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Umstrittenes Bauprojekt auf dem Sonnenstein in Pirna: Das sagen die Stadtratsfraktionen

Die Meinungen über das umstrittene Projekt auf dem Gelände der ehemaligen "Todesgarage" auf dem Pirnaer Sonnenstein gehen auseinander. Wie positionieren sich die Stadtratsfraktionen zu den Plänen?

Von Mareike Huisinga
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Die ehemalige Garage der grauen Busse neben dem Gelände der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein soll zu Wohnungen umgebaut werden. Das finden nicht alle gut.
Die ehemalige Garage der grauen Busse neben dem Gelände der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein soll zu Wohnungen umgebaut werden. Das finden nicht alle gut. © Karl-Ludwig Oberthür

Ein geplantes Bauprojekt auf dem Pirnaer Sonnenstein wird weiterhin heftig und kontrovers diskutiert. Der Grund: der Standort ist überaus sensibel. Es handelt sich um eine frühere Scheune, die 1940 zur Garage der berüchtigten grauen Busse umgebaut wurde - gleich neben der Gedenkstätte Pirna-Sonnenstein.

Die grauen Busse waren die Todestransporte im Zuge der "Euthanasie-Aktion" der Nationalsozialisten. In der Geheimaktion "T4" wurden behinderte und kranke Menschen in sechs Tötungsanstalten vergast oder anders ermordet. Allein in Pirna-Sonnenstein wurden rund 14.000 Menschen umgebracht, so auch mindestens 51 Personen aus Pirna.

Die frühere Garage, in der die Busse standen, wurde bereits entkernt und soll zu Wohnungen ausgebaut werden. Wie positionieren sich die Stadtratsfraktionen in Pirna zu dem Projekt?

SPD/Grüne fordern runden Tisch

Dass es zurzeit so heftige Diskussionen um die Busgarage gibt, mache vor allem zweierlei deutlich, sagt Maria Giesing für die Fraktion SPD/B90/Grüne. "Die Verbrechen der Vergangenheit brauchen ein dauerhaft würdiges Gedenken, angesichts zunehmendem Rechtsradikalismus um so mehr." Es verdeutliche aber auch den zum Teil vernachlässigten Umgang der Stadt mit dem schweren Erbe und die mangelnde Einbeziehung der Stadtgesellschaft in die Gestaltung des Geländes.

Maria Giesing bedauert, dass nicht alle Beteiligten, nämlich Stadtverwaltung, Gedenkstätte, Kuratorium Altstadt, Fraktionen, Historiker, Investoren, Landesamt für Denkmalpflege, an einem Tisch gekommen sind, um nach einer gemeinsamen Lösung zu suchen. "Es wäre gut, wenn diese Diskussion nachgeholt würde. Wir hoffen auch auf sachgerechte und konstruktive Diskussion in der Stadtgesellschaft und werden dazu beitragen", betont Giesing.

Linke lehnt Baupläne ab

Auch die Fraktion Die Linke im Stadtrat Pirna wünscht sich einen runden Tisch und kritisiert, dass der Stadt und dem Freistaat Sachsen die historischen Zusammenhänge seit 2012 bekannt seien. "Hätte die Stadt die Denkmalschutzbehörde nicht abgegeben, könnte sie heute mehr Einfluss auf Entscheidungen nehmen", sagt Stadtrat Tilo Kloß von den Linken. "Wir sehen hier ein Versäumnis der Denkmalschutzbehörde und der geringen finanziellen Ausstattung der Gedenkstätte. Der Eigentümer verlangte so viel Geld, welches die Gedenkstätte nicht aufbringen konnte", so Kloß.

Was jetzt vorgeschlagen werde, passe absolut nicht in das Bild der Gedenkstätte und des historischen Zusammenhangs. Deshalb hatte Die Linke bereits im Dezember 2023 eine Anfrage an die Pirnaer Stadtverwaltung gestellt. "Es müssen künftig Regelungen geprüft bzw. getroffen werden, die private Eigentümer davon abhalten, Zeitzeugnisse unkenntlich zu machen oder zu zerstören", fordert Tilo Kloß. Notwendig sei ein Aufeinanderzugehen aller Beteiligten, um eine Lösung im Sinne des Gedenkens an die Ermordeten zu finden, äußert er.

AfD spricht von schrecklichen Taten auf dem Sonnenstein

Die AfD-Stadtratsfraktion will sich nichts vorwerfen lassen. Bereits im September vergangenen Jahres habe man die baulichen Veränderungen an der ehemaligen Anstaltsscheune zum Anlass genommen, die Hintergründe mit einer ausführlichen Stadtratsanfrage zu beleuchten, teilt Bodo Herath, Vorsitzender AfD-Stadtratsfraktion, mit. Allerdings sei keine fristgemäße Antwort erfolgt. Deshalb habe die Fraktion erneut im Januar die Arbeiten auf dem Sonnenstein zur Sprache gebracht. "Aus diesen Vorgängen ist leicht ersichtlich, dass sich die AfD-Fraktion frühzeitig und umfassend des für die Stadt und das Gedenken an die schrecklichen Taten auf dem Sonnenstein heiklen Themas angenommen hatte", so Herath.

Freie Wähler haben Verständnis für Wohnprojekt

Die Wählervereinigung Freie Wähler - Wir für Pirna hat indessen eine etwas andere Sicht auf die Dinge. Generell betont Ralf Böhmer, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler im Stadtrat Pirna: "Die Thematik, neben genannter Gedenkstätte einen Wohnstandort zu entwickeln, stellt sich auch für uns als nicht unkritisch dar". Ein Lippenbekenntnis?

Jedenfalls fährt Böhmer fort, dass trotz der zweifellos grauenvollen Dinge, die passiert sind, zu akzeptieren sei, dass man prinzipiell zur Art und Weise des Erhalts dieses Gebäudes anderer Auffassung sein kann. "Insofern ist das Genehmigungsverfahren der Verwaltung, angelehnt an Gesetzlichkeiten, für uns wiederum nachvollziehbar.

Wir glauben auch, dass es dabei nicht einfach nur um den schlichten Erhalt von Gebäudesubstanz gehen kann, sondern ebenso um deren Bewahrung und sinnvolle Nutzung für jetzige und zukünftige Generationen", sagt Böhmer. Er führt aus, dass das Gebäude einige Jahre als Garage für Fahrzeuge diente, die dazu bestimmt waren, Menschen zu ihrem Sterbeort zu transportieren. Aber allein aus dieser Tatsache abzuleiten, dass das Gebäude fast 80 Jahre später nicht zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe, ginge zu weit.

Genauso wie es legitim sei, aus Kasernen Schulen, aus Krankenstationen Wohn- oder Bürogebäude, aus KZ-Burgen Jugendherbergen entstehen zu lassen, müsse es erlaubt sein, eine Garage mit historisch belasteter Vergangenheit einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. "An die schlimmen Verbrechen der Nationalsozialisten in Pirna wird mit der Gedenkstätte Sonnenstein erinnert. Ob es dazu noch einer Ruine bedarf, die einfach im Schlosspark steht, darf bezweifelt werden", äußert Böhmer.

Die CDU-Stadtratsfraktion sowie die Pirnaer Bürgerinitiativen ließen die in der vergangenen Woche gestellte Anfrage von Sächsische.de unbeantwortet.