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Meißen nach der Wahl: "Im Stadtrat wird es nun wohl härter zugehen"

Die AfD ging bei der Wahl zum Meißner Stadtrat als stärkste Kraft hervor. FDP, Die Linke und die Bürgerinitiative büßten Mandate ein.

Von Harald Daßler & Andre Schramm
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Viel zu tun hatten die Helfer in den Wahllokalen– auf dem Foto im Theater Meißen –  am Sonntagabend. Nachdem die Europawahlen ausgezählt waren, nahmen sie sich die gelben Stimmzettel vor, um die Stadtratswahlen auszuwerten.
Viel zu tun hatten die Helfer in den Wahllokalen– auf dem Foto im Theater Meißen – am Sonntagabend. Nachdem die Europawahlen ausgezählt waren, nahmen sie sich die gelben Stimmzettel vor, um die Stadtratswahlen auszuwerten. © Claudia Hübschmann

Meißen. In den frühen Morgenstunden am Montag war klar, wie sich der neue Stadtrat zusammensetzt. Bis um 5.30 Uhr war Gerd Zickler mit dem Auswerten der Stadtratswahlen beschäftigt. Insgesamt rund 200 Helfer haben die in den 15 Wahl- und sechs Briefwahlbezirken abgegebenen Stimmen ausgezählt, berichtet der Gemeindewahlleiter. Den Helfern gebührt ein herzliches Dankeschön für ihren Einsatz am Wochenende. Sobald die Wahlvorstände ihre Zählergebnisse an den Gemeindewahlvorstand gemeldet hatten, sorgte der dafür, dass sie auf der Anzeigetafel im Großen Ratssaal des Rathauses sowie im Internet-Auftritt der Stadt öffentlich wurden.

Am Dienstag kommen die Mitglieder des Gemeindewahlausschusses zusammen, um das vorläufige Ergebnis der Stadtratswahl vom 9. Juni 2024 für amtlich zu erklären. Wie beurteilen die Parteien und Vereinigungen, die sich zur Wahl stellten, die Ergebnisse der Kommunalwahl – die Lokalredaktion hat sich in der Stadt umgehört.

Holger Schmidt (CDU) konnte innerhalb seiner Partei die meisten Stimmen (1.391) auf sich vereinen. "Ich bin zunächst erst einmal dankbar, dass viele Meißner die Arbeit der CDU in den vergangenen Jahren gewürdigt haben", sagte er am Montag. Allerdings hatte man sich bei der CDU (4 Mandate) ein bis zwei Sitze mehr ausgemalt. Im Hinblick auf das starke Abschneiden der AfD, hegt Schmidt die Hoffnung, dass es unter der neuen AfD-Spitze konstruktiver wird. "Wenn das nicht passiert, wird es sehr anstrengend", so Schmidt weiter. Mit den bisherigen Räten der AfD, so schob er hinterher, sei in der Vergangenheit kein gutes Arbeiten möglich gewesen. Die Kandidaten der Christdemokraten verbrachten den Wahlabend im Meißner Rathaus. Gegen 1 Uhr gingen die letzten heim.

Einzelkämpfer bei SPD und Linken

"Ich sehe das Wahlergebnis mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagte Daniel Bahrmann (SPD), der den Wiedereinzug ins Stadtparlament geschafft hat. Der Zuwachs der AfD-Mandate gibt ihm aber zu denken. "Es ist zwar keine Katastrophe, allerdings gehe ich davon aus, dass es künftig im Stadtrat härter zugehen wird als bisher. Umso mehr wird es darauf ankommen, wie sich die konservativen Kräfte gegenüber der AfD positionieren werden", sagte er. Ihm persönlich sei es wichtig, eine klare Haltung zu zeigen. "Ich denke, das haben meine Wähler auch honoriert", so der SPD-Mann weiter. Die Sozialdemokraten hatten den Wahlabend an den Roten Stufen verbracht. Es wurde u.a. gegrillt.

Die FDP hat einen Sitz eingebüßt, und zwar den von Uwe Köhler. "Es tut mir furchtbar leid für Uwe", sagte Martin Bahrmann, dem am Montag die Enttäuschung deutlich anzumerken war. Mit 933 Stimmen sitzt er künftig allein für die FDP im Stadtrat. "Ich gehe fest davon aus, dass wir hier in Meißen für Berliner Politik bestraft worden sind", so Bahrmann weiter. Mehr wollte er nicht erzählen. Er müsse sich die nächsten Tage erst einmal sortieren. Sowohl Uwe Köhler als auch Martin Bahrmann werden im Kreistag vertreten sein. Am Wahlabend waren die Liberalen in ihrem Büro in der Gerbergasse bzw. im Meißner Rathaus zugegen gewesen.

Die Linke wird im Meißner Stadtrat künftig mit zwei Sitzen weniger auskommen müssen. Die meisten Stimmen konnte Cornelia Schubert (862) holen. "Ich freue mich für das entgegengebrachte Vertrauen", sagte sie. Schade sei jedoch, dass sie künftig ganz allein für die Linke im Meißner Stadtrat sitzen werde. "Für Meißen wurde bisher sehr viel erreicht. Daran gilt es anzuknüpfen. Mir ist wichtig, dass die Randgebiete der Stadt nicht aus dem Fokus geraten", sagte Schubert. Sie arbeitet als Betreuerin in der Altenpflege.

Das sind Meißens neue Stadträte:

AfD: René Jurisch, Mario Aßmann, Jana Witschetzky, Roland Vogel, Hartmut Künzel, Petra Stoll, Stefan Eck-Elbert, Lutz Ziera, Oliver Eggert

BI: Heiko Schulze, Jürgen Hampf, Ute Czeschka, Helge Landmann

CDU: Holger Schmidt, Heike Zimmer, Nico Riefling, Uwe Reichel

U.L.M.: Oliver Morof, Holger Metzig, Karsten Müller, Sebastian Riedel

Freie Bürger: Simone Teske, Alexander Rost

Die Linke: Cornelia Schubert

FDP: Martin Bahrmann

SPD: Daniel Bahrmann

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Das sagt die AfD zum Wahlerfolg

Stärkste Kraft im Meißner Stadtrat (32,2 Prozent, künftig 9 Sitze, bisher: 5) wurde die AfD. Bauunternehmer René Jurisch, der als parteiloser Kandidat auf der Liste der AfD antrat, konnte 3.285 Stimmen, und damit die meisten Stimmen überhaupt, auf sich vereinen – aus dem Stand. Davon erfahren hat er erst am Montagmorgen. Zuvor war er im Motorradurlaub in Tschechien gewesen.

"Ich bin aus allen Wolken gefallen", gab Jurisch gegenüber der SZ zu. Warum er so gut abgeschnitten habe? "Ich denke, der Trend geht dahin, dass die Wähler jemandem das Vertrauen schenken, der noch nicht verbraucht ist, vielleicht auch andere Ansichten vertritt", so Jurisch. Er habe in den letzten Jahren viele Gespräche mit Meißnern geführt und ihnen stets zugehört. "Möglicherweise war auch das ein Grund gewesen", so Jurisch.

Vonseiten der AfD wolle man im Sinne der Bürgerschaft mit anderen Fraktionen zusammenarbeiten, hieß es weiter. "Ich denke die Chancen dafür stehen gut, wir kennen uns alle fraktionsübergreifend", so Jurisch, der seit 1985 in Meißen lebt. Neben mehr Bürgernähe in der Stadt setzt er auf "positiven Streit". "Diskurs ist wichtig, um voranzukommen. Dazu gehört nicht nur eine vernünftige Streitkultur, sondern auch die Fähigkeit, zu akzeptieren, wenn die besseren Ideen von anderen kommen. Unter dem Strich muss das Resultat für den Bürger stimmen", so der Stadtrat in spe.

Erste Sitzung am 28. August

Der Meißner Apotheker Dr. Oliver Morof, der für die Unabhängige Liste Meißen (U.L.M.) antrat, freut sich über den Stimmenzuwachs für seine Kandidatur. Mit 1.545 konnte er sein Wahlergebnis von 2019 (931) deutlich verbessern. Insgesamt konnte die Wählervereinigung ihr Ergebnis steigern, was der U.L.M. aber keine zusätzlichen Sitze bescherte. Im neuen Stadtrat verfügt die Vereinigung wieder über vier Sitze. Angesichts des Abschneidens der AfD bei der Kommunalwahl werde es im neuen Stadtrat darauf ankommen, eine breite bürgerliche Mehrheit zu bilden. Möglich sei dies in einer gemeinsamen Fraktion. Weil sich das auf die Besetzung der Fachausschüsse und Aufsichtsräte der städtischen Unternehmen auswirkt, müsse nun zügig sondiert und entschieden werden, mit wem die vier Stadträte der neuen U.L.M.-Fraktion zusammengehen.

Die Initiative „Bürger für Meißen – Meißen kann mehr“ entsendet vier ihrer Mitglieder in den neuen Stadtrat. Damit verfügt die Bürgerinitiative im neuen Stadtrat über einen Sitz weniger. Jürgen Hampf, der 715 Stimmen auf sich vereinen konnte (2019: 874), sieht im Wahlergebnis ein wesentliches Ziel der BI erreicht: „Wir sind im neuen Stadtrat wieder in Fraktionsstärke vertreten“, so der Meißner Allgemeinmediziner. Dass die AfD auf neun Sitze kommt und damit die zahlenmäßig stärkste Fraktion im neuen Stadtrat bildet, nennt er „eine Herausforderung“. Umso wichtiger ist es jetzt, zu schauen, mit welchen der im Stadtrat vertretenen Parteien und Wählervereinigungen es Schnittmengen für eine Zusammenarbeit gibt. Er könne sich vorstellen, die Zusammenarbeit mit der SPD fortzusetzen.

100 Stimmen mehr als bei den Stadtratswahlen vor fünf Jahren konnten die Kandidaten der Freien Bürger – Bürger für Meißen erzielen. Nach den Auszählungsergebnissen werden Simone Teske (691 Stimmen) und Alexander Rost (445 Stimmen) auch dem neuen Stadtrat angehören. Damit kann die Wählervereinigung eine eigene Fraktion bilden – das ist eine wichtige Voraussetzung, um Stadträte der Freien Bürger in die Ausschüsse und Aufsichtsräte zu entsenden. Die Stimmengewinne für die AfD auch im Meißner Kommunalparlament seien eine „Abstrafung für die große Politik“, sagt Simone Teske, die sich in Meißen vor allem für die Wiederbelebung des Freibades in Bohnitzsch engagiert hat.

Die konstituierende Sitzung für den neuen Stadtrat wird voraussichtlich am 28. August stattfinden. In dieser Sitzung werden in der Regel auch schon die Ausschüsse und Aufsichtsräte besetzt. Die Wahlbeteiligung in Meißen lag bei 60,5 Prozent (2019: 54 Prozent).