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Sohn von Kurt Masur wird Star in den USA

Ken-David Masur zog es eigentlich nicht ans Pult. Doch nun folgt er seinem berühmten Vater, der in New York und in Sachsen Musikgeschichte geschrieben hat.

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Ken-David Masur leitet derzeit das Milwaukee Symphony Orchestra und das Chicago Symphony Orchestra. In der nächsten Saison steht er am Pult der New Yorker Philharmoniker, die einst sein Vater zehn Jahre geleitet hatte.
Ken-David Masur leitet derzeit das Milwaukee Symphony Orchestra und das Chicago Symphony Orchestra. In der nächsten Saison steht er am Pult der New Yorker Philharmoniker, die einst sein Vater zehn Jahre geleitet hatte. © Milwaukee Symphony Orchestra

Von Christina Horsten

Eigentlich hatte Ken-David Masur nie vor, es seinem Vater gleichzutun. „Die Freude des Musizierens als Dirigent auf dem Podium musste ich erst entdecken“, sagt der 1977 geborene Sohn von Kurt Masur, der zu den herausragenden Dirigenten der Musikgeschichte gezählt wird.

„Dass ich meine erste Probe dirigiert habe, das kam so, dass ich an der Columbia Universität in New York studiert habe – auch absichtlich nicht Musik – und irgendwann kam jemand in der Mensa zu mir und hat gesagt: ,Du, wir machen eine Oper und ich habe gehört, du bist Musiker. Du kannst das doch sicher. Dein Vater, der dirigiert.’“ Er habe mehrfach abgelehnt und beteuert, dass er keine Ahnung vom Dirigieren habe, aber sei immer wieder gebeten worden, so Masur.

„Und dann habe ich gesagt: „Und dann habe ich gesagt: ,Okay, fein, eine Probe und danach sucht ihr euch jemand Anderen.‘ Und nach der einen Probe war ich süchtig. Dass das so eine Riesenfreude ist, das hätte ich nicht gedacht.“

Der Dirigent Kurt Masur Ende 2014 in der Neuen Messe Leipzig bei der Verleihung des Medienpreises «Goldene Henne».
Der Dirigent Kurt Masur Ende 2014 in der Neuen Messe Leipzig bei der Verleihung des Medienpreises «Goldene Henne». © Archivbild: Hendrik Schmidt/dpa

Inzwischen hat es Masur selbst zum renommierten Dirigenten geschafft. Unter anderem hat er schon in Japan, Frankreich, an verschiedenen Orten der USA und bei den Münchner Symphonikern gearbeitet. Derzeit leitet er das Milwaukee Symphony Orchestra und das Chicago Symphony Orchestra im Mittleren Westen der USA. Für den Saisonauftakt ist er im September außerdem für Gastdirigentenauftritte bei den New Yorker Philharmonikern angekündigt, die ihn auf ihrer Webseite für seine „scharfe musikalische Intelligenz, fantasievollen Programmkünste und unverkennbares Charisma“ rühmen.

Gemeinsam mit seiner Frau, der Pianistin Melinda Lee Masur, hat er in der Millionenmetropole zudem das Chelsea Music Festival ins Leben gerufen, das ab dem 21. Juni schon zum 15. Mal über die Bühne gehen soll. „Das war eine Schnapsidee. Melinda und ich hatten so viele Freunde in verschiedenen kreativen Genres und haben gedacht, die Musik und auch die Kulturwelt ist einfach so geteilt, wir sollten ein Festival in New York zusammenkriegen, wo sich alle treffen können und wo wir einfach Party machen und dazu auch ein Publikum einladen.“ Experimentelle Kammermusik und kleine Orchester an ungewöhnlichen Orten, dazu Köche und Künstler aus anderen Bereichen.

Masur selbst begann mit der Geige – wie seine Mutter, die japanische Sopranistin, Geigerin und Bratschistin Tomoko Sakurai, der dritten Ehefrau des 2015 verstorbenen Kurt Masur, die dieser bei einem Gastdirigentenauftritt in Brasilien kennengelernt hatte. „Ich habe die Geige geliebt. Meine Mutter hat mir das oft erzählt, dass ich bei jeder Gelegenheit, ob auf Reisen oder am Flughafen, dass ich dann in der Warteschlange bei der Einreise oder beim Zoll immer meine Geige rausgeholt habe und angefangen habe, für Leute zu spielen.“ Dann aber habe er in seiner Geburtsstadt Leipzig Unterricht bei „wohl einem der angesehensten, aber auch einem der strengsten Geigenlehrer“ bekommen und „irgendwann keine Lust mehr“ gehabt. „Was natürlich auch so ein bisschen für Traurigkeit bei meinen Eltern gesorgt hat.“

Ratschläge vom Vater für den Job

Später kamen Schlagzeug, Trompete, Klavier und sogar eine Rockband – bis es ihn dann doch, wie seinen Vater, ans Dirigentenpult zog. „Das kam wirklich ganz langsam. Irgendwann habe ich bemerkt, ich kann ohne Musik nicht leben und ich möchte auch was bewegen. Mein Vater hat mich da nie gedrängt. Er hat da ganz vorsichtig ermutigende Worte.“

Vater Kurt Masur war nach Stationen in Schwerin, Berlin und Dresden von 1970 bis 1996 Gewandhauskapellmeister in Leipzig, wo auch Sohn Ken-David im Kinderchor sang. „Eigentlich habe ich es als Kind eher abwertend betrachtet, dass mein Vater manchmal sechs bis sieben Monate im Jahr verreist war. Ich habe ihn dann auch mal ,Onkel Papa’ genannt und da war er ganz erschüttert davon.“

In der Herangehensweise an die Arbeit seien er und sein Vater, mit dem er in dessen letzten Lebensjahren sehr viel Zeit verbracht und auch zusammengearbeitet habe, sich sehr ähnlich. „Ich spüre ihn besonders in Werken, die ich selber jetzt dirigiere, die ich mit ihm in Verbindung bringe. Und womit ich auch aufgewachsen bin, ist, dass wir wirklich Diener sind der Musik.“1991 wurde Kurt Masur Musikdirektor der New Yorker Philharmoniker – und Ken-David lebte als Teenager auf einmal in der amerikanischen Millionenmetropole. Heute werde er häufig als „in Deutschland geborener japanisch-amerikanischer Dirigent“ vorgestellt, sagt Masur. Seine Identität liege irgendwo dazwischen. „Ich glaube, ich bin immer noch auf der Suche.“

Drei Kinder im Teenageralter, Hund und Hühner

In den USA ist Ken-David Masur geblieben – und in Milwaukee habe er sich „sofort zu Hause“ gefühlt, sagt der Dirigent. „Weil ich da viele Parallelen gesehen habe, auch mit meiner Heimatstadt Leipzig. Es hat eine ähnliche Größe, es gibt eine Straßenbahn, es gibt viel deutsches Essen.“ Das Leben mit drei Kindern im Teenageralter, einem Hund und Hühnern sei „recht chaotisch, dynamisch und energisch“. Seine älteste Tochter spiele auch schon sehr gut Geige und er spreche mit seinen Kindern ausschließlich Deutsch. „Und sie müssen auch mit dem Sprachassistenten Alexa ausschließlich Deutsch sprechen, wenn sie was zurückhaben wollen.“

Wenn es um die Zukunft gehe, halte er sich ebenfalls an einen Ratschlag seines Vaters, der ihm immer gesagt habe: „Das, was du als Aufgabe im Moment geschenkt bekommst, das solltest du als Hauptaufgabe ansehen. Deshalb vertraue ich komplett darauf, dass sich irgendwie etwas weiter entwickeln wird, irgendeine neue Aufgabe kommt. Weil ich immer das Vertrauen habe auf den Moment und die Musiker, dass wir alles geben, um das rauszuholen, was uns Freude gibt in dem Augenblick.“ (dpa)