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Der Kunstverein Meißen zeigt Zufluchtsorte junger Künstler

Studierende der Kunstgeschichte der TU Dresden kuratierten die zeitgenössische Ausstellung „Refugium“. Sie ist ein Plädoyer für Rücksichtnahme, Selbstbestimmung und Toleranz.

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Neun Studierende der Kunstgeschichte der TU Dresden zeigen in der am Sonnabend eröffneten Ausstellung des Meißner Kunstvereins ihre Zufluchtsorte.
Neun Studierende der Kunstgeschichte der TU Dresden zeigen in der am Sonnabend eröffneten Ausstellung des Meißner Kunstvereins ihre Zufluchtsorte. © Claudia Hübschmann

Von Dieter Hoefer

Meißen. Was sollte Kunst eigentlich alles können? Sie sollen unterhalten, Gefühle erwecken oder Menschen glücklich machen. Oder sich politisch einmischen, auf Defizite in der Gesellschaft aufmerksam machen oder auch Diskussionen auslösen. Und doch kann sie nur so viel bewirken, wie der einzelne Künstler von sich preisgibt und der Betrachter der Kunst bereit ist, dies aufzunehmen. Das Loten derzeit neun junge Künstlerinnen im Kunstverein Meißen aus. Unter dem Titel „Refugium“ zeigen sie ihren persönlichen Zufluchtsort, ihren Schutzraum. Kuratiert haben die Ausstellung 19 Studierende der TU Dresden im Fach Kunstgeschichte. Im Rahmen eines Seminars konnten sie erleben, was alles von der Idee bis zur Ausstellung zu organisieren und zu bewältigen ist. „Das war für uns sehr aufregend, denn praktische Erfahrungen sind für uns ganz wichtig“, so Felicitas Wenzel. Selma Großmann: „Leider gibt es noch zu wenige Galerien, die jungen Leuten eine Chance zur Zusammenarbeit anbieten. Deshalb sind wir froh, dass der Kunstverein nun schon seit vier Jahren dieses Förderprogramm aufgebaut hat.“

Entstanden ist eine Ausstellung, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt. Denn jede Künstlerin hat ihr eigenes Refugium, ihre eigene Herangehensweise an das Thema.

Deborah Gepperts Arbeit „Mixed Media“ zeigt die Natur als Zufluchtsort für die Tierwelt und stellt die (fiktive) Frage in den Raum, wie das Zusammenspiel zwischen Natur und Technik, zwischen Tier und Mensch in einer gemeinsamen Umwelt funktionieren kann. Die Wandprojektion aus diesem Jahr zeigt zumindest das friedliche Nebeneinanderleben von Fuchs und Reh, Wildschwein und Waschbär, Iltis und Dachs. In ihrer Arbeit ist der Mensch außen vor. In der Wirklichkeit ist er doch eher der globale Zerstörer als der Bewahrer.

Den eigenen Körper als Refugium zeigt Hannah Doepke. „Your Selfie is Iconic!“ aus dem Jahr 2022 zeigt eine von fünf Installationen, die sich mit dem nackten Körper beschäftigen. Dabei geht es nicht um modellhafte Idealtypen (jung, weiß, dünn, hetero), wie sie uns überall in sozialen Netzwerken und Medien entgegenkommen oder in der Werbung auftreten. Aus 80 ihr zugesandten Selfies von verschiedensten Personen haben sie ihre Installation und ein dazugehöriges Buch erstellt. Auch als Anregung, über sich selbst nachzudenken, sich selbst zu reflektieren.

„Lisa Maria Baiers Kunst ist weder dekorativ noch unterhaltsam. Sie ist kritisch und provokant.“ So steht es im Ausstellungskatalog, der gemeinsam mit den Studierenden vom Kunstverein herausgegeben wurde. Bereits 2021 wurde ihre Arbeit „Kulisse“ in Görlitz, die auf die in Polen eingeschränkten Abtreibungs- und Frauenrechte aufmerksam gemacht, heftig diskutiert. Mit der hier angekündigten Arbeit „Friedhof der Utopien: Traditionsbewusste Christen für unbegrenzte Migration“ (2023) wendete sie sich direkt an die Leitung des Doms zu Meißen. Doch die wollte die Arbeit nicht zeigen. Wie weit gehen christliche Werte wie Nächstenliebe oder Gleichheit eines Jeden vor Gott? Dass dies nicht in autokratischen Staaten diskutiert wird, kann man sich ja noch vorstellen. Aber in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft? Es wäre schön, wenn der Hochstift zu Meißen mit der Künstlerin doch noch ins Gespräch käme.

Alle neun Künstlerinnen hatten in den letzten zwei Jahren in der Dresdner Neustadt jeweils eine Einzelausstellung mit ihren Arbeiten im Projektraum „BIAS FLINTA* Projekte“. Dass sie sich zum ersten Mal nun gemeinsam im Meißen zeigen, ist ein Novum. Und es ist gelungen.

REFUGIUM mit Anna Lorenzana | Antje Meichsner | Deborah Geppert | Dina Zaitev | Hannah Doepke (mit Yulia Ostheimer) | Li Kirnbauer | Lisa Maria Baier | Mia Heidler | Noemi Durighello, Kunstverein Meißen e.V., Burgstraße 2, Mittwoch bis Sonnabend 11 - 17 Uhr, bis 13. April 2024.