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Freitals neue Stadtmitte: Gesellschaft schlittert in die Pleite

Seit Jahren wird in der Großen Kreisstadt keine Frage heißer diskutiert als die des künftigen Zentrums. Dessen Entwicklung erfährt nun einen empfindlichen Dämpfer.

Von Roland Kaiser
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Da war noch die Welt in Ordnung: Aldi-Vertreter Marx, Schoofs-Geschäftsführer Younis,,  Projektentwicklerin Ciota, OB  Rumberg und Edeka-Regionalleiter Hašek (v.l.) beim Gruppenfoto vor einem Jahr.
Da war noch die Welt in Ordnung: Aldi-Vertreter Marx, Schoofs-Geschäftsführer Younis,, Projektentwicklerin Ciota, OB Rumberg und Edeka-Regionalleiter Hašek (v.l.) beim Gruppenfoto vor einem Jahr. © Stadt Freital

Da strahlen sie noch um die Wette: Fast auf den Tag genau vor einem Jahr versammelt Oberbürgermeister Uwe Rumberg (Konservative Mitte) den Grundstückseigentümer sowie Vertreter der vorgesehenen Ankermieter Aldi und Edeka am Bauzaun um sich. Für ein Gruppenfoto. Hinter ihnen erhebt sich die Bautafel.

Sie gibt einen Vorgeschmack auf das, was einmal vor Ort entstehen soll. Zu diesem Zeitpunkt herrscht bei allen Beteiligten die große Hoffnung, schon bald Freitals neue Stadtmitte in die Höhe wachsen zu sehen. Ursprünglich war angedacht, das Gebäudeensemble bis zum vierten Quartal 2024 zu verwirklichen.

Voll Zuversicht zeigt sich Mohamed Younis ebenso im Sommer, als er davon spricht, noch im gleichen Jahr auf der rund 22.000 Quadratmeter großen Brache mit vorbereitenden Arbeiten loslegen zu wollen - genau an der Stelle, an der Dresdner und Poisentalstraße aufeinandertreffen.

Projektentwickler will sich zunächst sanieren

Er ist Geschäftsführer der Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt. Das Unternehmen hatte das Anwesen erworben und den von einem Freitaler Architekturbüro ausgefertigten Projektentwurf übernommen: ein modernes Gebäudeensemble in nachhaltiger Bauweise mit einem breiten Mix an Handels-, Gewerbe-, Dienstleistungs- und Gastronomieflächen. Konkret ist unter anderem die Rede von zwei Einkaufsmärkten, einer Drogerie, einem Kindergarten, einem Café sowie zahlreichen Parkplätzen inklusive Ladestationen für Elektroautos.

Jetzt bekommen die Pläne einen Dämpfer. Zur Monatsmitte hat die Gesellschaft eigenen Angaben zufolge beim zuständigen Amtsgericht in Offenbach am Main einen Insolvenzantrag gestellt. Die GmbH möchte die Zahlungsunfähigkeit in Eigenverwaltung überwinden.

Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Versuche, dem erst 1921 gegründeten Freital ein Stadtzentrum zu verpassen. Doch der Projektentwickler ist jetzt pleite.
Seit vielen Jahren gibt es immer wieder Versuche, dem erst 1921 gegründeten Freital ein Stadtzentrum zu verpassen. Doch der Projektentwickler ist jetzt pleite. © Stadt Freital

Das Unternehmen möchte mit der bestehenden Geschäftsführung und offiziell bestellten Rechtsberatern in den nächsten Wochen einen Plan erstellen, wie dieses und die dazugehörigen Projekte mittels Sanierung des Unternehmens in die Zukunft überführt werden können, teilt Doreen Vasicek auf Anfrage mit. Sie und Holger Voskuhl kümmern sich beim hessischen Projektentwickler aktuell um die Krisenkommunikation.

Insolvenzverfahren wird Anfang Mai eröffnet

In dem Zusammenhang schränkt die Marketingfrau ein: "Für die einzelnen Projektgesellschaften, zu denen auch Freital gehört, wurden keine Anträge gestellt. Sie sind aber zwangsläufig Gegenstand der Investorengespräche." Die Suche nach Investoren werde unter den rechtlichen Vorgaben einer Eigenverwaltung zeitnah eingeleitet.

Dabei soll sich auch herauskristallisieren, wie es mit der "Neuen Stadtmitte" in der Großen Kreisstadt weitergeht. "Wir sind grundsätzlich bestrebt, das Projekt weiterzutreiben", versichert Doreen Vasicek. Dabei verschweigt sie nicht, dass die Sorgen und Ängste der Bürger in ihrem Haus bekannt seien. Innerhalb von sieben Jahren haben die Freitaler von unterschiedlichen Entwicklern bereits mehrere Ideen präsentiert bekommen. Keine davon wurde bisher in die Tat umgesetzt. Das hinterlässt Spuren.

Am 1. Mai wird voraussichtlich das Insolvenzverfahren eröffnet, heißt es vonseiten der Firma. Erklärtes Ziel sei es, so Holger Voskuhl, einen Sanierungsplan festzuzurren. Diesem müssten am Ende sowohl die Gläubiger als auch das Insolvenzgericht zustimmen. "Dann herrscht Gewissheit darüber, wie es weitergeht." Wann das sein könnte, dazu vermochte sich Voskuhl nicht zu äußern. Fest steht: Der Geschäftsbetrieb soll uneingeschränkt weiterlaufen. Das beträfe auch die Zusammenarbeit mit den Verantwortlichen bei der Stadt Freital.

Die möchte angesichts der aktuellen Entwicklung den Austausch mit dem Projektentwickler keinesfalls abreißen lassen, wie die Büroleiterin des Oberbürgermeisters, Katrin Reis, der SZ mitteilt. "Die Auswirkungen auf das geplante Bauprojekt und der Umgang damit sind in den nächsten Tagen und Wochen zu prüfen."

Weitere Schritte seitens der Stadtverwaltung würden in enger Abstimmung mit dem Stadtrat vollzogen. Was genau damit gemeint ist, ließ die Rathausmitarbeiterin offen. Nur so viel: "Wir hoffen hier auf neue Impulse durch die Bevollmächtigten und die Geschäftsleitung."

"Wir schauen gespannt auf weitere Entwicklung"

Mit Blick auf die bereits angesprochenen Ankermieter kann wiederum Doreen Vasicek beruhigen. Aldi sei nach wie vor Vertragspartner. Edeka ebenfalls. Von dort heißt es: "Wir stehen im Austausch mit den für uns relevanten Partnern und sind diesbezüglich sicher, dass wir nicht die einzigen sind, die gespannt auf die weitere Entwicklung schauen."

Die Auskunft der Drogeriemarktkette "dm" hingegen lässt so einigen Interpretationsspielraum zu. Über ihren Gebietsverantwortlichen Rüdiger Heinzig ließ sie ausrichten: "Wir bei 'dm' sind stets auf der Suche nach geeigneten Objekten, die unseren Ansprüchen an ein bestmögliches Einkaufserlebnis gerecht werden, um an noch mehr Standorten für unsere Kundinnen und Kunden da zu sein. Aus gegebenem Anlass können wir derzeit keine weiteren Angaben machen. Wir befinden uns aber in Gesprächen, um geeignete Lösungen zu finden." Freital sei und bleibe ein interessanter Standort, an dem "dm" festhalten wolle.

Möglich, dass sich gerade in Hinblick auf die geplante Rewe-Investition auf dem Gelände des einstigen Kupplungswerkes nur wenige Fußminuten von der "Neuen Stadtmitte" entfernt noch Veränderungen ergeben. Auch dort soll einmal Platz für einen Fachmarkt sein. Wenn dm dorthin abwandern würde, wäre das der nächste Dämpfer für das Stadtzentrum.

Eine solche Entwicklung würde die finanziell angeschlagene Schoofs Immobilien GmbH Frankfurt vor neue Herausforderungen stellen. Diese will laut Doreen Vasicek ebenso einen Kindergarten und eine gastronomische Einrichtung auf ihrem Areal etablieren. Bislang allerdings seien in der Hinsicht noch keine Vergaben erfolgt. Hinter dieser Kita steht aber mittlerweile ein Fragezeichen, weil keine zusätzlichen Plätze mehr gebraucht werden - eher baut die Stadt welche ab.

Von der Schoofs-Geschäftsleitung gibt es folgende Auskunft, warum die Firma in die finanzielle Schieflage geraten ist: "Die notwendige Sanierung ist Folge der kritischen Marktentwicklung mit gestiegenen Bau- und Finanzierungskosten, der Zurückhaltung bei der Vergabe von Darlehen und der gleichzeitig gesunkenen Nachfrage und Bewertung von Objekten bei potenziellen Käufern", sagt Geschäftsführer Mohamed Younis. "Zudem stockt der Verkauf eines großen Projektportfolios mit einer namhaften Fondsgesellschaft." Das habe im Unternehmen zu wirtschaftlichen Verwerfungen geführt, auf die die Chefetage nun reagiere.