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KfW-Förderstopp bringt Bauherren in große Nöte

Felix Bäsler aus Kodersdorf ist Arzt in Görlitz. In Diehsa will er ein Einfamilienhaus bauen. Doch nun fehlen plötzlich KfW-Zuschüsse.

Von Frank-Uwe Michel
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Felix Bäsler (links) ist sauer auf den vom Bund verkündeten plötzlichen Förderstopp. Im November hat er von Undine Jensch in Diehsa ein Grundstück gekauft, um dort ein Haus zu bauen. Trotz aller Schwierigkeiten will er das weiterhin tun.
Felix Bäsler (links) ist sauer auf den vom Bund verkündeten plötzlichen Förderstopp. Im November hat er von Undine Jensch in Diehsa ein Grundstück gekauft, um dort ein Haus zu bauen. Trotz aller Schwierigkeiten will er das weiterhin tun. © André Schulze

Diehsa. Auch wenn schon einige Tage vergangen sind - Felix Bäsler kann immer noch nicht fassen, wie der Bund ihm und seiner Familie in die Zukunftsplanung gefunkt hat. Quasi mit einem Federstrich. Über Nacht: Von jetzt auf gleich wurde die Förderung für Niedrigenergiehäuser des Typs KfW 55 gestoppt. Dabei war schon alles vorbereitet, der Antrag hätte bis zum 31. Januar gestellt werden müssen. Doch am 23. Januar um Mitternacht war plötzlich Schluss. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau - nach eigener Lesart die "Bank aus Verantwortung" - nahm nichts mehr an. Für den Kodersdorfer, der sich in Diehsa - noch immer - ein neues Zuhause schaffen will, beginnt nun eine unruhige Zeit.

Bäsler ist ein heimatverbundener Mensch. Für ihn war klar, dass er nach seinem Medizinstudium in Halle wieder zurückkommen würde. So wohnt er aktuell mit seiner aus Holtendorf stammenden Frau und zwei kleinen Kindern in Jänkendorf. "Wir haben schon längere Zeit über ein eigenes Haus nachgedacht und intensiv nach einem Grundstück gesucht." In Diehsa, bei Undine Jensch, wurde die junge Familie fündig und schloss im November 2021 den Kaufvertrag ab.

Als Baufachmann holten sie sich den Görlitzer Planer Holger Kliemt ins Boot, dazu Energieberater Wolfram Krause. Bäsler arbeitet als Assistenzarzt am Klinikum der Neißestadt, seine Frau ist Erzieherin. "Endlich den Schritt zum Eigentum wagen", freute sich das Paar. In den Wochen rund um den Jahreswechsel wurde alles fertig geplant. Die Sparkasse als Hausbank hatte alle Formalitäten bearbeitet und "mit dem guten Gewissen, dass die letzte Januar-Woche zum Beantragen reichen würde, sollte am 24. oder 25. Januar eine saubere Finanzierung eingereicht werden." Doch der Schlussstrich kam völlig unerwartet: Das KfW-55-Förderprogramm sei überzeichnet, ließ der Bund verlauten. Angesichts des absehbaren Programm-Endes am 31. Januar habe es einen regelrechten Run gegeben.

Für Felix Bäsler war das ein regelrechter Schock. "Wir haben die Finanzierung für unser Projekt rund um die KfW-55-Förderung aufgebaut. Sie hätte 52.500 Euro - rund zehn Prozent der Gesamtsumme - ausgemacht." Bäslers hatten sich für ein Haus mit Einliegerwohnung entschieden, um die Großeltern nahe bei sich zu haben. Kostenpunkt: Etwa 500.000 Euro. Da will jeder noch so kleine Teilbetrag genau überlegt sein. Sauer ist der angehende Bauherr vor allem über die Plötzlichkeit des Zuschuss-Stoppes: "Hätte es zuvor eine Information gegeben, wären wir früher aktiv geworden. So aber hatten wir ja bis Ende des Monats Zeit."

Hausbanken wurden durch Förderstopp kalt erwischt

Auch die Sparkasse wurde kalt erwischt. "Auf Nachfrage bei der Förderberatung Sachsen erhielten wir die Information, dass es den Stopp eines Förderprogrammes bisher in aller Regel nur mit entsprechender Vorankündigung gab", erklärt Sprecherin Bettina Richter-Kästner. Ähnlich beurteilt Sven Fiedler die Situation. "Wir sehen eine so kurzfristige Einstellung kritisch", sagt der Vorstand der Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien. Denn: "Aussagen und Förderprogramme sollten verlässlich sein und damit Planbarkeit schaffen." Dass durch "diese unabgestimmten Ad-hoc-Maßnahmen" Unzufriedenheit mit politischen Entscheidungen die Folge ist, sei deshalb nachvollziehbar.

Sehr genau beobachtet Felix Bäsler, was in der Politik passiert. "Ich lese jeden Tag, wie Finanzminister Lindner Milliarden aus einem Fonds, der für Corona-Hilfen gedacht war, aber nie abgerufen wurde, herauszieht und in viele Dinge steckt." Unterstützt würden alle möglichen, vor allem große Firmen, die in Schwierigkeiten stecken. Auch für die Ukraine seien etliche Millionen drin. "Aber der eigene Mittelstand, sehr geehrter Herr Minister, leidet unter dieser Politik." Zudem säßen viele Familien auf dem Trockenen wegen des "sozial ungerechten frühzeitigen KfW-55-Stopps."

Längst hat sich der 29-jährige Familienvater mit seinem Problem an verschiedene Politiker und Institutionen gewandt. AfD-Mann Tino Chrupalla als Mandatsträger der Region zeigte gar keine Reaktion. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat via Bauministerium auf Angebote der Sächsischen Aufbaubank verwiesen. CSU-Generalsekretär Markus Blume drückte sein Bedauern aus. Schreiben an die Bundesministerien für Wirtschaft und Finanzen ergaben nur, was schon klar war: Die Kasse ist leer.

Für Bauingenieur Holger Kliemt, der in Görlitz sein eigenes Planungsbüro führt, ist Felix Bäslers Schicksal kein Einzelfall. Er betreut insgesamt drei Klienten, die durch den Förderstopp in arge finanzielle Schwierigkeiten geraten sind. "Das war eine Sache von wenigen Stunden. Aber dieses unvermutete Ende konnte ja keiner ahnen." Allerdings: "Um dieses Programm gab es einen regelrechten Hype." Er könne deshalb durchaus nachvollziehen, dass der Staat den Schlussstrich gezogen hat. Die Schuld an der Überzeichnung des Programmes sieht er jedoch in Mitnahmeeffekten. "Diese Zuschüsse gab es ja auch für Eigentumswohnungen in Dresden, Hamburg oder München. Bei Projekten, in denen die Fördersummen angesichts der Gesamtkosten völlig irrelevant waren." Die Eigenheimbauer seien nun die Leidtragenden.

Klimaschutz kostet beim Hausbau ordentlich Geld

Doch warum war KfW 55 so heiß begehrt? Und was bedeutet diese Bezeichnung überhaupt? Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau benötigt das Effizienz­haus 55 nur 55 Prozent der Primär­energie, die ein Referenz­gebäude verbrauchen würde, das den Vorgaben des Gebäude­energie­gesetzes entspricht. In verständlichen Worten: "Man konnte mit gängigen Mitteln die Norm eines Niedrigenergiehauses erreichen", sagt Kliemt. Damit meint er planerische Feinheiten, aber auch den Einsatz erneuerbarer Energien. Und Dämmung - mehr als normal. Die nächsthöhere Stufe, das Effizienzhaus KfW 40, sei dagegen "eine völlig andere Hausnummer" und koste im Bau deutlich mehr, als durch staatliche Zuschüsse zu erzielen sind.

Verständlich, wenn man den erforderlichen Mehraufwand kennt. Holger Kliemt zählt einige der wichtigsten Punkte auf: Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung, aber auch Fotovoltaikanlagen, die zusätzlich zu Wärmepumpen der Eigenstromversorgung dienen. Gedämmt werden müsse mit 20 statt 12 oder 14 Zentimeter starkem Material. Zudem sei in den Fenstern Dreifachverglasung geboten, darüber hinaus eine Schaumglasdämmung unter der Bodenplatte. Der Vorteil: "In einem so gut gedämmten Haus reicht im Winter fast ein Ölradiator", meint der Experte.

Für Familie Bäsler ist KfW 40 keine Option. Weil: Finanziell einfach nicht darstellbar. Planer Kliemt hat das Projekt überarbeitet, ein paar Abstriche eingepflegt. Die Hausbank ist dem Paar mit ihren Konditionen entgegengekommen. Bettina Richter-Kästner: "Wir beraten unsere Kunden grundsätzlich zu unterschiedlichen Förderprogrammen. In der vorliegenden Situation war individuelles und schnelles Handeln gefragt." Gebaut wird in Diehsa trotz der Hiobsbotschaft vom Januar also doch. Und Felix Bäsler überlegt, rechtlich gegen den Bund vorzugehen. "Immerhin hatte ich schon 6.000 Euro Planungskosten. Für den Energieberater werden bis zu 2.500 Euro fällig." Diese Beträge, meint der Bauherr, würde er gerne dem Staat in Rechnung stellen.