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Vorwürfe gegen Roger Waters: München toleriert Konzert, Frankfurt nicht

Roger Waters ist in der Israel-Boykott-Bewegung aktiv. Für seine geplante Deutschlandtournee gab es Proteste. München wollte das Konzert boykottieren - macht nun aber einen Rückzieher.

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Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters steht in der Kritik wegen antisemitischen und verschwörungsideologischen Äußerungen.
Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters steht in der Kritik wegen antisemitischen und verschwörungsideologischen Äußerungen. © Europa Press

Muss eine Stadt einen Musiker in ihrer Halle auftreten lassen, der vielen als Antisemit gilt und bei Konzerten schon mal einen Schweine-Ballon mit Davidstern aufsteigen lässt? Vermutlich ja: Die rechtlichen Möglichkeiten, Auftritte unliebsamer Künstler abzusagen, sind gering, wie die Debatte um Auftritte von Roger Waters deutlich macht.

Der 79-Jährige will im Mai in Hamburg, Köln, Berlin, München und Frankfurt am Main auftreten. In allen fünf Städten gab es Proteste und Forderungen nach Verboten.

Die Stadt München wollte das Konzert des Pink-Floyd-Mitbegründers am 21. Mai in ihrer Olympiahalle verhindern - macht jetzt aber einen Rückzieher.

Es sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich, den Vertrag mit dem Konzertveranstalter außerordentlich zu kündigen, heißt es in dem Beschluss, den der Stadtrat am Mittwoch gefasst hat. Stattdessen werde die Stadt rund um das Konzert Zeichen für Völkerverständigung, internationale Solidarität und gegen Antisemitismus setzen, ebenso für das Existenzrecht Israels und die Souveränität der Ukraine.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) will zudem mit der bayerischen Staatsregierung nach Möglichkeiten suchen, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit Kommunen in ähnlich gelagerten Fällen Auftritte verbieten können. Es sei unsäglich und unerträglich, das Konzert eines Künstlers zu gestatten, bei dem mit relativer Sicherheit israelkritische Propaganda, zum Teil auch deutlich antisemitische Parolen gedroschen würden, sagte Reiter. "Ich will ihn hier nicht haben und wir müssen es jetzt ertragen."

Frankfurt hält an Kündigung fest

Während München den Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters nun doch auftreten lässt, geht Frankfurt weiter auf Konfrontationskurs. Wie die Messegesellschaft am Freitag bestätigte, wurde das Kündigungsschreiben dem Tourneeveranstalter inzwischen zugestellt. Der Magistrat der Stadt und das Land Hessen hatten die Messe, die die Festhalle vermietet, angewiesen, den Vertrag mit dem Konzertveranstalter zu kündigen. Weil die Gesellschafter der Messe das Kündigungsschreiben erst freigeben mussten, verzögerte sich dieser Schritt zunächst.

Vom Veranstalter der Tournee, FKP Scorpio Konzertproduktionen in Hamburg, hieß es lediglich, man habe die Entscheidung zur Kenntnis genommen. Am Freitag waren Tickets für das Konzert am 28. Mai in der Frankfurter Festhalle weiter buchbar.

Meinungsfreiheit ist hohes Gut

Waters wird unter anderem kritisiert für seine Nähe zur BDS-Kampagne (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen), die zum Boykott des Staates Israel und seiner Güter wegen der Palästina-Politik aufruft. Bei Konzerten ließ er Ballons in Schweineform mit einem Davidstern aufsteigen. Auch Äußerungen zum Krieg in der Ukraine sorgten für Aufsehen - etwa, dass Russlands Präsident Wladimir Putin damit den Faschismus in dem Land bekämpfen wolle und dass die USA ein Hauptaggressor sei.

Juristen betonen die hohe Stellung der Meinungsfreiheit und verweisen auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Das verpflichtete die Stadt München, einer Veranstaltung zur BDS-Bewegung einen Saal zur Verfügung zu stellen. Eine Verweigerung des kommunalen öffentlichen Tagungsortes sei rechtswidrig, weil sie das Grundrecht der Meinungsfreiheit verletze, hieß es im Urteil. Eine Grenze werde erst dann überschritten, wenn Meinungsäußerungen die geistige Sphäre einer Diskussion verließen und erkennbar in Gefährdungslagen umschlügen.

Zu diesem Schluss kommt auch der Gießener Rechtswissenschaftler Maximilian Roth. „Das eine ist das Leben der Künstler, das andere ein Konzert, beides hat juristisch zunächst einmal nichts miteinander zu tun. Erst wenn die Äußerungen, Haltungen und Symbole Teil der Kunst werden, kann das ein Einschreiten der Behörden legitimieren“, sagte er unlängst.

Waters kündigte juristische Schritte an

Waters hatte juristische Schritte gegen mögliche Verbote etwa auch im Fall eines Konzertes in Frankfurt am Main angekündigt und sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Zudem sei er nicht antisemitisch, teilte er über sein Management mit. Seine Ansichten bezögen sich nur auf die Politik und die Handlungen der Regierung Israels und nicht auf die Menschen. Antisemitismus und alle Formen von Rassismus verurteile er.

Kritisch äußerte sich auch der Botschafter Israels in Deutschland, Ron Prosor, der in einem Tweet auf eine Zeile aus dem berühmten Pink-Floyd-Song "Another Brick in the Wall" anspielt. "Roger Waters glaubt "We don't need no education," dabei hätte er Nachhilfe bitter nötig. Wer einen Davidstern auf ein Schwein malt & es erschießt, ist Antisemit", schrieb er auf Twitter. "Die Veranstalter sollten die Konzerte dieses Menschenfeindes absagen."

"Nicht Aufgabe des Staates, die Gesellschaft zu erziehen"

Der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, sieht in dieser Frage die Gesellschaft in der Pflicht und nicht die Politik. „Es ist nicht Aufgabe des Staates, die Gesellschaft zu erziehen“, sagte Mendel unlängst. Politiker dürften natürlich ihre Meinung sagen, aber nicht über Ausladungen von Künstlern entscheiden. Das Weltbild von Roger Waters hält er für „grundfalsch“, ist aber dennoch gegen ein Verbot. „Wer sollte das verbieten und mit welchem Grund?“

Fans haben inzwischen Petitionen für den Musiker gestartet, der sich immer als Pazifist verstand. „Lasst Pink Floyd’s Roger Waters in Frankfurt, Deutschland, auftreten“, fordern die mehr als 5.600 Unterzeichner. Der Tourveranstalter FKP Scorpio reagiert gelassen. Man habe die Entscheidung „zur Kenntnis genommen“, stehe im Austausch mit der Messe und werde sich rechtzeitig bei den Gästen mit weiteren Informationen melden. (dpa)