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Freitaler lassen Köpfe rauchen für andere neue Stadtmitte

Nach der Insolvenz des Projektentwicklers bleibt unklar, ob Freital demnächst ein neues Zentrum erhält. Stadträte und Bürger gehen in die Offensive.

Von Roland Kaiser
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Diese Visualisierung eines Freitaler Architekturbüros diente den Frankfurter Projektplanern bis zuletzt als Grundlage.
Diese Visualisierung eines Freitaler Architekturbüros diente den Frankfurter Projektplanern bis zuletzt als Grundlage. © Architekturbüro W.Werkplan GmbH

Die Nachricht aus der hessischen Mainmetropole schlug im etwa 460 Kilometer entfernten Freital ein wie eine Bombe: Der Entwickler der "Neuen Stadtmitte", die Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt, hat einen Insolvenzantrag eingereicht. Das Unternehmen wolle sich auf diese Weise in Eigenregie sanieren und neue Investoren für seine Projekte gewinnen, hieß es im Verlaufe dieser Woche. Was das für sein Vorhaben im Freitaler Stadtteil Deuben bedeutet, dazu konnte eine Sprecherin zunächst keine verbindlichen Auskünfte geben. Seit seiner Stadtgründung 1921 verfügt das langgestreckte Freital über kein Zentrum.

Angesichts der jüngsten Entwicklung zeigen sich zahlreiche Stadträte bedient. Viel zu lange schon sei zu Freitals Zukunftsprojekt diskutiert worden, ohne dass bislang etwas Greifbares dabei herausgekommen sei. Deshalb sehen sie mittlerweile nur noch eine Möglichkeit: alles zurück auf Anfang.

Stadt könnte Grundstück zurückkaufen

"Die Stadtverwaltung muss prüfen, ob eine Rückabwicklung des Kaufvertrages möglich ist", sagt der Chef der AfD-Stadtratsfraktion, Andreas Just. Es bleibe jedoch abzuwarten, ob es der Rathausmannschaft gelingt, das Grundstück aus der Insolvenz heraus zu kaufen.

Geht es nach Jutta Ebert, die als Fraktionsvorsitzende für die Freitaler CDU spricht, wäre eine "Korrektur der Vorstellungen der Flächennutzung in Diskussion zwischen einem eventuellen neuen Investor, der Stadtverwaltung und dem Stadtrat" zu begrüßen. Doch zuvor müssten erst noch weitere Informationen abgewartet werden.

Aber auch sie vertritt die Auffassung: Die Stadt könnte versuchen, die Fläche zurückzuerwerben. "Eine Rückabwicklung des Kaufvertrages wäre am besten, ohne dass von der Stadt mehr als der Kaufpreis zu zahlen wäre." Die Sinnhaftigkeit eines solchen Schrittes müsste im Vorfeld abgewogen werden.

Lars Tschirner, der im Stadtrat die "Bürger für Freital" anführt, sieht die Lage so: "Schoofs hat mit übergroßer bestätigter Mehrheit des Stadtrates ein Konzept für unsere Stadtmitte vorgestellt und dieses befindet sich in der Umsetzung. Dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Deutschland sich für Investoren extrem stark verschlechtert haben, ist jedem bekannt."

Schoofs sei leider nicht der einzige Großinvestor, der dadurch in die Schieflage geraten ist. "Dramatisch sehen wir als Folge dieser Geschehnisse die Entwicklung der Baubranche auch in Freital. Wir werden die neue Situation im Stadtrat diskutieren und eine Lösung finden, damit der ehemalige 'Sächsische Wolf' ein attraktiver Teil eines großen Stadtzentrums wird."

FDP kann aktuellen Bauplänen nichts Gutes abringen

Die rund 22.000 Quadratmeter große Brache zwischen Poisental-, Leßke- und Dresdner Straße, auf der zu seiner Zeit der Gasthof "Sächsischer Wolf" prangte, sollte ursprünglichen Plänen zufolge bis zum Ende dieses Jahres bebaut sein. Neben zahlreichen Parkplätzen waren zwei Einkaufsmärkte, eine Drogerie und auch ein Café vorgesehen.

Bislang jedoch gab es noch nicht einmal einen ersten Spatenstich. Inwieweit sich darüber hinaus eine Kindertagesstätte auf dem weitläufigen Areal verwirklichen lässt, steht nach den von der Stadtverwaltung vorgelegten Zahlen aktuell in den Sternen.

Darum wissen auch die Liberalen. "Durch die Geburtenentwicklung wird der als 'Ankermieter' angedachte Kindergarten nicht benötigt", betont FDP-Fraktionsvorsitzender Peter Weinholtz. Seine Mannschaft konnte den jüngsten Vorstellungen von einer "Neuen Stadtmitte" von Beginn an nichts Gutes abringen. "Die FDP-Fraktion sieht mit den bisherigen Planungen keines der ursprünglich mit der Bebauung verfolgten Ziele verwirklicht und lehnt sie ab."

Um die Fläche sinnvoll zu bebauen, sei ein kompletter Neubeginn das Sinnhafteste. Peter Weinholtz plädiert daher für einen Ideenwettbewerb unter Einbeziehung von Hochschulen und freien Architekten mit anschließender Investorensuche. "Das bisherige Vorgehen, Investorenkonzepte im Rahmen einer Ausschreibung einzuholen, ohne zuvor selbst ausreichende Stellschrauben entwickelt zu haben, hat sich als nicht zielführend erwiesen", bemängelt er. Fest steht für ihn: "Das Konzept des Investors ist durch die Realität überholt." Vom ursprünglichen „Zentrum“ mit Aufenthaltspotential sei nicht mehr viel geblieben, pflichtet Jutta Ebert ihm bei.

Nicht nur Freitaler machen sich Gedanken um Stadtmitte

Unterdessen machen sich Bürger darüber Gedanken, wie Freitals Zentrum in Zukunft ausschauen könnte. "Vielleicht tut es ja auch eine schön gestaltete Park- und Freizeitanlage mit Wohnungen und Gastronomieangebot?", warf eine Leserin aus Freital die Frage auf. Ihr zufolge müsse ebenso geklärt werden, wann der Stadtrat "diese Farce" endlich stoppt.

"Um ein Stadtzentrum zu bekommen, müsste zunächst ein ordentlicher Architekturwettbewerb ausgelobt werden", schloss sich ein Diplomingenieur aus Oberhermsdorf der Position der Freidemokraten an. "Dafür sollen dann auch Rahmenbedingungen dargelegt werden." Er spricht von einem dringend benötigten "Leitbau" als Art Leuchtpunkt. "Wir reden hier von einer Bergarbeiter- und Stahlstadt. Was läge da näher, als ein Hochgebäude an exponierter Stelle zu errichten. Das könnte zum Beispiel wie ein großer Bergwerksförderturm aussehen."

Statt des Umlaufrades auf dem Dach ließe sich nach den Vorstellungen des Akademikers eine Kuppel in dieser optischen Gestaltung aufsetzen. Dort hinein könnte wiederum ein Restaurant eingebaut werden. "So hätte man einen Rundumblick über das gesamte Tal." Und Freital damit einen starken Magneten.

Ginge es nach ihm, käme in dem Gebäude außerdem ein Museum unter, das über die Geschichte von Freitals Stadtteilen, des Bergbaus, der Stahlgewinnung und der Verkehrsentwicklung berichtet. Sein großer Wunsch lautet: "Bitte keinen Parkplatz mit drei läppischen Einkaufsmärkten bauen. So eine Bausünde kann man in zwanzig, dreißig Jahren nur wieder wegreißen."

Am 1. Mai wird das Insolvenzverfahren der Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt eröffnet.