mit der Zeit besser darin geworden bin, Lieder zu machen, die man sich anhören und verstehen kann und die zudem meinem Gefühl von Coolness gerecht werden. Ich möchte sagen, ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich weiß, was ich tue. Und vielleicht ist „Musketiere“ auch deshalb so stringent.

Ein Song übers Ankommen ist „Die Gute Seite“, oder?

Ja, aber es ist komplizierter (lacht). „Die Gute Seite“ dreht sich um die Erkenntnis, dass das Leben auch dann weitergeht, wenn man das Gefühl hat, man ist an dem Punkt angelangt, an dem man sein wollte. Aber das Leben ist kein Film. Ich interessiere mich für die Frage, was nach dem Happy End passiert. Was machen Meg Ryan und Tom Hanks in „Schlaflos in Seattle“, nachdem sie sich auf dem Empire State Building geküsst haben? Wahrscheinlich fahren sie nach Hause und putzen sich die Zähne.

Wie haben Sie die Zeit der Corona-Pandemie erlebt?

Für mich war und ist Corona ein zweischneidiges Schwert. Auf einmal gab es einen ganz großen Teil meines Lebens nicht mehr, nämlich Konzerte zu spielen. Und in der Musikwelt ist die Pandemie alles andere als vorbei. Ich mache mir Sorgen um einen großen Teil meiner Kollegen und teilweise langjährigen Weggefährten.

Viele halten sich mit Strandkorbkonzerten und Ähnlichem über Wasser.

Ich hatte schon vergangenes Jahr entschieden, dass Konzerte vor Strandkörben oder Autos für mich nicht der richtige Weg sind. Das ist eher eine Überbrückungsmaßnahme und keine neue Perspektive. Ich warte auf den Moment, wieder richtige Konzerte spielen zu können. Ich bin jedenfalls bereit, meine Band ist es auch. Wenn wir dürfen, gehen wir im November wieder auf die Bühne.

Sie sagten „zweischneidiges Schwert“. Das heißt, den Entschleunigungs-Aspekt haben Sie auch genossen?

Wenn man eine Pause kriegt, ohne Angst zu haben, etwas zu verpassen, dann hat das natürlich auch sein Gutes. Aber ich brauche jetzt keine zwei Jahre Freizeit. Ich habe lieber Songs geschrieben und eine Platte gemacht. Und insgesamt ist mir ein Leben ohne Pandemie sehr viel lieber als mit.

Das Gespräch führte Steffen Rüth.