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Kreis Meißen: Ukrainische Schüler lernen mit der Maus

Die schnelle Integration der Neuankömmlinge ist erklärtes Ziel, aber auch eine logistische Herausforderung. Es gibt ein großes Hindernis.

Von Ines Mallek-Klein & Andre Schramm
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Piktogramme sollen ukrainischen Grundschülern über die ersten Sprachbarrieren hinweghelfen.
Piktogramme sollen ukrainischen Grundschülern über die ersten Sprachbarrieren hinweghelfen. © Claudia Hübschmann

Meißen. Improvisieren heißt es gegenwärtig in der Pestalozzi-Oberschule Meißen. Seit Montag lernen hier 15 ukrainische Jungs und Mädchen im Alter von zehn bis zwölf Jahren. Wobei Lernen im eigentlichen Sinn derzeit noch übertrieben ist. "Montag und Dienstag ging es erst einmal darum, sich kennenzulernen", sagt Schulleiter André Pohlenz.

Dass man über die Zuweisung schon etwas überrascht war, erzählt er auch. Die Pestalozzischule sei nicht gerade dafür bekannt, über große räumliche und personelle Reserven zu verfügen. "Wir mussten deshalb vorübergehend unsere zwei DaZ-Klassen zusammenlegen", erzählt er. Das bedeutet, dass gegenwärtig die fünfte bis zehnte Klassenstufe mit Deutsch als Zweitsprache gemeinsam lernt. Optimal sei das nicht. Die freigewordene DaZ-Klasse ist nun für die ukrainischen Schüler und Schülerinnen vorgesehen. In der Oberschule geht man davon aus, dass demnächst alle 23 Plätze mit ukrainischen Schülern belegt sein werden.

Die sprachliche Barriere, so viel ist nach den ersten Tagen bereits klar, sei eine große Herausforderung. In der Pesta hilft momentan eine ehrenamtliche Fremdenführerin beim Übersetzen – solange bis die Schule eben offiziell eine Dolmetscherin bekommt. Versicherungstechnisch ist das nicht ganz sauber, aber gegenwärtig alternativlos. "In den nächsten Monaten wird es darum gehen, das Schreiben und Lesen der lateinischen Schrift zu erlernen", sagt Pohlenz. Er hofft, dass die bevorstehende Herausforderung auf möglichst breite Schultern verteilt wird, auch Schulen anderer Gemeinden ihren Beitrag leisten. "Wir werden jedenfalls unser Bestes geben, auch wenn es gerade sehr anstrengend ist, einen reibungslosen Schulbetrieb zu organisieren", so der Schulleiter abschließend.

An der Freien Werkschule, der St. Afra Grundschule sowie der Arita- und der Questenberg-Grundschule gibt es derzeit keine Schüler und Schülerinnen aus der Ukraine. Die Johannesschule hingegen zählt gegenwärtig drei Schüler(innen) aus dem kriegsgebeutelten Land.

Eine konkrete Zahl, wie viele Schüler aus der Ukraine schon jetzt an sächsischen Schulen lernen, muss das Landesamt für Schule und Bildung schuldig bleiben. Fest steht, es werden jeden Tag mehr. Und Roman Schulz, Sprecher des Amtes erklärt: "Wir haben uns zunächst um die tatsächliche Vermittlung gekümmert, die Statistik folgt später". Das sächsische Kultusministerium spricht von derzeit 799 Schülern in Sachsen, die an öffentlichen Schulen lernen, weitere 322 Schüler werden an Bildungseinrichtungen in freier Trägerschaft unterrichtet. Eine Sprecherin verwies jedoch darauf, dass diese Zahlen aufgrund des dynamischen Prozesses der realen Entwicklung immer hinterherlaufen.

Am 25. März 2022 hat das Landesamt eine Anmeldeformular online gestellt. Zwei DIN-A4-Seiten reichen aus, um ein ukrainisches Flüchtlingskind für einen Schulbesuch anzumelden. "Wir möchten es den Eltern so einfach wie möglich machen und wissen dabei sehr wohl, dass bei einer Flucht auch nicht alle Unterlagen vollständig sein können", so Roman Schulz.

Parallel wurden die rund 1.400 Schulen im Freistaat, auch alle im Landkreis Meißen, abgefragt, in welchen Klassen es freie Kapazitäten gibt. Ein elektronisches System wertet dann die Anmeldungen aus und weist den ukrainischen Kindern und Jugendlichen eine möglichst unterkunftsnahe Schule zu. Genau hier beginnt aber auch die Crux, denn viele der Flüchtlinge aus dem Kriegsgebiet sind in größeren Städten wie Dresden oder Leipzig untergekommen. Genau hier ist die Zahl der freien Plätze in den Klassen aber besonders knapp.

Eine besondere Herausforderung ist die Sprachbarriere. Der Freistaat Sachsen hat sich entschlossen, 200 Lehrer und Pädagogen aus der Ukraine einzustellen. Gut 60 dieser Stellen sollen nach Informationen von saechsische.de bereits besetzt sein. Eine weitere Aufstockung ist denkbar, denn der Freistaat rechnet, ohne konkrete Zahlen vorhersagen zu können, bis zum Sommer mit weit mehr Flüchtlingskindern, die potenziell einen Antrag auf Beschulung stellen könnten.

Aufgrund dieser Größenordnung sind eigene Schulklassen denkbar, sagt Roman Schulz. Derzeit wird versucht, viele der Kinder in sogenannten DaZ-Klassen unterzubringen, in denen Deutsch als Zweitsprache gelehrt wird. Bis zu 560 dieser Klassen gab es nach der Flüchtlingswelle 2015 und 2016. Die Schüler lernen in einem dreistufigen Verfahren. Zunächst werden sie in Deutsch unterrichtet, dann folgt eine Teilintegration in Fächern wie Sport oder Musik. "Dort gibt es verhältnismäßig wenig Sprachbarrieren", sagt Roman Schulz. Ziel sei aber, die Schüler in der dritten Phase für die Integration in das deutsche Schulsystem fit zu machen.

Wie sinnvoll dieser Prozess ist, wird aktuell diskutiert. Und auch das Ministerium räumt ein, dass die reine DaZ-Lehre an ihre Grenzen komme und man Alternativen suche. Priorität habe, jedem Kind, das das möchte, einen Schulbesuch zu ermöglichen. Wie der Unterricht dann umgesetzt werde, orientiere sich an den Gegebenheiten vor Ort und den Sprachkenntnissen der Kinder.