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Pirna: Kino-Drama feiert Weltpremiere

Zwei Dresdner drehten in Rottwerndorf das düstere Epos "Der Kopf der Katze". Nun wird es uraufgeführt - bei einem renommierten US-Festival.

Von Thomas Möckel
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Darsteller Oskar Brandt, Rosa Henriette Löwe und Petra Schmidt-Schaller (v.l.) vor dem Pirnaer Filmhaus: Einer wird die Geschichte nicht überleben.
Darsteller Oskar Brandt, Rosa Henriette Löwe und Petra Schmidt-Schaller (v.l.) vor dem Pirnaer Filmhaus: Einer wird die Geschichte nicht überleben. © Archiv: Daniel Schäfer

Eine Kamera überfliegt ein im Wald gelegenes Anwesen, vermisst und scannt einzelne Elemente - und wird abgeschossen.

Unheimliche Musik und eingestreute Störgeräusche untermalen den abrupt beendeten Flug. Was war das? Eine Überwachungskamera, Außerirdische, drohte eine Gefahr?

Was da - gespickt mit Horrorfilm-Elementen - so verstörend daherkommt, die Zuschauer verunsichert zurücklässt, sie aber einem Sog gleich in den Bann zieht, ist die Eingangssequenz eines neuen Kinofilms: "Der Kopf der Katze", ein Kurzfilm-Drama, 29 Minuten lang, eine düstere, abgründige Vision voller Rätsel.

Minimalistisch die Handlung, minimalistisch die Besetzung, drei Figuren tragen den Plot. Fernseh- und Kinostar Petra Schmidt-Schaller spielt die Mutter, Rosa Henriette Löwe ihre Tochter, Oskar Brandt einen schweigsamen Jungen, "Hund" genannt. Und auch Pirna kommt in dem Streifen vor.

Pirna liefert passende Kulisse

Das Werk stammt aus der Feder der Dresdner Filmemacher Harriet und Peter Meining, sie schrieben das Drehbuch und führten Regie.

Mit ihrer Produktionsfirma Mauser-Film widmen sie sich seit 2017 ausschließlich der Filmarbeit. Meinings debütierten 2019 mit ihrem Erstling "Falter", ebenfalls ein Kurzfilm, er lief weltweit auf 25 Festivals und heimste 15 Preise ein.

Und weil Meinings passend zu ihren Ideen stets selbst geeignete Filmschauplätze suchen, bekommt auch Pirna einen wichtigen Platz in ihrem neuen Werk.

Zwar ist die Stadt als solche nicht zu erkennen, aber ein Grundstück im Süden liefert die Kulisse: schnörkellose Architektur, großer Garten, etwas abgelegen.

Regisseur Peter Meining: Wir freuen uns riesig, dass der Film in Los Angeles zu sehen ist.
Regisseur Peter Meining: Wir freuen uns riesig, dass der Film in Los Angeles zu sehen ist. © Archiv: Daniel Schäfer
Regisseurin Harriet Meining: Ein Kurzfilm als düstere, abgründige Vision voller Rätsel.
Regisseurin Harriet Meining: Ein Kurzfilm als düstere, abgründige Vision voller Rätsel. © Archiv: Daniel Schäfer
Dreharbeiten am ehemaligen Bahn-Stellwerk in Alt-Rottwerndorf: Eine etwas beklemmende Kulisse.
Dreharbeiten am ehemaligen Bahn-Stellwerk in Alt-Rottwerndorf: Eine etwas beklemmende Kulisse. © Archiv: Daniel Schäfer
Filmkulisse mit Stacheldraht: Ein isoliertes Leben, abgeschottet von der Außenwelt.
Filmkulisse mit Stacheldraht: Ein isoliertes Leben, abgeschottet von der Außenwelt. © Archiv: Daniel Schäfer

Gedreht im Stellwerk Rottwerndorf

Der Film spielt an einem fiktiven Ort, realer Drehort war das ehemalige Befehlsstellwerk in Pirna-Rottwerndorf an der früheren Bahnstrecke Pirna-Bad Gottleuba.

An dem Haus rumpelten einst Züge vorbei zum großen Rottwerndorfer Rangier- und Verladebahnhof, von dort aus wurden Weichen und Signale gestellt. Nach dem Aus der Bahnlinie stand das Gebäude lange leer und verfiel.

Inzwischen ist es saniert, man kann es als Ferienhaus mieten. Markant ist vor allem die schräge Fensterfront, die früher zu den Gleisen zeigte.

Den Filmemachern passte das Anwesen in Alt-Rottwerndorf bestens ist Konzept, es ist spartanisch, aber modern eingerichtet, es wirkt - zumindest im Film - ein wenig bedrückend, steht allein im Grünen, umgeben von viel Natur.

Für die verschlossene Welt, in der der Film spielt, war das Areal zusätzlich abgeschottet. Ein schweres Eisentor verschloss die Zufahrt, die Zäune waren mit Stacheldraht gespickt. Im Garten stand ein Käfig, für wen auch immer, gut geschützte Beete ließen auf Selbstversorger schließen.

Weltpremiere in Los Angeles

Gedreht wurde an zehn Tagen im Oktober 2020. Wegen der Corona-Pandemie war da noch ungewiss, wann der Streifen erstmals zu sehen ist. Niemand konnte sagen, welche Festivals in diesem Jahr stattfinden.

Doch nun steht fest: Der erste Weg des Films zum Zuschauer führt von Pirna in die USA, ein Stückchen Rottwerndorf wird gleich auf internationaler Bühne über die Leinwand flimmern.

"Der Kopf der Katze" feiert am 11. Juli Weltpremiere - beim internationalen Filmfestival "LA Shorts" in Los Angeles im Wettbewerb "Drama international".

Das Festival gibt es inzwischen seit 25 Jahren, es zählt zu den renommiertesten und größten Kurzfilm-Festivals der Welt. Zudem gilt es als bedeutende Vorauswahl für die anstehenden Oscar-Nominierungen im Kurzfilm-Genre. "Wir freuen uns riesig, dass unser Film dort zu sehen sein wird", sagt Peter Meining.

Prädikat "Besonders wertvoll"

Einige Auserwählte durften aber schon vorab einen Blick auf das Drama werfen, beispielsweise Film-Juroren.

Bereits im März dieses Jahres erhielt der Streifen das höchste Prüfsiegel der "Deutsche Film und Medienbewertung" (FBW), die Jury gab ihm das Prädikat "Besonders wertvoll".

Die FBW begutachtet filmische Produktionen auf ihre Qualität und zeichnet herausragende Werke mit den Prädikaten "Wertvoll" und "Besonders wertvoll" aus. Dabei bewerten unabhängige Jurys die Streifen, die Prädikate sind begehrte Auszeichnungen bei Filmemachern.

Die Jury lobt das Werk als exzellentes Kurzfilmkino, dessen undurchsichtige Handlung es durchaus in sich hat.

Einer wird sterben

In "Der Kopf der Katze" lebt eine Mutter zurückgezogen mit ihrer siebenjährigen Tochter in einem einsamen Haus. Doch mit dem siebten Geburtstag ist die Kindheit des Mädchens schlagartig vorbei, sämtliche Spielsachen werden entsorgt.

Auf Geheiß der Mutter muss die Tochter den "Raum der Emotionen" verlassen und lernen, rational zu denken. Dafür hat die Mutter eine endlose Zahl an Lektionen vorbereitet, alle geprägt von Verzicht. Für die Tochter beginnt ein neuer, harter Lebensabschnitt, in dem sie trainieren, arbeiten alles lernen muss: Schießen, Dauerlauf, Biologie und Physik, Garten- und Hausarbeit, Auto fahren.

Die Tochter ist lernwillig, die Mutter macht ihr daher ein Geschenk: einen Jungen namens "Hund", der fortan alle niedrigen Arbeiten übernehmen muss. Da aber hat das Mädchen längst beschlossen, das Gelernte praktisch anzuwenden. Und so viel sei verraten: Eine der drei Personen wird sterben.

Spannende, surreale Dystopie

Die Jury würdigt den Film als clever und reduziert erzählt, getragen von der minimalistischen und subtilen Leistung der Darsteller. Es gebe kein Wort zu viel, keine überflüssige Geste. Uniformartige Kostüme, sparsame Dekors und entsättigte Farben ließen die Kälte und die Absurdität der Situation spürbar werden.

Doch was steckt hinter alldem? Stammen Mutter und Tochter von einem fremden Planeten und sind nur zum Zweck der Ausbildung auf der Erde? Oder ist es einfach so, dass das wahre Grauen in den Familien liegt, wo Kinder aufgrund von Ideologien oder Neurosen ihrer Eltern in ihrer Entwicklung behindert werden?

Der Film liefert keine eindeutige Erklärung, verliere aber laut der Jury nie den Fokus und halte die Spannung hoch. "Der Kopf der Katze" sei eine surreale, faszinierende Dystopie, die den Zuschauer erschaudern lasse.

Wann der Film in Pirna oder in der Region gezeigt wird, steht noch nicht fest. Eine kurze Vorschau gibt es hier.