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Der rasende Reporter von Meißen: Ein Nachruf

Karsten und Holger Poitz erinnern an den Meißner Stadtreporter Erhard Poitz, der am 22. Mai 100 Jahre alt geworden wäre.

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Um seine Leser zu informieren, auch über das nicht ganz so offensichtlich, war Erhard Poitz viele Jahre als Reporter der Sächsischen Zeitung unterwegs. Am 22. Mai wäre er 100 Jahre alt geworden.
Um seine Leser zu informieren, auch über das nicht ganz so offensichtlich, war Erhard Poitz viele Jahre als Reporter der Sächsischen Zeitung unterwegs. Am 22. Mai wäre er 100 Jahre alt geworden. © privat

Vielen Lesern der Sächsischen Zeitung wird er noch als Stadtreporter und Volkskorrespondent in Erinnerung sein. Jahrzehntelang begleitete er mit seinen interessanten Artikeln die Leser der Sächsischen Zeitung und informierte sie auf unterhaltsame Weise über das Geschehen in der Stadt Meißen.

Dabei war es ihm ein großes Anliegen, auch nebensächlich erscheinende Ereignisse zu erfassen und sie schriftlich für die Leser aufzubereiten, damit sie umfassend über das Geschehen in Meißen informiert wurden. Beispielhaft sollen hier die Berichte über die Umzüge zum Weinfest, die Veranstaltungen und Ausstellungen der Porzellanmanufaktur und die damals sehr beliebten Burgfestspiele erwähnt werden.

Er selbst verstand sich im Sinne von Egon Erwin Kisch als „Rasender Reporter“, der überall unterwegs war und interessante Fakten und Ereignisse sammelte. Dass sein Schreiben großen Erfolg hatte, zeigten die vielen Leserbriefe, die die Lokalredaktion der Sächsischen Zeitung in Meißen erreichten und die das Interesse an seinen Artikeln widerspiegelten.

Freundschaft mit Denkmalpfleger Rühle

Dabei war Erhard Poitz die journalistische Arbeit nicht in die Wiege gelegt worden. Er machte eine Lehre als Schriftsetzer bei der Meißner Papierwarenfabrik C.C. Kurtz. Doch schon kurz nach Ende der Lehrzeit erfolgte die Einberufung zur Wehrmacht. Als er 1948 endlich aus englischer Kriegsgefangenschaft zurückkehrte, arbeitete er zunächst als Neulehrer, bevor er sich mittels Fernstudiums für die Erwachsenenqualifizierung befähigte. 1954 heiratet er die Damenschneidermeisterin Marianne Schultz. Aus dieser Ehe gingen zwei Söhne hervor.

Bis 1958 war er an mehreren Meißner Berufsschulen tätig, danach an der VEB Jutespinnerei, ab 1978 wurde er der Direktor der dortigen Berufsakademie. Sein berufliches Interesse galt immer der Arbeit mit den Menschen und deren Prägung und Entwicklung ihrer Fähigkeiten.

Neben seiner beruflichen Tätigkeit engagierte sich Erhard Poitz besonders im kulturellen Bereich. Als Stadtverordneter war er 19 Jahre als Vorsitzender der Ständigen Kommission für Kultur der Stadt Meißen tätig. Er gehörte der Gruppe von Bildungsbürgern an, die der bekannte Stadtarchivar Helmut Reibig, der 2006 zum Ehrenbürger von Meißen ernannt wurde, unter dem Dach des Kulturbundes versammelt hatte. Die Erhaltung des historischen Meißens lag den Beteiligten sehr am Herzen.

Dieser Kreis von Personen hat maßgeblich den Inhalt des am 17. Juli 1958 verabschiedeten „Beschluss zum Schutze des Meißner Stadtbildes“ geprägt. Er gilt als sehr weitsichtig und wurde auch in der Zeit der großen Stadtsanierung nach 1989 als grundlegende Arbeit gewürdigt. Allerdings wurde die Realisierung dieser Satzung durch die zunehmende wirtschaftliche Schwäche der DDR-Bauwirtschaft immer schwieriger. In diesem Zusammenhang ist auch die Freundschaft von Erhard Poitz mit Philipp Rühle, dem letzten Inhaber des häufig in der Denkmalpflege tätigen Meißner Bauunternehmens Rühle, zu erwähnen.

Redakteur der "Meißner Heimat"

Zu seinen ehrenamtlichen Tätigkeiten gehörte die Mitarbeit im Beirat der Albrechtsburg. Im Zuge der umfangreichen Restaurierungen in den 60er-Jahren gab es drastische Auseinandersetzungen um die spätromantische Historienmalerei in der Albrechtsburg. Zum einen war die Denkmalpflege bestrebt, die ursprüngliche Raumfassung wieder herzustellen, zum anderen passte die Darstellung der geschichtlichen Bedeutung der Wettiner nicht in das sozialistische Selbstverständnis. In diesem Streit setzte sich Erhard Poitz erfolgreich für die Erhaltung der kunsthistorisch wertvollen Gemälde ein.

Im Jahre 1961 brachte die Stadt das Buch „Meißen - Ein Wegweiser durch die tausendjährige Stadt“ in der fünften Auflage heraus. Die erweiterte und neu gestaltete Ausgabe des Buches wurde von Max Großmann, Erhard Poitz, Helmut Reibig und Eugen Schmidt gemeinsam bearbeitet. Die Bilder, des heute noch antiquarisch erhältlichen Bandes, kamen überwiegend von den bekannten Meißner Fotografen Adolf Heckmann und Theo Gust.

Als Mitarbeiter der Redaktion der „Meißner Heimat“, einer bis 1962 monatlich erschienenen Zeitschrift, die von der Bevölkerung sehr geschätzt wurde, berichtete er über heimatgeschichtliche Themen.

Nach 1989 konnte Erhard Poitz dann durch Reisen auch ins westliche Ausland seine kulturellen Kenntnisse erweitern, bevor er krankheitsbedingt zunehmend eingeschränkt wurde. 2002 verstarb er schließlich in seiner geliebten Heimatstadt Meißen.