SZ + Meißen
Merken

Vor Gericht in Meißen: Darf man noch mit einem DDR-Führerschein Lkw fahren?

Der Chef eines Fernkraftfahrers steht vor Gericht, da sein Mitarbeiter einen veralteten Führerschein bei sich trug und damit von den Niederlanden bis nach Dresden fahren wollte.

Von Martin Skurt
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Eine alte DDR-Fahrerlaubnis. Die Scheine sind nicht mehr gültig und müssen in die heute üblichen Scheckkarten umgetauscht werden
Eine alte DDR-Fahrerlaubnis. Die Scheine sind nicht mehr gültig und müssen in die heute üblichen Scheckkarten umgetauscht werden © SÄE

Meißen. Es ist Februar 2023. Ein Lkw-Fahrer hält auf dem Rastplatz Waldseite Süd auf der A30 bei Bad Bentheim, kurz nach der niederländischen Grenze. Es war kurz vor 13 Uhr. Sicherlich wollte er noch kurz eine Mittagspause einlegen, bevor er seine Fracht weiter nach Dresden transportierte. Daraus wurde nichts. Denn er geriet in eine Polizeikontrolle. Diese stellte fest, dass er keinen gültigen Führerschein besaß. Sein Chef sitzt nun vor dem Gericht in Meißen. Ihm wird vorgeworfen, dass er seiner Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen ist. Denn der Angeklagte hätte erkennen müssen, dass sein Angestellter keine Berechtigung zum Fahren eines Lkws hatte. Der Führerschein stammte noch aus der DDR.

Jeder Fleischer durfte Lkw fahren

"Er ist noch für mich angestellt, seit 2016", sagt der Angeklagte, der Geschäftsführer eines Nossener Logistikunternehmens ist. Der Richter bittet ihn, den Sachverhalt doch aufzuklären. Der Mann holt weit aus. Seine Angestellten müssten theoretisch alle fünf Jahre ihre Tauglichkeit nachweisen, zum einen fachlich und zum anderen ärztlich. "In der DDR durfte jeder Fleischer mit einem Lkw fahren, daraufhin wurde auch die Schulung eingeführt", sagte er.

Jeder Lkw-Fahrer muss dabei fünf Module abschließen und damit sein Wissen auffrischen. "Dafür opfert er seine Freizeit", sagt der Angeklagte. Auch deshalb: In Sachsen gibt es keinen Bildungsurlaub wie in anderen Bundesländern. Jedenfalls muss der Kraftfahrer nach den bestandenen Modulen zur Führerscheinstelle, um seinen Führerschein neu zu beantragen. "Da geht wieder ein Tag seiner Freizeit drauf und ein weiterer, um diesen abzuholen." Sein Angestellter habe zwar schon einen Lkw-Führerschein, allerdings war seine Zulassung für die gewerbliche Nutzung abgelaufen.

Die Nachweise habe er aber erledigt, denn dafür habe die Firma auch bezahlt. "Das ist für uns selbstverständlich. Auch deshalb, damit wir wissen, sie halten ihre Schulungen aktuell", sagt der Geschäftsführer. "Allerdings hat er es versäumt, seinen Führerschein zu verlängern, ist also nicht zu Führerscheinstelle gegangen." Das sei nicht akzeptabel, da der Fahrer dafür verantwortlich sei.

Durch seine Tat hat der Fahrer eine Abmahnung erhalten. "Er hat sich entschuldigt und ich habe alles bezahlt und mich darum gekümmert, dass er ohne Führerschein nach Hause kommt", sagt der Angeklagte. Daraufhin habe er ihn zügig bei einem Arzt überprüfen lassen. "In der Zwischenzeit habe ich einen zweiten Lkw quer durch Deutschland gejagt, um die Ware abzuholen." Sein Angestellter hat wiederum einen Ersatzführerschein erhalten. "Ich habe ihn wieder rüber gejagt, um den leeren Lkw zu holen." Das Ganze habe ihn einen vierstelligen Betrag gekostet.

Richter: "Nehmen Sie es als Lehrgeld"

"Jetzt fährt er noch bei Ihnen und es läuft", ergänzt der Richter auf die Ausführungen des Angeklagten. Dieser wiederum antwortet: "Ich bin über jeden loyalen und fairen Arbeiter dankbar. Aber er ist eine Schlampe, auf Deutsch gesagt." Das Gericht hat den Kraftfahrer ebenso geladen. Doch dieser ist nicht erschienen, obwohl er laut dem Angeklagten hätte in der Nähe sein müssen. "Wenn er nicht kommt, können Sie ihm die Ohren lang ziehen", scherzt der Richter.

Zwischendurch erwähnt der Angeklagte noch, dass seine Disponentin versagt habe, die eigentlich regelmäßig die Führerscheine überprüfen sollte. Mittlerweile habe er eine neue. Die kontrolliere monatlich. "So eine Sache habe ich nicht nötig", sagt er. Das lässt die Staatsanwältin hervorschnellen. "Was heißt nicht nötig? Beim nächsten Mal wären wir nicht so nachsichtig." Trotzdem stimmt sie der Ansicht des Richters zu, das Verfahren wegen Geringfügigkeit einzustellen. So wurde es auch entschieden. "Es war das erste Mal", begründet der Richter sein Urteil. "Es hat sie auch genug gekostet. Nehmen Sie es als Lehrgeld."