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Vor Fußball-EM in Leipzig: Polizei probt Terroreinsatz

Sachsens Polizei muss im Sommer bei vier Spielen der Europameisterschaft für Sicherheit sorgen. Die Vorbereitungen dafür laufen auf Hochtouren. Nun wird auch das Vorgehen bei einem möglichen Terrorangriff geübt.

Von Erik-Holm Langhof
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Im Sommer finden im Stadion von RB Leipzig vier EM-Spiele statt. Die Polizei plant mit einem Großeinsatz und zehntausenden Fans.
Im Sommer finden im Stadion von RB Leipzig vier EM-Spiele statt. Die Polizei plant mit einem Großeinsatz und zehntausenden Fans. © SZ-Montage: RB Leipzig / Motivio; Archiv/dpa

Leipzig. Es wird eine der größten Herausforderungen für die sächsische Polizei in den vergangenen Jahren. Im Sommer werden im Leipziger Red-Bull-Stadion vier Spiele der Europameisterschaft ausgetragen. Dafür laufen die Planungen bei den beteiligten Partnern der UEFA bereits seit Wochen auf Hochtouren. Nun probt die Polizei auch einen möglichen Ernstfall.

Über 100 Vertreter von allen deutschen Sicherheitsbehörden, darunter neben Polizeivertretern auch Beamte aus dem Bundesamt für Strahlenschutz, dem Bundesministerium für nukleare Sicherheit und der Bundeswehr, haben sich am Donnerstagvormittag in der Polizeidirektion Leipzig getroffen, um mehrere mögliche Szenarien eines Angriffs zu proben.

"Konkret geht es um eine angenommene radiologische Gefahr für die Europameisterschaft in Leipzig. Der leitende Führungsstab der Polizei, der regelmäßig bei Großeinsätzen zusammenkommt und Entscheidungen trifft, erhält dabei verschiedene Ausgangsszenarien und berät anschließend über einen möglichen Umgang mit der Situation", erklärt Polizeisprecher Olaf Hoppe. "Das heißt, hier geht es rein um fiktive, theoretische Übung der Führungsbeamten, nicht um eine praktische Übung vor Ort mit Statisten."

Im Führungsstab der Polizeidirektion Leipzig wurde am Donnerstag eine Übung zu einer möglichen radiologischen Gefahr durchgeführt.
Im Führungsstab der Polizeidirektion Leipzig wurde am Donnerstag eine Übung zu einer möglichen radiologischen Gefahr durchgeführt. © Erik-Holm Langhof

Zur Entscheidungsfindung stehen dem Führungsstab der Polizei dabei - wie im realen Leben auch - verschiedene Experten und externe Berater zur Verfügung. Ein Instrument ist dabei der "Unterstützungsverbund CBRN", in dem Spezialkräfte des Bundeskriminalamtes, der Bundespolizei und des Bundesamtes für Strahlenschutz arbeiten. Er ist speziell für chemische, biologische, radiologische und nukleare Gefahren gegründet worden.

Die Großübung zwischen Bundes- und Landesbehörden am Donnerstag in Leipzig ist die erste ihrer Art, so Hoppe. "Wir wollen damit auf das Grund-Know-How, das die Polizeibeamten mitbringen, nun noch einmal mit Übungen für solch eine Sonderlage aufbauen." Nicht zuletzt deshalb sind neben den 75 übenden Kräften auch noch einmal mehr als 25 Spezialisten da, die die Probe beobachten und Hinweise geben.

"Grundsätzlich soll die Veranstaltung aber auch dazu dienen, die Kommunikation und Vernetzung unter den einzelnen Behörden weiter zu verstärken, um im Ernstfall sofort den richtigen Ansprechpartner zur Verfügung zu haben", ergänzt der Polizeisprecher.

Einsatzbereit bei Terror-Angriff: SEK-Beamte in Schutzanzug und Atemschutz

Doch nicht nur die Theorie wird an diesem Donnerstag getestet. Auf dem Hinterhof der Polizeidirektion zeigt sich auch das, was im äußersten Notfall zum Einsatz kommt.

In einer Tiefgarage, geschützt vor öffentlichen Blicken, stehen stark bewaffnete und dick gekleidete Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) Sachsen. Sie sind ausgestattet mit speziellen Schutzanzügen und mehrfach gefilterten Atemschutzmasken, ihr Anblick gleicht Schauspielern aus einem Endzeitfilm. Sie kommen dann zum Einsatz, wenn es tatsächlich einen Angriff mit einer chemischen, biologischen oder radioaktiven Substanz gibt.

Gleich daneben steht der Polizeipanzer "Survivor R". Das, nach dem 2017 durch einen Sitzbestickungs-Skandal bekannt gewordene, Fahrzeug dient ebenfalls SEK-Beamten, die damit bei einem möglichen Angriff durch das Katastrophengebiet fahren können. Das stark gepanzerte Fahrzeug ist luftdicht und durch Schutzbelüftung autark mit Sauerstoff ausgestattet. Insassen sollen so vor Kampfstoffen geschützt werden. Zwei Fahrzeuge dieser Art sind im Besitz des Freistaates.

Der Polizeipanzerwagen "Survivor R" der Polizei Sachsen.
Der Polizeipanzerwagen "Survivor R" der Polizei Sachsen. © Erik-Holm Langhof
© Erik-Holm Langhof
Ein Roboter zur Untersuchung von verdächtigen Gegenständen.
Ein Roboter zur Untersuchung von verdächtigen Gegenständen. © Erik-Holm Langhof
Der Staatssekretär des Innenministeriums Frank Pfeil besuchte die Polizeidirektion Leipzig am Donnerstag.
Der Staatssekretär des Innenministeriums Frank Pfeil besuchte die Polizeidirektion Leipzig am Donnerstag. © Erik-Holm Langhof
Zum Einsatz können auch jederzeit die Polizei-Drohnen kommen.
Zum Einsatz können auch jederzeit die Polizei-Drohnen kommen. © Erik-Holm Langhof

"Sie stehen uns grundsätzlich jederzeit zur Verfügung und sind innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit", sagt Polizeisprecher Olaf Hoppe. "Wir hoffen aber natürlich, dass sie nie zum Einsatz kommen müssen." Genauso wie die zwei ausgestellten Roboter, die durch Fernsteuerung beispielsweise Bomben untersuchen und im Zweifel auch manipulieren können.

Erhöhte Gefährdungsstufe bei EM-Spiel Niederlande gegen Frankreich

In Bezug auf die vier anstehenden Fußballspiele in Sachsens größter Stadt gebe es derzeit "absolut keine Hinweise auf eine Gefährdungslage", macht Hoppe deutlich. "Wir gehen von einem friedlichen Verlauf aus. Unser Fokus liegt auf der Trennung jeweils beider Fanlager, den Schutz von unter anderem den Public-Viewing-Plätzen und des Stadions sowie der allgemeinen Sicherheit in der Stadt."

Eine leicht erhöhte Gefährdungsstufe wird derzeit nur für das Spiel zwischen den Kroatien und Italien prognostiziert. Und auch beim Spiel zwischen den Niederlanden und Frankreich erwarte die Polizei mehr als 60.000 Fans, allein 50.000 aus den Niederlanden, sagt der Polizeisprecher. Hinzu kämen weitere zehntausende Menschen, die unabhängig vom Fußball in der Stadt und rund um das Stadion unterwegs sein werden.

Unterstützung für die Bewältigung der EM-Spiele in Leipzig sowie möglicher anderer Versammlungen oder Aufzüge erhalte die sächsische Polizei nach derzeitigen Planungen von Kollegen aus Sachsen-Anhalt und Thüringen. Doch viel mehr Kapazitäten, auch aus anderen Bundesländern, stünden nicht zur Verfügung, so Olaf Hoppe. Denn Leipzig ist nicht der einzige Austragungsort der Europameisterschaft in Deutschland.

Transparenzhinweis: In einer früheren Version schrieben wir von einer erhöhten Gefährdungsstufe beim Spiel Frankreich-Niederlande. Tatsächlich ist die Einschätzung aber beim Spiel Kroatien-Italien gegeben. Der Fehler wurde korrigiert.