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Wirtschaftstag im Landkreis Meißen: Kai Gondlach ermutigt zum Aufhören

Am 7. Juni findet in Weinböhla der 11. Wirtschaftstag der Region statt. Im Vorfeld interviewten die Veranstalter den Referenten Kai Gondlach.

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Kai Gondlach ist einer der beiden geladenen Referenten zum 11. Wirtschaftstag im Landkreis Meißen.
Kai Gondlach ist einer der beiden geladenen Referenten zum 11. Wirtschaftstag im Landkreis Meißen. © Kai Gondlach

Weinböhla. Unternehmer und Kommunenvertreter haben am 7. Juni beim Wirtschaftstag im Landkreis Meißen zum elften Mal die Gelegenheit, sich zu wirtschaftlichen Entwicklungen und regionalen Neuigkeiten auszutauschen. Das Thema der diesjährigen Veranstaltung sei „Zukunftsfähigkeit durch Innovation“, wie aus einer Pressemitteilung der Wirtschaftsförderung Region Meißen hervorgeht, die die Veranstaltung gemeinsam mit der Riesaer Geschäftsstelle der Industrie- und Handelskammer Dresden trägt. Der Wirtschaftstag findet im Weinböhlaer Zentralgasthof statt.

Vor diesem zukunftsorientierten Hintergrund konnte man auch zwei Referenten gewinnen: Oliver Hanns, Vertreter des Innnovationsnetzwerkes Futuresax, sowie den Leipziger Zukunfts- und Trendforscher Kai Gondlach. Gondlach stand der Sächsischen Zeitung bereits im April Rede und Antwort, als es um die Zukunft des Landkreises Meißen ging. Im Vorfeld des Wirtschaftstages interviewte die Wirtschaftsförderung ihn zum Innovationsbewusstsein für die Region.

Wo fängt Ihrer Meinung nach Innovation an? Wodurch zeigt sich innovatives Denken und Handeln? Was sind die Voraussetzungen dafür?

Innovation fängt da an, wo ich Bestehendes hinterfrage und die – manchmal unbequemen Antworten – dann auch zulasse. Letztlich geht es vor allem darum, diesen neuen Ideen dann auch durch geeignete Maßnahmen den entsprechenden Raum zu geben.

Konkret: Die Unternehmenskultur muss Einwände und Bedenken ernst nehmen, auch, oder gerade, wenn sie den Kern des Geschäftsmodells betreffen. Natürlich muss aber auch das nötige Kleingeld vorhanden sein, um beispielsweise ergonomische Büromöbel oder meinetwegen einen Tischkicker im Pausenraum anzuschaffen, oder sogar in komplett neue Produktionsverfahren wie 3D-Druck oder eine Cloud-Infrastruktur zu investieren. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg – die öffentlichen Fördermittel liegen fast auf der Straße, auch private Investoren und Business Angels bieten eine tolle Möglichkeit, in die Modernisierung der Infrastruktur oder die Neuausrichtung zu investieren.

Wie können sich Unternehmen in eher ländlichen Strukturgebieten attraktiver für potenzielle Arbeitnehmer am Arbeitsmarkt machen?

Ich bin ein großer Fan ehrlicher und transparenter Kommunikation. Ländlichere Gebiete können in manchen Facetten vielleicht nicht mit den Ballungsgebieten mithalten, doch sie haben auch Vorzüge, die umgekehrt in Großstädten fehlen: mehr Natur, weniger Lärm und mehr Distanz zum Nachbarn. Man kennt sich, man hilft sich, man identifiziert sich mit der Region.

Für Arbeitgeber in industrie- und handwerksnahen Bereichen ist es natürlich schwierig bis unmöglich, Homeoffice für die Angestellten anzubieten – da sollte eher der Hinweis auf den Zusammenhalt in der Belegschaft vor Ort oder eine gute Unternehmenskultur eintreten. Es wird auch in 100 Jahren noch Menschen geben, die lieber "auf dem Land" leben und arbeiten – doch die nutzen auch Online-Suchmaschinen und -Stellenbörsen sowie Social Media, also muss ich dort als Arbeitgebermarke sichtbar sein.

Im Kern jeder Kommunikation steht indes der übergreifende Unternehmens- oder Markenzweck, der oft als erster Schritt herausgearbeitet wird. Dafür braucht es dann auch eine sehr stabile Unternehmenskultur, die wiederum attraktiv auf die Fachkräfte wirken kann. Und dann muss ich noch herausfinden, wo denn diese Fachkräfte jetzt gerade sind, wie ich sie am besten anspreche, gewinne und schließlich, wie ich sie an mich binde.

Was würden Sie einem kleinen oder mittelständischen Unternehmer empfehlen, der jeden Tag 16 Stunden arbeiten muss, um seine Existenz zu sichern, dem schlicht die zeitlichen und finanziellen Kapazitäten fehlen, um für sich und sein Team innovativen Raum zu schaffen? Gibt es Möglichkeiten zur Unterstützung für diese Unternehmen?

Wenn wir von denen ausgehen, die als Getriebene keine andere Wahl sehen, sage ich ganz deutlich: Hört auf.

Wenn es offensichtlich keine Bereitschaft in der Kundschaft gibt, höhere Preise zu bezahlen und einen entspannteren Lebensstil zu ermöglichen, der nicht auf Selbstausbeutung und Raubbau am eigenen Körper und Geist basiert, sollte lieber früher als später die Reißleine gezogen werden. Es hat ja niemand etwas davon, wenn dann endlich die Rente kommt und kurz darauf der Herzinfarkt.

Die sozialen Netze und vorübergehende Arbeitslosigkeit sind sicherlich nicht perfekt, doch sie geben Raum für eine Neuorientierung. Viele Unternehmen haben sich auch schlicht verrannt und den Anschluss verloren, gleichzeitig findet in der Gesellschaft ein Umdenken statt und es wird nicht mehr als negative Eigenschaft gesehen, wenn ein Unternehmer oder eine Unternehmerin "gescheitert" ist. Es wird viel mehr als positiv und bewundernswert empfunden, wenn jemand nach einer Unternehmenspleite den Neustart schafft - ob nun selbstständig oder angestellt. Es gab wohl nie eine bessere Situation, um als Quereinsteiger den Neuanfang zu starten, denn alle Unternehmen suchen qualifiziertes Personal. Auch für Existenzgründungen steht wahnsinnig viel Kapital zur Verfügung - man muss sich nur sehr genau an die Vorgaben der Geldgeber halten. (SZ)