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Klima-Brennpunkt Kreis Meißen

Trotz der Niederschläge in den vergangenen Wochen müsste es in der Region 300 Liter pro Quadratmeter regnen, um die Grundwasserstände aufzufüllen.

Von Udo Lemke
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Der Regen im Oktober beendete die Niedrigwasserzeit an der Elbe - hier in Kötzschenbroda. Derzeit sinkt der Wasserstand, der zuletzt deutlich über den langjährigen Durchschnittswerten für November gelegen hatte.
Der Regen im Oktober beendete die Niedrigwasserzeit an der Elbe - hier in Kötzschenbroda. Derzeit sinkt der Wasserstand, der zuletzt deutlich über den langjährigen Durchschnittswerten für November gelegen hatte. © Norbert Millauer

Wer würde nicht gern etwas anderes glauben, nach dem teils kräftigen Regen der vergangenen Wochen? Nach ergiebigem Regen, wie wir ihn lange, lange nicht hatten? Doch die Zahlen der wöchentlichen Berichte zur „Situation des Wasserhaushalts im Freistaat Sachsen“, die das Landesumweltamt veröffentlicht, sprechen eine andere Sprache.

Was das Grundwasser betrifft, liest sich das so: „Die Grundwasserstände befinden sich weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau. Am 15. 11. unterschritten ca. 67 Prozent der ausgewerteten 187 Messstellen den monatstypischen Grundwasserstand um durchschnittlich 53 cm.“

Doch dann kommt ein kleiner Lichtblick: „Im November des Vorjahres betrug die Unterschreitung 52 cm an 90 Prozent der ausgewerteten Messstellen.“ Das heißt, dass sich der Grundwasserstand im Laufe des vergangenen Jahres etwas erholt hat.

Grundwasser fällt seit Jahren

Dennoch erklärt die Sprecherin des Landesumweltamtes Karin Bernhardt auf eine SZ-Anfrage: „In Sachsen sind die Grundwasserstände seit 2018 immer weiter abgesunken und liegen vielerorts auf extrem niedrigen Niveau. Die hohen Niederschläge Ende August, Ende September und Mitte Oktober haben nur an wenigen Grundwassermessstellen in Sachsen zu deutlichen Anstiegen geführt. Die ausgeprägte Grundwasserdürre in Sachsen hält weiter an.“

Was den Landkreis Meißen betrifft, so liegen die Grundwasserstände im Durchschnitt einen Meter unter dem vieljährigen Jahresmittelwert. Um im Kreis die Grundwasserstände auszugleichen, wären in den kommenden Wochen Niederschläge von rund 300 Litern pro Quadratmeter notwendig, so Karin Bernhardt.

Schon seit dem letzten großen Hochwasser 2013 seien die Grundwasserstände an fast drei Viertel der Messstellen gefallen, hatte der zuständige Referatsleiter im Landesumweltamt, Peter Börke, in der SZ erklärt. Und was die zu geringe Neubildung des Grundwassers betrifft, so sind nicht nur die hohen Verdunstungswerte im Sommerhalbjahr zu berücksichtigen.

Peter Börke verweist noch auf etwas anderes: Niederschläge im Winter sind besonders wichtig, denn sobald das Pflanzenwachstum im Frühling beginnt, kommt der Niederschlag nicht mehr im Grundwasser an. Kurz: Blätter, Gras und krautige Pflanzen saugen in der Vegetationszeit den Regen fast völlig auf, so dass kaum noch etwas in die grundwasserführenden Schichten im Boden gelangt.

© SZ Grafik

Das alles wäre kein Problem, wenn es nur genug regnen würde, auch im Winter - von schneien kann ja schon fast nicht mehr die Rede sein. Die oben abgebildete Karte zeigt die enormen Regendefizite der vergangenen vier Jahre. Wenn man die klimatische Wasserbilanz zugrunde legt, „zeichnet sich rund um Dresden, insbesondere in den Landkreisen Meißen, Bautzen und Sächsische Schweiz/Ost-Erzgebirge aus atmosphärischer Sicht ein Hotspot ab, wie unser Klimaexperte Dr. Johannes Franke bestätigt“, erklärt Karin Bernhardt.

Im Zentrum dieses Hotspots liegt die Landeshauptstadt Dresden. Dort fehlen seit November 2017 rund 1.000 Liter Niederschlag pro Quadratmeter. Zur Veranschaulichung: Nimmt man für ein Vollbad durchschnittlich 165 Liter an, dann müsste man sechs volle Badewannen auf jeden einzelnen Quadratmeter ausschütten, um dieses Regendefizit auszugleichen. Im Landkreis Meißen wären es immer noch zwischen viereinhalb und fünfeinhalb.

„Wir brauchen zwei nasse, kalte Jahre, damit sich der Grundwasserstand wieder normalisiert“, sagt Landwirt und Landwirtschaftsberater Andreas Wilhelm aus Stauchitz. „Die für die Pflanzen nutzbare Feldkapazität in den oberen zwei Metern des Bodens ist mittlerweile erschöpft.“ Das heißt, dass der Boden teilweise nur noch so wenig Wasser enthält, dass es für die Pflanzen nicht mehr nutzbar ist. Zudem sei auf vielen Feldern die Verbindung von Oberflächenwasser, etwa durch Regen und dem Grundwasser inzwischen quasi abgerissen.

Der Naturschutzverband BUND macht auf ein neues Phänomen aufmerksam. „Sinkende Grundwasserstände können Auen austrocknen und zum Trockenfallen eines Gewässers führen. Damit kehren sich vielerorts die hydraulischen Gradienten um: Statt die Fließgewässer mit vergleichsweise sauberem Grundwasser zu speisen, sickert nun belastetes und erwärmtes Oberflächenwasser ins Grundwasser.“

Trockenheit mit Langzeitgedächtnis

Das enorme Regendefizit der vergangenen Jahre geht noch mit einem anderen Phänomen einher - lokal auftretende Starkregenereignisse. „Die sehr trockenen Jahre 2018 und 2019 waren überwiegend von lokalen Starkregenereignissen geprägt“, so Karin Bernhardt. Das gravierendste war sicher die durch Starkregen ausgelöste Schlammlawine am 27. Mai 2014 im Meißner Triebischtal. Starke Regenfälle hatten Erde von den Feldern mitgerissen, die sich als Schlammflut ins Triebischtal ergoss - Millionenschäden an Straßen und Häusern waren die Folge.

Im Januar hatte das Landesumweltamt erklärt: „Bei der Bodenfeuchte macht sich das Langzeitgedächtnis der Trockenheit besonders bemerkbar. Nur durch überdurchschnittliche Niederschläge im weiteren Verlauf dieses Winters und Frühjahrs 2021 könnte sich auch die Grundwasserneubildung wieder normalisieren.“

Diese Erwartungen haben sich offensichtlich bislang nicht erfüllt. Eine ähnliche Situation, so das Amt, habe es zuletzt Anfang der 1990er Jahre gegeben.