Kornhaus: Bald wieder Teil der Meißner Albrechtsburg?

Meißen. Der Termin steht: Am 4. Juli, 9.35 Uhr, soll am Amtsgericht Dresden eine prominente Adresse unter den Hammer kommen: das Meißner Kornhaus. Das rund 550 Jahre alte Anwesen befindet sich seit 2008 in Besitz der österreichisch-italienischen Venere GmbH und die ist offenbar ihren finanziellen Verpflichtungen gegenüber der Stadt Meißen nicht nachgekommen.
Offiziell gibt die Gläubigerin zu den Gründen, Art und Höhe der Außenstände keine Auskunft. "Datenschutz", heißt es aus dem Rathaus. Allerdings sagte Oberbürgermeister Olaf Raschke neulich gegenüber der Bild-Zeitung, dass die Eigentümer des Kornhauses mit der Grundsteuer in Verzug seien und städtische Rechnungen für Sicherungsarbeiten nicht bezahlt hätten. Das Startgebot liegt bei 370.000 Euro und damit weit unter dem, was in den letzten Jahren auf diversen Immobilienportalen aufgerufen wurde. Ein Gutachten hatte diesen Preis ermittelt.
Wie konnte das nur passieren?
Natürlich ist es aus heutiger Sicht kaum nachvollziehbar, dass ein Gebäude, das Jahrhunderte eine Einheit mit der Albrechtsburg bildete, in private Hände gelangen konnte. "Man muss wissen, dass Meißen im Jahr 2008 so gut wie Pleite war. Die wirtschaftliche Situation der SEEG sah auch nicht besser aus", erinnert sich der ehemalige ULM-Stadtrat und Anwalt Wolfgang Tücks.
Man habe lange Zeit gehofft, dass das Kornhaus in öffentlicher Hand bleiben könne. "Vom Freistaat kam aber nichts", erzählt der Jurist weiter. Stattdessen präsentierten die österreichisch-italienischen Investoren ihre Pläne vom Fünf-Sterne-Hotel auf dem Domplatz. Für 500.000 Euro wechselte das Kornhaus schließlich den Besitzer. Später kam raus, dass man auf eine Rückkaufklausel verzichtet und damit jegliche spätere Einflussnahme aus der Hand gegeben hatte. Warum das geschah, ist nicht klar. Erzählt wird in Meißen u. a., dass damals eine namhafte Hotelkette mit im Boot saß, was eben mächtig Eindruck gemacht haben soll.
Alles nur Spekulationen?
Die folgenden Jahre fragten sich die Meißner, wie ernst die Hotelpläne tatsächlich gemeint waren? Es passierte: nichts. "Ich denke, ohne die Wirtschaftskrise wäre das schon etwas geworden", sagt Tücks. Ein ernsthaftes Investitions-Interesse, zumindest am Anfang, unterstellt auch Jaenette Mahlow vom Verein "Zahnrad & Zylinder". "Es gab konkrete Hotelbaupläne, einen Businessplan und sogar eine Baugenehmigung", erzählt sie. In ihrem Verein gibt es eine kleine Gruppe, die sich für eine Belebung des Kornhauses einsetzt.
Eine Weile hat das auch funktioniert. So war das Haus 2017 mehrmals offen, u. a. auch bei der Langen Nacht 2017. Eine Maklerin setze dem Engagement dann ein jähes Ende. Man verschrecke mit derlei Aktionen potenzielle Investoren, hieß es. Seitdem sagt Jeanette Mahlow wenigstens Bescheid, wenn es reinschneit oder ein Fenster kaputtgeht. Auch als die Kupferrinne geklaut wurde, organisierte sie Ersatz. Wichtig ist ihr, dass das Thema nicht ganz aus dem Fokus der Öffentlichkeit gerät: "Es ist ein unglaublicher Schatz mit sehr viel originalgetreuem Interieur, den wir hier haben."

Was will man damit?
Hotel, Wohnungen, Museum, lokaler Weltkulturerbestützpunkt? Vorschläge zu einer möglichen Nutzung gibt es durchaus. "Die Idee eines Porzellanmuseums geistert schon seit 20 Jahren durch Meißen", sagt Tücks. Er sieht nur einen, der in der Angelegenheit helfen kann: den Freistaat. "Mit der SIB hat das Land Sachsen zudem einen Profi-Sanierer in den eigenen Reihen", so der Jurist weiter. Gleichwohl gibt er zu bedenken, dass die Zeiten aus finanzieller Sicht auch schon mal besser waren als nun nach zwei Jahren Pandemie.
Jeanette Mahlow favorisiert ebenfalls eine öffentliche Nutzung. Sie könnte sich das Kornhaus ganz gut als Multiused-Objekt (viele verschiedene Nutzungsformen unter einem Dach) vorstellen. "Auf jeden Fall eine öffentliche Nutzung", sagt sie. Und die Stadt? "Für uns wäre es die ideale Variante, wenn das Objekt künftig zum Komplex der Albrechtsburg dazugehören würde, auch um weiterhin die öffentliche Zugänglichkeit sicherzustellen", teilt Stadtsprecherin Katharina Reso mit. Gespräche mit dem Land würden ergebnisoffen geführt, insbesondere im Hinblick auf das Jubiläum 2029, heißt es weiter.
Das Gutachten der Immobilienbewertung Palmer kommt zu dem Schluss, dass weder Hotel- noch Wohnnutzung großartig Sinn machen. "Vernünftige Nutzungen solcher Gebäude sind häufig nur mit Zuschüssen und Förderungen zu bewerkstelligen", heißt es in dem Papier.
Zwangsversteigerung soll abgewendet werden
Bis zum 4. Juli sind das alles ohnehin nur Gedankenspiele, denn es ist nicht das erste Mal, dass der Eigentümer angezählt wurde und die Fälligkeiten dann doch noch beglich. FDP-Stadtrat Martin Bahrmann sieht dennoch eine kleine Chance, um ein jahrelanges Ärgernis wieder in Ordnung zu bringen. Wenn es zur Zwangsversteigerung kommt, dann sollte seiner Ansicht nach jemand vom Freistaat mitbieten. Sowohl aus der Landtagsfraktion der CDU als auch der SPD war zu erfahren, dass seitens des Freistaates wohl kein Interesse bestünde, sich in der Sache finanziell zu engagieren. Vielleicht gibt es noch einen anderen Weg?
"Ich bin für alles offen, auch für ein Tauschgeschäft", sagt der Venere-Geschäftsführer Dr. Cesare Geat gegenüber der SZ. Er könne sich vorstellen, das Kornhaus zurückzugeben, wenn man im Gegenzug eine angemessene Fläche, beispielsweise für Wohnbebauung, vom Freistaat bekäme. Dieses Vorgehen, so der Anwalt weiter, sei mit den vier Gesellschaftern abgestimmt. Lange Zeit habe es unter ihnen verschiedene Ansichten über die Zukunft des Kornhauses gegeben. "Das führte dann auch dazu, dass die Immobilie immer wieder über diverse Portale zum Verkauf angeboten wurde", erklärt Dr. Geat.
Inzwischen, so heißt es, habe man einen Konsens gefunden. "Wir wollen eine zeitnahe Lösung herbeiführen, mit der die Stadt, der Freistaat, aber auch wir leben können", erzählt der Innsbrucker Anwalt weiter. Zur Zwangsversteigerung werde es nach seinen Worten aber nicht kommen: "Die offenen Gebühren werden wir begleichen."
Erbaut wurde das Kornhaus zwischen 1471 und 1491 und erhält noch Deckenkonstruktionen und den Dachstuhl aus dieser Zeit. Überlieferungen zufolge diente es als Marstall sowie als Vorrats- und Gästehaus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden im ersten und zweiten Stock Wohnquartiere angelegt. Bis 2008 waren die Wohnungen im Haus teilweise vermietet.