Leipzig
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Der 16. Nachfolger von Johann Sebastian Bach ist tot

Nach einer schweren Erkrankung ist Alt-Thomaskantor Georg Christoph Biller verstorben. Sein Amt musste er bereits 2015 aufgegeben.

Von Bernd Klempnow
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Georg Christoph Biller - hier auf einem Foto aus dem Jahr 2010 - ist nach langer schwerer Krankheit verstorben.
Georg Christoph Biller - hier auf einem Foto aus dem Jahr 2010 - ist nach langer schwerer Krankheit verstorben. ©  Archivbild: dpa/Peter Endig

Es war einer der letzten öffentlichen Auftritte: Mit einem bewegenden Konzert in der vollen Leipziger Peterskirche hatten im September 2020 Freunde und Weggefährten dem Ex-Thomaskantor Georg Christoph Biller zum 65. Geburtstag gratuliert. Der Jubilar wirkte beglückt, saß damals aber schon im Rollstuhl. Er litt lange schon an Depressionen, womit er immer offen umgegangen war und Auszeiten genommen hatte. Doch sein Nervenleiden verstärkte sich zunehmend. Am Donnerstag ist Biller „nach langer schwerer Krankheit gestorben“, teilte der Thomanerchor unter Berufung auf die Familie mit.

Stets voller Einsatz im Sinne von Bach: 2014 erhielt Georg Christoph Biller dafür den Verdienstorden der Bundesrepublik, als eine von mehreren nationalen und internationalen Ehrungen.
Stets voller Einsatz im Sinne von Bach: 2014 erhielt Georg Christoph Biller dafür den Verdienstorden der Bundesrepublik, als eine von mehreren nationalen und internationalen Ehrungen. © dpa-Zentralbild

Die Leitung des Klangkörpers würdigte ihn als „energischen, kraftvollen Künstler, der das Ensemble mit großer Persönlichkeit und Leidenschaft geleitet hat“. In seiner Amtszeit habe er viele Thomanergenerationen geprägt und sei wichtige Bezugsperson für zahlreiche Sänger und Musiker gewesen. Politiker und Kulturschaffende sprachen von einem großen Verlust für die Musikstadt Leipzig und die Bach-Familie in aller Welt. Biller war einer der Prominenten in der Messestadt. Auch international kannte man ihn etwa aus den per Fernsehen und Radio übertragenen Aufführungen von Bach-Oratorien.

Als neunjähriger Thomaner stand Biller erstmals auf der Chorempore von St. Thomas in Leipzig. „Ein Traum“, wie er meinte. Gut fünfzig Jahre später, 2015, musste er sich schweren Herzens „aus gesundheitlichen Gründen“ von seiner Hauptwirkungsstätte und den Thomanern trennen. Dazwischen lagen erfüllte, aber ungemein fordernde Jahre, zuerst als Thomaner, später als Solist und ab 1992 als 16. Thomaskantor nach Johann Sebastian Bach.

Starke Akzente durch Rückbesinnung auf Bach

Der Pfarrerssohn aus Nebra hatte seine erste musikalische Ausbildung von 1965 bis 1974 als Thomaner erhalten. Als Chorpräfekt sammelte er erste Erfahrungen im Dirigieren. Später studierte er Orchesterdirigieren etwa bei Kurt Masur sowie Gesang an der Leipziger Musik-Hochschule. 1976 gründete er das Leipziger Vocalensemble, als ersten von mehreren Klangkörpern, die er initiierte. Im Jahre 1980 wurde er Chordirektor des Gewandhauses und lehrte unter anderem Kirchenmusik.

Nicht alle seine Interpretationen von Werken mit den Thomanern fanden den Beifall von Fachleuten. Aber hoch anerkannt wurde seine Rückbesinnung auf Bach. Ab 2013 setzte Biller mit dem Auswahlchor der Thomaner neue Akzente durch die Hinwendung zur historischen Aufführungspraxis. Er besetzte die Stimmen drei- bis vierfach und positionierte die Sänger wie zu Bachs Zeiten vor dem Orchester am Geländer der Empore. Das gab den Sängern eine ganz andere Kraft und Hörbarkeit, andere Klangfarben wurden möglich. Zudem ließ er den Chor aus Reproduktionen der originalen Handschriften singen.

"Harte Arbeit mit beglückenden Momenten"

Über seine Zeit mit dem Chor, der mit über 800 Jahren als einer der ältesten in Deutschland gilt, berichtete Biller in dem Buch „Die Jungs vom hohen C“. Darin bezeichnet er seine Kantoren-Jahre als „ein hartes Stück Arbeit. Als Resümee bleibt eine Vielzahl von beglückenden Momenten, die im Rückblick eindeutig überwiegen.“