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So gut ist der neue Kinothriller mit Devid Striesow

Erst neu in der Klasse, dann tot: Im Erwachsenwerd-Drama "Trübe Wolken" spielt Devid Striesow einen gehandicapten Lehrer – und ist so gut wie lange nicht.

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Der Lehrer und Rollstuhlfahrer Erich Bulwer (Devid Striesow) wird auf der Autobahn Opfer eines Anschlags. Hat eine Mitschülerin oder ein Mitschüler etwas damit zu tun?
Der Lehrer und Rollstuhlfahrer Erich Bulwer (Devid Striesow) wird auf der Autobahn Opfer eines Anschlags. Hat eine Mitschülerin oder ein Mitschüler etwas damit zu tun? © Salzgeber

Von Andreas Körner

Das Kino hat sich noch gegen jeden und alles behauptet. Die, die in Filmtheater gehen und jene, die dafür sorgen, dass es sie gibt, haben es nicht minder geschafft. "Alles fließt" heißt es aber auch bei aufregenden jungen Regisseurinnen, waghalsigen Filmemachern, Autoren und Produzenten mit Debüts, bei unverbrauchten Darstellerinnen und Schauspielern, die eine Leinwand wirklich ausfüllen können, ohne dass man im Vorfeld davon wüsste. Kommt das alles in nur einem neuen Werk zusammen, spricht man von Glück und dieser Tage unweigerlich von "Trübe Wolken" und Christian Schäfer, Glenn Büsing, Jonas Holdenrieder, Valerie Stoll.

Im Fokus des Films steht das Dreieck Jugend - Schule - Thrillerhandlung. Mit Betonung auf Thriller. Von einer Brücke fliegen Steine auf die Straße, die Frontscheibe eines Autos wird getroffen, die Fahrertür öffnet sich, ein Mann schleppt sich auf den Asphalt. Es ist, wie sich herausstellen wird, Erich Bulwer (Devid Striesow), ein Lehrer und Rollstuhlfahrer. An seiner Schule wird der Steinwurf natürlich zum Thema, denn nach und nach wird klar, dass "Trübe Wolken" hier im kleinstädtischen Himmel hängen.

Was genau will der Schüler Paul (Jonas Holdenrieder, r.) von seinem Lehrer Erich Bulwer?
Was genau will der Schüler Paul (Jonas Holdenrieder, r.) von seinem Lehrer Erich Bulwer? © Edition Salzgeber

Verlassene und verfallene Gebäude, aber nicht "der Osten"

Dort, wo der Wald noch dicht ist, der Bachlauf unbekümmert, wo das graugrünbraune Interieur der Häuser nach Sechziger riecht, wo es verlassene und verfallene Gebäude gibt und nein, es ist diesmal nicht explizit der Osten. Dafür einen ersten Punkt. Für den 17-jährigen Paul (Jonas Holdenrieder) ist die Gegend ideal. Er hat sich assimiliert, findet bei Streifzügen mit sich selbst genug zu sehen und mitzunehmen.

Paul ist ein ruhiger Geselle, ein Unscheinbarer und ganz Netter, würde man über ihn sagen. Er schaut mit Röntgenaugen auf Dinge, die andere kaum wahrnehmen würden. Auf Menschen. Auch durch Fenster. Paul liebt geschriebene Worte, er ist ein Rätsel und bleibt es. Daheim am Tisch sitzen ein jüngerer Bruder, Mutter, Vater und das unbestimmte Gefühl des endgültigen Erwachsenwerdens, des Verirrens in Labyrinthen.

Die große Entdeckung des Films ist Jonas Holdenrieder als rätselhafter Teenager.
Die große Entdeckung des Films ist Jonas Holdenrieder als rätselhafter Teenager. © Edition Salzgeber

Reizen ihn Jungs sexuell oder Mädchen oder beide?

Höchstens matte Schlaglichter werfen Regisseur Christian Schäfer und Drehbuchautor Glenn Büsing auf alle Konstellationen, die sich im Laufe der Handlung anbahnen, entwickeln, abrupt beendet werden. Auserzählt wird nichts. Wer im Kino nicht gern mit den Sinnen puzzelt, wird verlieren. Vielleicht so? Vielleicht so! Paul verweilt bei einer kranken, alten Frau am Bett, Geld nimmt er dafür nicht, aber die Briefe an ihren toten Mann.

Er findet David (Valentino Fortuzzi), den Neuen in der Klasse, besonders, und die zarte Dala (Valerie Stoll) schon längst. Max (Max Schimmelpfennig) ist ihm als Freund zu sehr Poser, aber als Gegner zu stark. Dann lieber nach Höherem greifen: Lehrer Bulwer kommt ihm in seiner Mischung aus Schöngeist, Tierfreund und Mentor gerade recht. Als Forschungsobjekt für das, was er über sich selbst noch alles erfahren könnte. Ob Paul einsam ist oder nur genügsam, ob ihm Jungs sexuell reizen oder Mädchen oder beide, ob ihm die Bühne liegt oder der Alltag, Wut oder Mut.

Devid Striesows Spiel ist ein Ereignis der Blicke

Als David verschwindet, dann tot ist und die Polizei kommt, wird aus "Trübe Wolken" noch lange kein "Tatort". Der Film wird komplexer. Er sieht vorzüglich aus, klingt brillant, nutzt diese technischen Mittel konsequent, um seine allem Linearen ferne Geschichte zu tragen, forcieren, um sie sinnlich zu unterfüttern. Devid Striesow macht aus seinem stets souveränen Spiel diesmal ein Ereignis der Blicke, Valerie Stoll Lust auf kommende Begegnungen.

Der Hammer aber ist Jonas Holdenrieder. Er schafft die heikle Mission, die Versatzstücke einer Figur so dicht zu verweben, dass man in keiner Minute das Interesse an ihr verliert, sondern Neugier entwickelt für ungeahnte Dimensionen und – mitfühlt. Juwele übrigens behaupten sich nicht von selbst gegen jeden und alles. Dass man sie finden muss, bleibt eine nächste wunderbare Konstante im Kino.

  • Der Film "Trübe Wolken" läuft im Zentralkino in Dresden.