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Kreis Meißen: Warum Gas teurer wird, obwohl der Weltmarktpreis fällt

Jetzt müssen auch die Kunden von Sachsen-Energie mit langfristigen Verträgen rund 40 Prozent mehr bezahlen. Trotz der neuen Preisbremse.

Von Ulf Mallek
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Das Spezialschiff Höegh Esperanza erreicht in der Abendsonne den neuen Anleger für das LNG-Terminal im Jadebusen. Das Gas für die Heizungen auch im Kreis Meißen kommt nicht mehr per Trasse aus Russland, sondern von Schiffen.
Das Spezialschiff Höegh Esperanza erreicht in der Abendsonne den neuen Anleger für das LNG-Terminal im Jadebusen. Das Gas für die Heizungen auch im Kreis Meißen kommt nicht mehr per Trasse aus Russland, sondern von Schiffen. © Hauke-Christian Dittrich/dpa

Meißen. Michael Wagner muss seinem Ärger Luft machen. Er hat einen Brief von Sachsen-Energie erhalten. Darin steht nichts Gutes, vielmehr kündigt der Versorger eine saftige Preiserhöhung ab 1. April an. Betroffen sind alle Kunden mit einem längerfristigen Fix-Vertrag, der jetzt ausläuft. "Die Preise auf dem Energiemarkt bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau und haben sich gegenüber den Vorjahren vervielfacht. Dies führt zu enorm gestiegenen Kosten für den Erdgaseinkauf", schreibt Sachsen-Energie zur Begründung.

Der SZ-Leser bezweifelt das. Vielmehr sind die Preise auf den Weltmärkten gerade auf ein neues Jahrestief gefallen. Laut dem Vergleichsportal Verivox kostet die Kilowattstunde Erdgas aktuell 11,3 Cent für Neukunden. Das ist sogar weniger als zu Beginn des Ukrainekrieges (12,3 Cent), aber deutlich mehr als noch vor zwei Jahren (4,6 Cent). Wie kann das sein?, fragt der SZ-Leser. Tief fallende Weltmarktpreise, aber deutlich steigende Tarife von Sachsen-Energie? Stimmt da etwas nicht?

Kurzfristiger Preissturz ohne Bedeutung?

Es stimmt alles, so Unternehmenssprecherin Viola Martin-Mönnich. Die Preise auf dem Energiemarkt bewegen sich weiterhin auf einem hohen Niveau und haben sich gegenüber den Vorjahren vervielfacht, führt sie aus. Dies führe zu enorm gestiegenen Kosten für den Erdgaseinkauf. Sachsen-Energie kaufe Erdgas langfristig ein. Damit werden kurzfristige Preisschwankungen am Energiemarkt – sowohl nach oben als auch nach unten – ausgeglichen. Bereits im vorletzten Jahr begannen die Erdgaspreise am Energiemarkt merklich anzusteigen und befinden sich auch jetzt noch auf einem sehr hohen Niveau. Dass die Einkaufspreise am Markt mal kurzfristig sinken, habe darauf aktuell keinen Einfluss.

Außer den Kosten für den Einkauf enthalte der Erdgaspreis weitere Kosten, z. B. staatlich veranlasste Umlagen und Abgaben sowie Netzentgelte. Die Bilanzierungsumlage führe seit 1. Oktober 2022 zu erheblichen Mehrkosten. Auch die Netzentgelte seien zum 1. Januar 2023 gestiegen. "Insgesamt bewirken diese Kostensteigerungen, dass wir den Erdgaspreis anpassen müssen", so Frau Martin-Mönnich.

Preisbremse wird automatisch integriert

Tatsächlich steigen die Preise für den Tarif EnsoErdgas.Fix.24 von bislang brutto 8,89 Cent/kWh auf 14,37 Cent/kWh ab 1. April (bis 9.450 kWh/Jahr). Darüber von aktuell 7,46 auf 13,24 Cent/kWh. Das sind zwischen 60 Prozent und 80 Prozent. Der Grundpreis bleibt gleich.

Allerdings mildert die vom Bund beschlossene Gaspreisbremse (sogar rückwirkend zum 1. Januar) den Anstieg ab. Er wird auf 35 bis gut 40 Prozent begrenzt, aber nur für 80 Prozent des Verbrauchs. Die restlichen 20 Prozent müssen in voller Höhe getragen werden. Wie hoch der neue monatliche Abschlag genau ausfallen wird, weiß Sachsen-Energie noch nicht. Man rechne noch, hieß es von der Pressestelle. Und das könne dauern. Wer beispielsweise bisher als kleinere Familie 100 Euro im Monat fürs Gas bezahlen musste, der wird wohl am Ende mit Preisbremse bei vielleicht 140 Euro landen. Schätzungsweise.

Die Gaspreisbremse werde automatisch in die neuen Abschläge integriert. Der Kunde müsse nicht selbst aktiv werden, so Sachsen-Energie. Das Unternehmen empfiehlt noch das Studium dieser Hinweise. Wie viel Kunden solche Fix-Verträge haben, will Sachsen-Energie aus wettbewerbsrechtlichen Gründen nicht bekannt geben.

Bei dieser Gelegenheit schafft die Sachsen-Energie gleich den ganzen Tarif Enso.Erdgas Fix.24 ab. Er heißt jetzt genauso, aber ohne die 24 (was für 24 Monate stand) und läuft künftig ein Jahr lang. Aus Sicht von Verbraucherschützern sind Verträge mit Preisbindung über lange Zeit ohnehin nicht zu empfehlen, weil die Preise am Markt sinken könnten. Die Sachsen-Energie hat rund 110.000 Erdgaskunden in Ostsachsen.

Verbraucherzentrale hilft

Lorenz Bücklein, Energiereferent der Verbraucherzentrale Sachsen, begrüßt die bundeseinheitlichen Bremsen beim Anstieg der Gaspreise. Er weist aber auch noch auf eine Reihe von Informationspflichten hin, die Energieanbieter mit Ablauf des 15. Februar, in jedem Fall jedoch vor dem 1. März 2023, in Textform gegenüber ihren Kunden erfüllen müssen. Dem ist Sachsen-Energie mit den neuen Briefen jetzt nachgekommen.

Verbraucher können sich bei aufkommenden Fragen zu den Informationsschreiben und zu den Preisbremsen, aber auch zu Preisanpassungen oder Energieeinsparpotenzialen an die Beratung der Verbraucherzentrale Sachsen wenden.

Gasnetze sind schon H2-ready

Das Gas auch für den Landkreis Meißen kommt jetzt von großen deutschen und europäischen Energie- und Gasversorgungsunternehmen, mit denen langjährige Lieferbeziehungen bestehen. Seit der Einstellung der Gaslieferungen durch Russland gelangt praktisch nur noch Erdgas aus Norwegen, Belgien und Holland zu uns. Das holländisch-belgische Gas stammt zu einem großen Teil aus den USA und den Golfstaaten. Die Inbetriebnahme der Flüssiggasterminals an Nord- und Ostsee zum Jahreswechsel bewirkte zusätzliche Direktimporte aus Übersee, so Sachsen-Energie. Es gebe in Deutschland ein gut ausgebautes Netz an Fernleitungen, die das Gas in alle Gebiete transportieren.

Der Versorger blickt schon in die Zukunft. Auch für die Industrieunternehmen in der Region sei Wasserstoff (H2) ein relevanter Baustein für die Dekarbonisierung der Produktionsprozesse. SachsenEnergie betreibe und erweitere deshalb leistungsfähige und resiliente Infrastrukturen in der Region Ostsachsen. Die Gasnetze seien sehr gut ausgebaut und zum Großteil H2-ready. Ein wichtiger Handlungsstrang für den Erfolg der Wasserstoffstrategie in Sachsen sei beispielsweise der Wasserstoffverbund im Industriebogen Riesa. Hier soll ein H2-Netz errichtet werden, welches an das European Hydrogen Backbone angeschlossen wird und so auch zeitnah H2-Importe ermöglicht.