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Der 90-jährige Makler

In wenigen Tagen feiert Hans-Dieter Freudenberg Geburtstag. Für den Dresdner kein Grund, um in Rente zu gehen.

Von Henry Berndt
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Hans-Dieter Freudenberg wird im März 90 Jahre alt und leitet noch immer sein Maklerbüro.
Hans-Dieter Freudenberg wird im März 90 Jahre alt und leitet noch immer sein Maklerbüro. © (c) Christian Juppe

Jetzt wollte er es wissen. Jetzt wollte er seinem Papa endlich beweisen, dass er bereit war, die Geschäfte zu übernehmen. Hans-Dieter Freudenberg war 60 Jahre alt, als er 1990 das Maklerbüro von seinem 92-jährigen Vater übernahm. Das spricht für gute Gene – und für besondere Umstände. Vielleicht wäre es schon zwei, drei Jahre früher zu dem Wechsel gekommen, wäre in der DDR die Makler-Lizenz nicht an die Person des Seniors, Erich Freudenburg, gebunden gewesen. Makelei war schließlich Sache des Staates. „Man hoffte wohl, dass sich das Problem biologisch löst“, sagt Hans-Dieter Freudenberg, „aber diesen Gefallen haben wir denen nicht getan.“

Es ist ziemlich selten, dass ein 1925 gegründetes Unternehmen bis heute mit nur zwei Chefs ausgekommen ist. Im Dritten Reich hisste der Senior nicht die richtige Fahne und stand unter Beobachtung. In DDR ließ sich die Firma nicht einfach ins sozialistische System eingliedern. In Zeiten privater Annoncen wie „Biete Einfamilienhaus, suche Wartburg“ war die Makelei kein einfaches Geschäft. „Die Dinge waren auf den Kopf gestellt“, sagt Hans-Dieter Freudenberg. „Viele Villen auf dem Weißen Hirsch waren nicht mehr zu halten, weil es kein Material für die Sanierung gab.“ Und nach der Wende? Innerhalb weniger Monate fuchste sich Sohn Hans-Dieter in die neuen Gesetze rein. „Das war so schwierig, dass selbst die Richter ihre Probleme hatten“, erinnert er sich. Abgesehen davon herrschte jetzt Goldgräberstimmung. Viele schwarze Schafe drängten auf den Markt. Das Büro Freudenberg blieb seinem Stil dennoch treu: Immer seriös, nie spekulativ.

Auch neue Technik kam jetzt dazu. Lange Zeit hatte Freudenberg seine Texte auf der Schreibmaschine getippt – und musste nach jedem Fehler die Seite neu beginnen. Seine Tochter brachte ihm 1990 den ersten Computer ins Haus. Die Freudenbergs gingen mit der Zeit.

Den Tiefpunkt erlebt Hans-Dieter Freudenberg als Jugendlicher mit. Bei den Bombenangriffen auf Dresden blieb vom damaligen Büro auf der Waisenhausstraße nur ein Tresor übrig, in dem die wichtigsten Papiere lagen. Die kleinen Hoffnungen wurden schnell zerstört: „Innen drin war alles verglüht.“ Und doch ging es weiter für das Maklerbüro, so wie es immer irgendwie weitergegangen ist. „Anfangs haben wir die Mieten mit der Aktentasche eingesammelt“, erinnert sich Hans-Dieter Freudenberg. Er schmunzelt, obwohl er das sicher schon hundert Mal erzählt hat. Seine wachen Augen hinter der getönten Brille sagen: Lass uns nicht nur über damals reden. Ich habe hier noch was vor.

Problemfälle sind Chefsache

Irgendwann hat er mal Verkehrswissenschaften studiert. Eigentlich war aber immer klar, dass er in die Makelei gehört. Am 4. März wird er seinen 90. Geburtstag feiern. Ein Grund, um in Rente zu gehen, ist das für ihn allerdings nicht. Noch immer hält Hans-Dieter Freudenberg in der Firma mit heute sieben Mitarbeitern wie selbstverständlich die Fäden in den Händen. Er ist derjenige, der sich die Problemfälle auf den Tisch zieht – und sie löst. Praktischerweise wohnt er gleich mit in der Villa auf der Tolstoistraße auf dem Weißen Hirsch. Um in sein Büro zu kommen, muss er nur die Treppe hinunterlaufen. Fit genug ist er ja noch. 

Kein Wunder, muss er doch immer noch regelmäßig Treppenhäuser hoch und runter. Im Urlaub im Allgäu machte er sich zuletzt wieder allein auf den Weg und lief kilometerweit durch den Wald. Mal ein bisschen abschalten von seinem Beruf, der immer schon eher eine Berufung für ihn war. Bis 2013 war er Vorsitzender des Rings deutscher Makler. Das passt ins Bild.

Wer diesen Mann für eine Stunde kennenlernen durfte, der ist am Ende fast überrascht, wenn er erfährt: Ende des Jahres wird er wohl doch seinen Rückzug einleiten. Seine Tochter Marianne, die lange in Frankreich lebte und als Dolmetscherin in Französisch-Guayana arbeitete, ist stolz auf die Lebensleistung ihres Vaters. Übernehmen wird sie den Laden mit ihren 69 Jahren aber nicht. Jemand anderes steht bereit. 

Als bislang letzter regulärer Auszubildender des Büros ist Marco Rumpelt in den vergangenen zwölf Jahren fast schon Teil der Familie geworden. Er soll die Firma zum Jahreswechsel übernehmen. Freudenberg bleibt ihm als Berater erhalten, und das ist auch gut so, findet Rumpelt. „In der Verwaltung macht ihm so schnell niemand etwas vor“, sagt der 30-Jährige, der die Dinge in der Tolstoistraße nicht auf den Kopf stellen will, sondern das Büro mit sanfter Hand in die Zukunft führen will.

„Mir war es wichtig, dass ich hier nicht einfach alles aus den Händen fallen lasse“, sagt Hans-Dieter Freudenberg. Gerade jetzt, so kurz vor dem hundertjährigen Firmenjubiläum. Seine Rentnerpläne müssen also noch warten. Dabei träumt er schon lange von einer eigenen Eisenbahnanlage im Keller. Unzählige Schaltpläne hat er schon erstellt. Die Loks stehen bereit. Jetzt braucht er nur noch Zeit.