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Landratsamt verbietet Müllberäumung

Die Behörde ließ ein Haus wegreißen. Der Müll blieb liegen. Anwohner sind empört, die Gemeinde darf nichts tun.

Von Jürgen Müller
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Dieser Müllhaufen ärgert seit Monaten die Bewohner von Nimtitz. Das Landratsamt ließ hier ein ruinöses Wohnhaus abreißen. Der Müll blieb einfach liegen.
Dieser Müllhaufen ärgert seit Monaten die Bewohner von Nimtitz. Das Landratsamt ließ hier ein ruinöses Wohnhaus abreißen. Der Müll blieb einfach liegen. © Claudia Hübschmann

Käbschütztal. Die Einwohner des Käbschütztaler Ortsteiles Nimtitz wünschen sich derzeit vor allem eines: Schnee, ganz viel Schnee. Dann wäre wenigstens für kurze Zeit mal ein riesiger Müllhaufen in dem kleinen Ort verschwunden. Etliche Kubikmeter Müll „zieren“ seit Monaten den Ort.

 Anwohner sind empört, wütend, frustriert. Denn das sieht nicht nur schlimm aus, sondern ist es auch. Vor allem im Sommer kommen penetrante Gerüche aus dem Müllhaufen. Das war mal ein Haus, das einem Messie gehörte. Weil es irgendwann derart vermüllt und damit unbewohnbar war, wurde der Bewohner in eine gemeindeeigene Wohnung in Krögis umgesiedelt. Inzwischen ist er in einem Pflegeheim.

Das Haus war in einem derart schlechten Zustand, dass es einzustürzen drohte. Weil Gefahr im Verzug war, kam es durch das Bauamt des Landratsamtes Meißen zu einer „Ersatzvornahme“. Das bedeutet, weil es der Eigentümer nicht veranlasste und die Gefahr nicht beseitigte, ließ das Amt das Haus im August vorigen Jahres abreißen. Das Haus, in dem der Müll 1,50 Meter hoch stand, wurde allerdings zuvor nicht beräumt, sondern einfach alles platt gemacht.

Damit hatte es sich. Seitdem liegt auf dem Grundstück ein riesiger Müllhaufen, der vor sich hin stinkt. Aber nicht nur das: Anwohner und auch die Gemeinde Käbschütztal vermuten, dass sich in dem Müllberg giftige Stoffe befinden, die ins Erdreich gelangen können und dieses verunreinigen. 

„Nach unserem Wissen hatte der Bewohner zum Beispiel einen Kühlschrank, der jetzt unter dem Müllhaufen liegt“, sagt Bürgermeister Uwe Klingor. Weil das Haus keine Toilette besaß oder diese nicht mehr nutzbar war, verrichtet er seine Notdurft auf dem Grundstück. Auch an das Abwassernetz war das Haus nicht angeschlossen.

Vermutet wird, dass sich unter den Trümmern auch Öle oder giftige Stoffe befinden. „In der Nähe befindet sich ein Teich. Wir befürchten, dass er verunreinigt wird“, so der Bürgermeister. Er hatte schon im vergangenen Jahr gesagt, dass den Anwohnern der Dreck und Gestank nicht länger zuzumuten sei.

 Der Müll müsse entsorgt werden. Doch das Landratsamt sah und sieht sich nicht in der Pflicht. „Die Ersatzvornahme nach dem Baurecht endet mit dem Abriss. Jetzt geht es um ordnungsrechtliche Fragen, und da steht die Gemeinde in der Pflicht“, so Landkreis-Sprecherin Kerstin Thöns. 

Dieser Pflicht wollte die Gemeinde nachkommen. So hatte der Gemeinderat 15 000 Euro für die Entsorgung des Mülls genehmigt. Doch das reicht bei weitem nicht. Die Entsorgungskosten werden auf rund 35 000 geschätzt. Der Löwenanteil dürfen die Deponiekosten sein.

Nach dem Willen der Gemeinde soll sich der Landkreis an den Entsorgungskosten beteiligen. „Wer ein Haus abreißt, der ist auch verpflichtet, den Müll wegzuräumen“, so der Bürgermeister. 

Doch der Landkreis lehnt jede Beteiligung ab. „Es ist Aufgabe des Eigentümers, den Müll zu entsorgen. Dafür dürfen keine Steuergelder verwendet werden“, so Kerstin Thöns. Es müsse über den Betreuer geprüft werden, ob der Eigentümer über Vermögen verfüge, das verwertet und für die Bezahlung der Entsorgungskosten verwendet werden könne. Das freilich ist nicht anzunehmen. 

Auch eine Eintragung einer Grundschuld ist nicht mehr möglich. Bereits die Abrisskosten von 26 000 Euro hat sich auf diese Weise der Landkreis sichern lassen. Mehr ist nicht drin. Die jetzt erforderlichen 35 000 Euro würden bei weitem den Wert des Grundstückes übersteigen.

Doch der Landkreis beteiligt sich nicht nur nicht an den Entsorgungskosten, sondern verbot der Gemeinde, dafür Geld aus dem Haushalt auszugeben. „Aufgrund der Haushaltssituation der Gemeinde wurde geprüft, ob eine Ersatzvornahme aus Steuermitteln möglich ist. Das ist hier nicht der Fall.

 Wenn ein Privatmann nicht in der Lage ist, für die Entsorgungskosten seines Hauses aufzukommen, lässt sich das nicht mit Steuergeld finanzieren“, so die Pressesprecherin des Landkreises. Aus Sicht des Bauamtes läge auch keine Umweltgefährdung vor. Es lagere dort kein Sondermüll.

Bürgermeister Klingor gibt sich damit nicht zufrieden. Er hofft weiter auf ein Einlenken des Amtes, will eine Lösung erreichen. Eine rechtliche Grundlage gäbe es, denn es sei Gefahr in Verzug. „Wir befürchten, dass das Grundstück zu einer Rattenhochburg wird“, so Klingor.

Aus dem Landratsamt kommen aber keine hoffnungsvollen Signale. „Auf Verwaltungsebene wird gegenwärtig nicht an einer Lösung gearbeitet, die eine finanzielle Beteiligung des Landkreises Meißen vorsieht“, so Kerstin Thöns.

Die Anwohner sind ob der Entwicklung empört: „Ist das die von Ministerpräsident Kretschmer versprochene Förderung des ländlichen Raumes? Da kann ja jetzt jeder Müll ungestraft in die Landschaft schmeißen und braucht ihn nicht wegzuräumen, wenn es das Landratsamt vormacht“, schimpft einer. Die Betroffenen denken darüber nach, sich an die Landesregierung wenden. Und warten bis dahin weiter auf viel Schnee. Oder auf ein anderes Wunder.