Merken

Landschaft mit Bildstörung

Gerhard Barthe ist eigentlich Arzt in Naustadt, aber er kümmert sich nicht nur um seine Patienten.

Teilen
Folgen
NEU!

Von Udo Lemke

Klipphausen. Der Blick aus dem Fenster in Doktor Barthes Sprechzimmer in Naustadt ist ernüchternd: An ein Rübenfeld, das die Schwünge der Landschaft mitnimmt, schließt sich ein umgeackerter Schlag an, der am Horizont an das Gewerbegebiet von Röhrsdorf stößt. Das sind ziemlich genau zwei Kilometer¨– zwei Kilometer, ohne einen einzigen Baum, ohne einen Strauch, ohne einen Feldweg. „Es ist eine einzige Steppe hier, weil das Land so fruchtbar ist, wir haben Bodenwerte von 80“, sagt Gerhard Barthe. Eine Steppe zeichne sich dadurch aus, dass es keinerlei höheren Bewuchs gibt. Also sei das vor seinem Fenster eine Agrarsteppe. Allerdings – am linken Bildrand stört etwas das Bild der Einöde. Eine Reihe kleiner Bäume zieht sich dort in den Feldern dahin.

Für diese Bildstörung in der ansonsten bis auf den letzten möglichen Quadratmeter ausgenutzten Landschaft – nur dort, wo die Maschinen aufgrund des Geländeprofils nicht arbeiten können, sind Gebüsche und kleine Wäldchen übrig geblieben – ist der Landarzt verantwortlich. Von den einst zwanzig Hektar, die seine Vorfahren hier bewirtschafteten, sind seiner Familie noch fünf verblieben. Und die sind verpachtet. Als der Pächter des Landes vor zwei Jahren die Verträge verlängern wollte, hat Gerhard Barthe gesagt, dass er Bäume und Sträucher an den Feldweg pflanzen wolle. „Der Pächter, Hermann Schmick, ist sofort darauf eingegangen.“

Nun stehen 15 Kirsch- und zehn Pflaumenbäume am Feldweg, dazwischen sind Sträucher gepflanzt worden – Felsenbirnen, Hundsrosen, Pfaffenhütchen. Und als einige davon eingegangen waren, wurde Sanddorn nachgepflanzt, und sogar einen Maulbeerbaum und eine chinesische Stinkesche gibt es. Rund 250 Meter lang ist die Baumreihe. Weil sonst das schnellwüchsige Gras die Sträucher überwuchert, muss es Gerhard Barthe mähen. Und weil das nicht mit dem Rasenmäher geht, weil die Abstände zu klein sind, muss er die Sense in die Hand nehmen.

„Das ist harte Arbeit“

Drei bis viermal macht er das im Jahr, „ich brauche etwa sechs Stunden, bis ich einmal durch bin, das ist harte Arbeit“, sagt der 67-Jährige. Er nimmt das auf sich, weil er nicht in einer immer weiter ausgeräumten Landschaft leben will. Ganz abgesehen davon, dass die Landschaft gliedernde Elemente wie Baumreihen und -alleen, Hecken und Krautsäume gut gegen die Erosion des Bodens durch Wind und Wasser sind. Abgesehen davon, dass sie die Landschaft verschönern, sind sie auch wichtig für Tiere. Vor allem Niederwild wie Hasen, Kaninchen und Rebhühner, die heute nahezu ausgestorben in der Feldflur sind, würden davon profitieren. Fänden sie doch hier Nahrung und Schutz. Gerhard Barthe will etwas für die Singvögel tun, „die mir sehr am Herzen liegen“.

Vielen Verpächtern ist es egal, wie mit ihrem Land gewirtschaftet wird und ob ihr Kapital – der Boden – Schaden nimmt, Hauptsache die Pacht kommt jedes Jahr pünktlich. Für Gerhard Barthe ist das kurzsichtiges Denken, das nicht an die nachfolgenden Generationen denkt. Dass man es anders machen kann, zeigt sich auch an seiner Praxis: Ein wieder hergerichteter Dreiseithof, in dessen liebevoll sanierter traditioneller Hülle sich eine moderne Praxis befindet.

Die nächste Gelegenheit, in Naustadt, Scharfenberg und Umgebung etwas dafür zu tun, das einst Lebens- und Liebenswerte der Landschaft ein Stück wiederzugewinnen, bietet das nun schon traditionelle Baumpflanzfest in Naustadt. Dazu lädt der Verein Lebensraum Scharfenberg für den 22. Oktober ein. Keine Frage – Gerhard Barthe wird dabei sein.

Baumpflanzfest

Ablauf: Am 22. 10., 13 Uhr Treff in der Grundschule Naustadt mit Programm der Schulkinder, Einführung durch Herrn Schäfer von der gleichnamigen Baumschule.

Pflanzaktion: Start zum Anlegen der einstigen Pflaumenallee zwischen Naustadt und Riemsdorf, 17 Uhr Kaffeetrinken zum Abschluss.

Spenden: Lebensraum Scharfenberg e. V. , Bank für Kirche und Diakonie,
IBAN: DE87 3506 0190 1600 0370 10, Verwendungszweck Baumpflanzfest