Meißen erwartet Tausende Flüchtlinge aus der Ukraine

Meißen/Moritzburg. Offiziell sind am Montag noch keine ukrainischen Flüchtlinge im Landkreis Meißen gemeldet. Das sagte der Meißner Landrat Ralf Hänsel (CDU) der Sächsischen Zeitung. Allerdings gab es bereits einzelne Ankünfte von Frauen und Kindern mit Unterstützung von privaten Hilfsinitiativen. Bisher leben exakt 189 ukrainische Staatsbürger im Landkreis Meißen. Zumeist Studenten oder Familienangehörige.
„Ich bin beeindruckt von der großen Welle der Hilfsbereitschaft im Landkreis“, so Hänsel. Er will sich am Mittwoch mit seinen Bürgermeistern zur Koordinierung der Hilfsaktionen abstimmen.
Aktuell gibt es 240 freie Plätze in den Asylbewerberheimen von insgesamt 1.800. Allerdings sind selbst die freien Plätze nicht alle sofort belegbar. Gern nimmt der Landkreis Angebote zur Unterbringung entgegen. Möglich wäre sogar die Aufnahme von Flüchtlingen in Hotels oder Kitas und Schulen. Die Kosten werden vom Freistaat übernommen. Flüchtlinge aus Europa erhalten einen temporären Schutz von bis zu drei Jahren und auch Arbeitserlaubnisse.
Zudem prüft Hänsel gemeinsam mit den Elblandkliniken medizinische Hilfe für die Ukraine. „Wir werden vermutlich nicht in erster Linie Schussverletzte aufnehmen können, aber auf jeden Fall medizinische Unterstützung liefern können.“ Hänsel ist bestürzt, dass Krieg mitten in Europa ausgebrochen ist. „Ich habe auch Angst“, sagte er. „Zwölf bis 14 Autostunden von uns entfernt flüchten die Leute von dem Krieg. Das ist unfassbar. Mich macht froh, dass so viele Menschen helfen wollen.“
Ein Beispiel für freie, aber nicht nutzbare Plätze für Flüchtlinge ist die frühere Heimschule Am Knabenberg 5 in Moritzburg. Die Landkreisimmobilie war von Anfang 2016 bis Ende 2017 bereits zur Unterbringung von Asylbewerbern genutzt worden. Der Landkreis hatte die Notunterkunft während des Höhepunktes der Flüchtlingswelle gegen Widerstände in der Gemeinde durchgesetzt. Trotz eines einstimmigen Beschlusses richtete die Behörde das davor längere Zeit leer stehende Gebäude für bis zu maximal 100 Asylbewerber her. Die dafür notwendigen Arbeiten und die Kücheneinrichtung kosteten 880.000 Euro. Ab 2018 stand das Haus dann wieder leer und verfiel erneut. Auch Vandalismusschäden waren unübersehbar.
Trotz dieser Probleme und nach wie vor kritischer Stimmen in Moritzburg folgte im Dezember 2020 schließlich eine Mehrheit von 41 zu 20 Kreisräten bei fünf Enthaltungen dem Antrag der Landkreisverwaltung, erneut eine knappe halbe Million Euro in das Gebäude in Moritzburg zu investieren. Insgesamt 60 Plätze für Geflüchtete sollten so geschaffen werden, davon zwölf barrierefrei.
Getan hat sich nichts
Begründet worden war die Notwendigkeit des Ausbaus neben möglicherweise wieder steigenden Zahlen von Asylbewerbern auch damit, dass 2022 die Mietverträge für rund 60 Wohnungen in einem Block in Riesa auslaufen, der wegen seines schlechten Zustandes anschließend nicht mehr in dieser Weise genutzt werden könne.
Getan hat sich seitdem am Haus Am Knabenberg augenscheinlich aber nichts. Kaputte Fenster sind durch Holzplatten gesichert, ob im Laufe des Jahres weitere Schäden hinzugekommen sind, lässt sich schwer sagen. Im Moritzburger Gemeinderat gibt es immer mal wieder die Frage an den Bürgermeister, wie es denn nun weitergeht. Ein vor Jahresfrist angekündigter Besuch von Manfred Engelhard in dem Gremium fand bisher noch nicht statt.
Die SZ fragte im Landratsamt nach, warum sich bisher nichts getan hat. Manfred Engelhard dazu: „Von der ursprünglich vorgesehenen Sanierung wurde angesichts der zum damaligen Zeitpunkt nicht absehbaren Kostenentwicklung vorerst Abstand genommen.“ Allerdings kostet das Haus den Landkreis auch ohne die beschlossene erneute Sanierung Geld. Allein im vergangenen Jahr waren das nach Auskunft des Landratsamtes Betriebskosten in Höhe von insgesamt 10.000 Euro. In diesen enthalten sind Grundstückspflege und Verkehrssicherung.
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Mit weiteren 15.000 Euro schlagen die Betriebskosten für das frühere Kinderkurheim in Volkersdorf zu Buche. Dieses war sogar für fast 1,4 Millionen Euro als Asylunterkunft hergerichtet worden. Genutzt wurde es nach Fertigstellung aber keinen Tag. Als mögliche Reserve bei steigenden Flüchtlingszahlen wird es vom Landkreis nicht vorgehalten.
Einen deutlichen Zuwachs bei den Zahlen der unterzubringenden Flüchtlinge gab es im vergangenen Jahr übrigens nicht. Die Zahlen der Neuzuweisungen im Landkreis schwankten zwischen sieben Personen im April 2021 und 66 im November. Insgesamt erhöhte sich die Zahl der Asylbewerber von Januar 2021 bis Januar 2022 von 1.204 auf 1.395. Von den 1.771 in Sammelunterkünften und angemieteten Wohnungen für Flüchtlinge und Asylbewerber zur Verfügung stehenden Wohnungen waren somit im Januar noch 376 frei. Manfred Engelhard: „Viele bereits anerkannte Flüchtlinge verbleiben weiterhin in den Übergangseinrichtungen des Landkreises, weil keine adäquaten Wohnungen auf dem Markt zur Verfügung stehen. Aufgrund dieser Ausgangslage ist der Landkreis daran interessiert, zumindest übergangsweise die betreffenden Wohnungen in Riesa weiter nutzen zu können.“
Wie aus einer Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Thomas Kirste an den Landrat hervorgeht, gab es zum Jahresende im Kreis Meißen auch 550 Personen, die vollziehbar ausreisepflichtig waren, weil ihr Asylantrag bestandskräftig abgelehnt wurde und keine sonstigen Aufenthaltsgründe nach dem Aufenthaltsgesetz vorlagen.