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Wie eine Nossener Schildkröte zur Sozia auf dem Motorrad wurde

Paula lebt seit 44 Jahren bei Katrin Fölck. Die kaukasische Landschildkröte ist schon öfter ausgebüxt. Ihre letzte Reise ist aber geradezu filmreif.

Von Ines Mallek-Klein
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In dem Topcase des Motorrades fuhr Paula von Nossen nach Halle. Ihr Retter hatte sie am Pfingstmontag von der Bundesstraße 101 gesammelt und so vor dem sicheren Tod bewahrt.
In dem Topcase des Motorrades fuhr Paula von Nossen nach Halle. Ihr Retter hatte sie am Pfingstmontag von der Bundesstraße 101 gesammelt und so vor dem sicheren Tod bewahrt. © privat

Nossen. Es ist Sonntag, der 21. Mai, ein warmer Tag und Paula bereit auf Entdeckungstour zu gehen. In Windeseile gräbt sich die kaukasische Landschildkröte aus ihrem Freigehege, das im Garten von Katrin Fölck steht. Hier lebt sie schon seit 44 Jahren, ist aber mutmaßlich viel älter. "Das Tier hat dem Arbeitskollegen meines Vaters gehört. Er hielt Paula auf seinem Balkon und suchte irgendwann ein neues Zuhause für das Tier", erinnert sich Katrin Fölck. Sie war damals 14 und freute sich über den Familienzuwachs.

Mittlerweile ist Paula eine Instanz im Hause Fölck. Sie liebt die gelben Löwenzahnblüten und die Blätter vom Eisbergsalat, lässt sich regelmäßig mit einem handwarmen Bad verwöhnen und genießt das Nossener Landleben. Nur manchmal treibt sie das Fernweh, so wie an jenem Sonntag. Paula war weg, nicht zum ersten Mal, wie Katrin Fölck erzählt. Sie wurde schon von Nachbars Hund unter den Beerensträuchern aufgespürt, kam bei der Kartoffelernte auf dem Förderband zum Vorschein und wurde von einem Motorradfahrer, der auf dem Weg zu Arbeit war, von der Straße gesammelt.

Paula gehört seit 44 Jahren zum Leben von Katrin Fölck. Sie ist schon mehr als einmal ausgebüxt, doch so lange wie dieses Mal war sie noch nie weg.
Paula gehört seit 44 Jahren zum Leben von Katrin Fölck. Sie ist schon mehr als einmal ausgebüxt, doch so lange wie dieses Mal war sie noch nie weg. © privat

Störrische Schildkröte

Paula hatte Glück. Immer, so auch dieses Mal. Ihr Retter kam wieder auf zwei Rädern. Es war Frank Häusler. Der Polizist aus Halle war am Pfingstsonntag auf der Bundesstraße 101 unterwegs, auf dem Heimweg von einem Ausflug. Zwischen Katzenberg und Wendischbora wunderte er sich, dass die vorausfahrenden Autos einen Bogen auf der Straße machten. Er kam näher und entdeckte schließlich den Grund. Paula überquerte in aller Seelenruhe gerade die Straße. Frank Häusler wusste, hinter ihm sind ein Lkw und ein Wohnmobil unterwegs. Das hätte vermutlich den sicheren Tod für das Tier bedeutet. Er hielt also an, sicherte professionell die Fahrbahn und hob das Tier auf. Im Gras, weit genug weg von der Straße, wollte er Paula absetzen. Doch die machte sich direkt wieder auf den Weg in Richtung Bundesstraße.

Wenn die Temperaturen steigen, packt Paula regelmäßig das Fernweh. Dabei durfte sie viele Jahre lang sogar mit in die Schule. Katrin Fölcks Mutter war Lehrerin und Paula half als lebendes Anschauungsobjekt bei der Wissensvermittlung.
Wenn die Temperaturen steigen, packt Paula regelmäßig das Fernweh. Dabei durfte sie viele Jahre lang sogar mit in die Schule. Katrin Fölcks Mutter war Lehrerin und Paula half als lebendes Anschauungsobjekt bei der Wissensvermittlung. © privat

Abenteuerlust gestillt

Frank Häusler überlegte kurz - was sollte er tun an dem Feiertag? Er sammelte dann Gras, etwas Blattgrün und verstaute das mitsamt der Schildkröte in seinem Topcase auf dem Gepäckträger seines Motorrades. Über die Autobahn fuhr er zurück nach Halle, nicht ohne unterwegs immer wieder anzuhalten, um zu schauen, ob es der Schildkröte gut ginge und sie genügend Luft bekäme. Zu Hause angekommen, freute sich die Tochter über das Mitbringsel. Doch Frank Häusler entschied, Paula vorübergehend ins Tierheim zu geben. Parallel informierte er das Nossener Ordnungsamt über seinen Fund. Und dort, im Rathaus, arbeitet eine Nachbarin von Katrin Fölck, die von der verschwundenen Schildkröte wusste. Schnell war klar, bei dem gefundenen Tier konnte es sich nur um Paula handeln.

Am Montag dieser Woche fuhrt Katrin Fölck schließlich nach Halle. Sie holte Paula aus dem Tierheim ab, besuchte deren Retter Zuhause und bedankte sich. Die Rückreise nach Nossen fand dann in einer mit frischem Grün gepolsterten Salatschüssel im Auto statt. Paula hatte erkennbar wenig Freude. "Man merkte ihr an, dass sie ihre Bewegungsfreiheit vermisste. Sie war sehr unruhig während der gesamten Fahrt", so Katrin Fölck. Doch Zuhause wartete das inzwischen reparierte Freigehege auf sie. Zum Abendbrot gab es natürlich Löwenzahnblüten - und ein ausgiebiges Bad. Katrin Fölck ist überglücklich, dass Paula wieder Zuhause ist und sie hofft, dass dieser Ausflug ihre Abenteuerlust erst einmal gestillt hat.