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Meinungsfreiheit: Darf man noch alles sagen?

Meinungsfreiheit war einen Abend lang das Thema im Dresdner Kulturpalast. Es diskutierten ein Literat, eine ZDF-Journalistin und ein ehemaliger Bundesminister.

Von Niels Heudtlaß
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Besonders während der Corona-Proteste in Sachsen und anderswo wurde die Meinungsfreiheit immer wieder in Frage gestellt.
Besonders während der Corona-Proteste in Sachsen und anderswo wurde die Meinungsfreiheit immer wieder in Frage gestellt. © Daniel Förster

Cancel Culture, Nazikeule, Meinungsdiktatur: In den Kommentarspalten der sozialen Netzwerke sind diese Begriffe häufig zu lesen. Anscheinend immer mehr Menschen in Deutschland denken, dass sie ihre Meinung nicht mehr frei sagen könnten. Doch woher kommt dieser Eindruck?

Unter anderem darüber haben am Freitagabend im Dresdner Kulturpalast ZDF-Journalistin Dunja Hayali, der ehemalige deutsche Innen- und Verteidigungsminister Thomas de Maizière und Buchautor Uwe Wittenstock diskutiert. Die Veranstaltung der Dresdner Philharmonie und der städtischen Bibliotheken nahm die Bücherverbrennung der Nationalsozialisten im Mai 1933 als Ausgangspunkt der Frage: Ist das längst Vergangenheit?

Meinungsfreiheit in Deutschland nicht bedroht

Zuerst einmal sei es wichtig, auf die Frage, ob die Meinungsfreiheit in Deutschland heute bedroht sei, mit einem „eindeutigen Nein“ zu antworten, betont Thomas de Maizière gleich zu Beginn. Es gebe in Deutschland Informationsfreiheit, keine staatliche Zensur, und fast jede Meinung könne geäußert werden. Auch Hayali sieht die Meinungsfreiheit in Deutschland nicht gefährdet – zumindest nicht von oben. „Die Gefahr der nationalistischen und rassistischen Meinungsverengung komme heute aus der Bevölkerung“, so die Journalistin. Dabei sei der Punkt eines „Wehret den Anfängen“ bereits überschritten.

Warum haben Menschen das Gefühl nicht alles sagen zu dürfen?

Umfragen zeigten, dass der Satz „Man darf heute nicht mehr alles sagen“ vor allem im Osten trotzdem auf große Zustimmung stoße, sagt Thomas de Maizière. Hier höre er auch oft die Sorge, „in die rechte Ecke“ gestellt zu werden. „Weil es im Osten faktisch weit mehr harten gewalttätigen Rechtsextremismus gibt, ist das natürlich immer ein Thema“, so de Maizière. Gleichzeitig gebe es aber auch eine große Abneigung gegen „belehrende Demokratieerziehung aus dem Westen“. Zuletzt sei das aber auch eine Art von Selbstmitleid, von selbst gewählter Opferrolle.

Bankenkrise, Corona, Ukraine-Krieg: Das letzte Jahrzehnt sei eine Zeit der Unsicherheit gewesen, so Hayali. „Menschen haben den Eindruck: Niemand erklärt uns, wo es hingeht in Deutschland. Ich wünsche mir bessere Politik und Kommunikation, die die Menschen mitnimmt.“ Das rege den ehemaligen Politiker de Maizière auf. Er könne das Wort „mitnehmen“ nicht mehr hören, sagte de Maizière. Gerade Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) habe auch während Corona mehr als genug Gespräche geführt. „Demokratie ist kein Bus. Meine Vorstellung von Demokratie ist nicht mitnehmen, sondern mitmachen.“