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„Ich mag ganz viele Menschen um mich“

Eine Röhrsdorferin öffnet ihren privaten Hof für Konzerte mit fremden Gästen. Für das Ambiente sorgt ein alter Baum. Doch er ist auch Grund ihres Traumas.

Von Uta Büttner
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Beeindruckend die Kastanie im Garten von Franziska Stejskal im Klipphausener Ortsteil Röhrsdorf. Sie sorgt für das ganz besondere Ambiente, auch bei Live-Konzerten.
Beeindruckend die Kastanie im Garten von Franziska Stejskal im Klipphausener Ortsteil Röhrsdorf. Sie sorgt für das ganz besondere Ambiente, auch bei Live-Konzerten. © Uta Büttner

Klipphausen. Majestätisch thront die alte Kastanie zentral im Garten von Franziska Stejskal in Röhrsdorf. Beeindruckend der Stamm mit rund dreieinhalb Metern Umfang. Riesige Äste der etwa 200 Jahre alten Kastanie überdecken weite Teile des Gartens. Der Baum ist Blickfang und Schattenspender. „Die Leute sind immer begeistert, wenn sie in den Garten kommen“, sagt Franziska Stejskal. Und das sind einige, auch völlig fremde Menschen. Denn die Grundstücksbesitzerin lädt regelmäßig zu Konzerten in ihren privaten Garten ein. Einmal waren 70 Gäste gekommen.

In diesem Jahr trat bereits die Feetz-Band vor ein paar Tagen auf. „20 Leute waren angemeldet, 40 waren da“, erzählt Franziska Stejskal und zeigt auf eine kleine Fläche im Garten. „Dort kann man es noch sehen, die Wiese ist zertanzt.“ Stören würde sie das nicht, „die wächst wieder nach. Ein paar Kompromisse muss man machen“, sagt sie und lacht.

Ein bisschen verrückt klingt das schon, den privaten Garten und auch das eigene Haus für Fremde zu öffnen. „Ich bin ein Philanthrop, Menschenfreund. Ich mag Menschen. Ich mag ganz viele Menschen um mich.“ Deshalb sei die 46-Jährige in der Coronazeit auch ganz unglücklich gewesen. „Ich lerne gerne neue Leute kennen, komme gerne mit fremden Menschen ins Gespräch.“ Ihre Art hilft ihr dabei: offen, herzlich, authentisch. „Ja“, ein Stück Vertrauen gehöre natürlich dazu. Aber, so betont sie, „ich bin noch nie enttäuscht worden.“ Zudem gebe es auch noch Hund Kalle, „der passt auf“, sagt sie lachend. Frei Herumlaufen ließe sie ihn aber nicht. Sie weiß und achtet auch, dass es Menschen gibt, die vor Hunden Angst haben.

Doch die Wahl-Röhrsdorferin liebt nicht nur Menschen. Sie liebt Musik, vor allem Live-Musik. Live könne sie jedes Genre hören. Selbst Schlager, die sie sonst gar nicht mag. Es sei purer Genuss. Die Liebe zur Musik bekam sie in die Wiege gelegt, ihr Vater war Berufsmusiker. Selbst hat sie einst Klavier gelernt, gesungen habe sie schon immer gerne – bis heute, genoss auch eine Gesangsausbildung. Beruflich hat sich Franziska Stejskal allerdings für die Verwaltung interessiert, arbeitet seit 25 Jahren in der Verkehrsbehörde der Stadt Freital. „Die Arbeit ist bis heute nicht langweilig geworden.“

Hilfe für Künstler

Eng verbunden mit der Musik wollte sie gemeinsam mit Sängerin und Kabarettistin Kathy Leen, ebenfalls aus Röhrsdorf, Künstlern in der schwierigen Pandemie-Zeit eine Bühne geben. Als es das erste Mal im Juni 2020 möglich war, startete das Projekt Gartenstuhl-Konzert mit all den Auflagen bei ihr auf dem Hof. „Wir wollten den Künstlern eine Auftrittsmöglichkeit geben. Die Kneipen, als sie öffnen durften, haben nicht als erstes Musiker gebucht, was verständlich ist.“ Eintrittsgelder gab es nicht, „wir haben um eine Spende von 15 Euro für die Musiker gebeten.“

Die Gartenstuhl-Konzerte, bei denen sich jeder einen Stuhl selbst mitbringt, seien sehr gut angekommen. Bei Künstlern und Gästen. „Alle waren begeistert, haben sich jedes Mal sehr wohlgefühlt. Nach so einer Veranstaltung bin ich richtig aufgeräumt, geschafft aber absolut glücklich.“ Während sie erzählt, strahlt Franziska über das ganze Gesicht. Natürlich sei das ganze Organisieren auch mit Stress verbunden, „aber mit positivem Stress. Von einer gelungenen Veranstaltung kann ich jedes Mal noch lange zehren.“

Stejskal: „Wir wollen Menschen zusammenbringen.“

Doch nicht nur bei den Konzerten engagiert sich die Menschenfreundin. Aktiv arbeitet sie auch in der Interessengemeinschaft (IG) Röhrsdorf mit, die sie vor Jahren mit vier anderen ins Leben gerufen hatte. Inzwischen gibt es viel mehr Mitwirkende. Die Grundidee: „Wir wollen etwas in den Dörfern bewegen. Wir haben in Klipphausen 43 Ortsteile, wir wollen die Leute miteinander verbinden.“ So wurde 2018 zum Beispiel ein Weihnachtsmarkt bei ihr im Garten auf die Beine gestellt. 2019 gab es dann den lebendigen Adventskalender, bei dem vom 1. bis 23. Dezember immer an einem anderen Ort der Hausherr seine Pforten zum gemütlichen Beisammensein bei Tee, Glühwein und einer Kleinigkeit zum Essen öffnete. Vereine, Institutionen oder auch Privatpersonen können sich beteiligen. „Dieses Jahr wollen wir das wieder machen“, informiert sie. Doch zunächst stehen noch einige Gartenstuhl-Konzerte im Kalender.

Das Schockerlebnis

Für die besondere Atmosphäre sorgt nicht zuletzt die mächtige Kastanie. Anmutig und beruhigend wirkt sie. Doch mit ihr ist auch ein Trauma verbunden. Fast wäre einst Franziska Stejskals damals acht Monate alte Tochter Elena erschlagen worden, als wegen einer Windhose ein 40 Zentimeter dicker Ast abbrach und in das Fenster einschlug, wo direkt darunter der Säugling Mittagsschlaf hielt. Einer Intuition folgend hatte die Mutter Millisekunden zuvor ihre kleine Tochter aus dem Bett geholt und wollte gerade zur Kinderzimmertür herausgehen, als der Ast mit voller Wucht hereinkrachte. „Es stürmte, Glassplitter flogen durchs Zimmer. Es war völlig verrückt.“ Das ist nun schon 14 Jahre her. „Seitdem lassen wir jedes Jahr von einem Baumgutachter in den Baum gucken.“ Die Angst ist dennoch geblieben, „bei jedem Sturm, bei jedem Gewitter bin ich im Keller, wenn ich allein bin“, erzählt sie.

Informationen zu diesjährigen Konzerten in Röhrsdorf: 10. Juni ab 19 Uhr mit der Brigade Woodstock, 17. Juli mit Corina Liebmann und Band ab 17 Uhr, 30. Juli ab 19 Uhr mit Haesel, (Gartenstuhl-Konzerte bei Familie Stejskal, Pinkowitzer Straße 7, es wird um Anmeldung unter 0174 1986895 oder [email protected] gebeten und Mitbringen eigener Stühle gebeten.) Zudem lädt die IG Röhrsdorf zu zwei sogenannten Hutkonzerten – jeder gibt, was er möchte – ein: 11. Juni ab 19 Uhr mit Pussyfooters bei Familie Drescher, am Regenbach 72 und am 2. September ab 19 Uhr mit Constapella auf dem Buswendeplatz. Weitere Informationen unter www.roehrsdorf.eu