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Die pinke Revolution: Was wir vom Barbie-Film lernen können

Pink als Kampffarbe: "Barbie" will die Plastikpuppe zur feministischen Ikone machen. Der Hype ist auch in Deutschland riesig - aber hält der Film was er verspricht? Am Freitag läuft er bei den Filmnächten am Elbufer in Dresden.

Von Maximilian Helm
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Barbie und Ken sind die Protagonisten des Films - und drehen klassische Rollenbilder komplett um.
Barbie und Ken sind die Protagonisten des Films - und drehen klassische Rollenbilder komplett um. © Courtesy of Warner Bros. Picture

Ausgerechnet Barbie. Ausgerechnet diese schreiend pinke, grinsende Plastikpuppe ist die Hauptfigur im meistdiskutierten Film des Jahres. Quietschrosa und hellblau angezogene Menschen stürmen die Kinos, schon mehr als eine Milliarde Euro sind weltweit in die Kinokassen geflossen.

Das haben schon viele Filme geschafft, da ging es um fremde Planeten und um Superhelden. Doch diese Superheldin ist anders. Manche sehen "Barbie" als feministischen Meilenstein, andere als inhaltsarmes Popcorn-Kino. Am Freitag ist Barbie bei den Filmnächten in Dresden zu sehen.

Der sonst treffsichere Filmkritiker Wolfgang M. Schmitt bezeichnete Barbie, in Abgrenzung zum zeitgleich startenden Oppenheimer, als "Pseudo-Politik". Doch Schmitt irrt, und er irrt, weil er als Mann die "Barbieland"-Utopie nicht ernst genug nimmt.

Zugegeben, die ist schwer zu erkennen. In "Barbieland" hat Barbie das Sagen - in tausendfacher Ausführung. Jede lebt in einem pinken Traumhaus, jede fährt ein pinkes Traumauto, jeden Tag wird eine Party gefeiert. Die Gespräche sind oberflächlich, aber freundlich und ermutigend. Jede Barbie feiert die andere für ihr Outfit ab. Es gibt einen Mann, Ken, ebenfalls in tausendfacher Ausführung, der aber nichts zu sagen hat.

Barbie in der Krise: Weiblichkeit wird abgewertet

Das ist schön anzuschauen und das ist witzig. Doch unter geschmeidigen Choreografien und einer völlig eskalierenden Film-Ausstattung steckt der Traum von einer nicht-männlich dominierten Gesellschaft. "Barbie" lädt vor allem Frauen ein, sich eine Welt vorzustellen, in der die Chancen gleich und Übergriffe von Männern auf Frauen absolut undenkbar sind. Warum sollte man nicht davon träumen?

Um Barbie wehte schon immer ein Wind von Feminismus. Barbie war die erste Puppe, die kein Baby war. Eine, die Mädchen nicht von Anfang an auf die Mutterrolle vorbereitete und sie darauf reduzierte. Astronautin-Barbie, Ärztin-Barbie und Präsidentin-Barbie sollten die Beziehung von Kind und Puppe ändern, weg vom hilflosen Kümmern, hin zu einer Vorbildfunktion und der Botschaft "Du kannst alles sein".

Im Film findet die Revolution nun bei einer Farbe statt: Pink. Eine Farbe, die so negativ besetzt ist, wie kaum eine andere. Pink sind ungesunde Süßigkeiten, pink sind funkelnde Mädchenklamotten, pink sind Haare von Popstars. Was nicht pink ist: Dinge die man ernst nehmen sollte.

Es geht so weit, dass pinke und als extrem feminin wahrgenommene Dinge in anderen Filmen als feindlich dargestellt werden. Diese Abwertung der Weiblichkeit wirkt auf Mädchen und Frauen. Auf Schulhöfen werden die Zöpfe verbannt, um zur Gang zu gehören. In Unternehmen werden Kleider gegen Hosenanzüge eingetauscht - aus den gleichen Gründen.

Wie ehrlich ist die Kritik an Mattel?

Diese Abwertung hat auch die Barbie erwischt. Dabei ist die Puppe gar nicht aus sich heraus sexistisch, sie wurde dazu gemacht. Dadurch, dass die Gesellschaft schrille Weiblichkeit viel mehr ablehnt als offen zur Schau gestellte Männlichkeit. Nicht so in "Barbieland" - dort wird alles, was pink ist und glitzert, abgefeiert.

Das hat auch Einfluss auf Männer. In Kuwait wurde Barbie als "Werbung für Homosexualität" verboten. Nur gibt es im ganzen Film gar keine expliziten Anspielungen auf gleichgeschlechtliche Liebesbeziehungen. Es reicht, dass die Männer tanzen und sich mit pinken Kleidungsstücken schmücken. Diese Reflexe gibt es natürlich auch in Westeuropa. Ryan Gosling springt mit seinem bunt-flauschigen Ken-Pullover also auch den Männern zur Seite. Mann darf seine feminine Seite ausleben - ohne dafür Ausgrenzung fürchten zu müssen.

Natürlich hat Barbie Fehler gemacht. Die Puppe will eine Vorbildfunktion haben - und zerfrisst damit das Körperbild vieler Mädchen. Niemand hat so lange Beine, so große Augen, so eine schmale Taille wie diese Puppe. In jüngerer Zeit wurden dann schwarze Barbies und Plus-Size-Barbies produziert. Doch sind die eher Produkt des gesellschaftlichen Drucks und wurden auch keine kommerziellen Erfolge. Im Film wird diese offensichtliche Kritik geäußert - jedoch nur auffällig kurz.

Barbies Emanzipation ist etwas für Reiche

Dass die Barbie-Puppe am Ende des Films ziemlich gut dasteht, ist kein Zufall. Denn Puppe und Film bleiben ein Produkt von Mattel, einem US-amerikanischen Großkonzern. Dieser wird im Film ganz im Sinne des Zeitgeistes als ziemlich peinliche Bande von alten, weißen Männern dargestellt. Doch das alles wurde von Mattel abgesegnet - wie ehrlich kann eine solche Kritik dann sein?

Vielmehr wird in "Barbie" des Konsums gefrönt - Autos, Partys, Outfits. Wenn wir genug Geld in die Hand nehmen, dann kaufen wir uns Selbstbestimmung. Das ist aber ein schöner Ken-Pullover am Ende des Films - wie praktisch, dass man ihn direkt bei Mattel kaufen kann. Drastisch formuliert: Dort, wo der "Barbie"-Film Geschlechtergräben zuschütten will, öffnet er den Spalt zwischen arm und reich.

"Barbie" ist nicht der große feministische Wurf. Doch es ist fast ironisch: Ein komplexes, kritisches Werk hätte wohl kaum so viel Geld eingespielt und so viele Menschen erreicht. So schaffen es diese Ideen in Köpfe, in die sie sonst nie gekommen wären. Fast-Food-Feminismus, von dem sich der Rest Hollywoods in den kommenden Jahren sicherlich einiges abschauen wird. Und das muss nichts Schlechtes sein.