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Immobilienkäufer in Sachsen verlieren Vorteile gegenüber Mietern

Wer in Dresden oder Chemnitz im eigenen, kreditfinanzierten Heim lebt, zahlt mehr als Mieter. In anderen Gegenden Sachsens lohnt der Kauf noch.

Von Sylvia Miskowiec
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Blick auf Neubau-Wohnungen in Berlin: Immobilienkäufer waren Mietern im vergangenen Jahr laut einer Studie häufig im Vorteil - der finanzielle Vorsprung ist aber mit dem Zinsanstieg stark gesunken.
Blick auf Neubau-Wohnungen in Berlin: Immobilienkäufer waren Mietern im vergangenen Jahr laut einer Studie häufig im Vorteil - der finanzielle Vorsprung ist aber mit dem Zinsanstieg stark gesunken. © dpa/Monika Skolimowska

Haus- und Wohnungseigentümer in Mittelsachsen, in Chemnitz und im Vogtlandkreis haben in Sachsen die größten Nachteile gegenüber Mietern. Denn im Vergleich zu 2021 zahlen alle Eigennutzer in diesen Regionen nun bis zu 40 Prozent mehr für ihren Wohnraum als Menschen, die im vergangenen Jahr einen neuen Mietvertrag abgeschlossen haben. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) im Auftrag der Immobilienfirma Accentro.

Für die Analyse der Vor- und Nachteile haben die Wissenschaftler mehrere Faktoren berücksichtigt. Auf Käufer entfielen Kaufpreis und Erwerbsnebenkosten wie Grunderwerbsteuer und Notar, Kreditzinsen sowie entgangene Zinsen – denn Käufer hätten das Geld für eine Immobilie alternativ anlegen können. Hier wurde die Rendite erstklassiger Unternehmensanleihen zugrunde gelegt. Auch Kosten für Instandhaltungen und Wertverzehr wurden berücksichtigt sowie Wertsteigerungen von maximal drei Prozent pro Jahr, was laut IW konservativ gerechnet ist. Dem gegenüber standen Nettokaltmieten in Neuverträgen.

"Die höchsten Kostenvorteile können wir im Umland von Metropolen und Großstädten sowie im ländlichen Raum beobachten", sagte IW-Immobilienexperte Michael Voigtländer. Gerade um Berlin wiesen mehrere Kreise 2022 Kostenvorteile für Selbstnutzer von über 20 Prozent auf. Bundesweit am höchsten waren diese in den Landkreisen Sömmerda (Thüringen), Jerichower Land (Sachsen-Anhalt) und Oder-Spree (Brandenburg). Wohnimmobilien in Deutschland seien zudem im europäischen Vergleich wertstabil, so das IW: Ihre Preise schwankten weniger als etwa in Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden.

Doch die Studie zeigt auch, wie stark sich der Anstieg der Kreditzinsen im vergangenen Jahr ausgewirkt hat: Im Report für 2021 hatte der Kostenvorteil von Käufern gegenüber Neuvertragsmieten noch bei rund 60 Prozent gelegen; Eigentümer waren damals in allen Regionen im Vorteil. Vor allem der Zinsanstieg sorgte nun dafür, dass Selbstnutzer 2022 mit 10,04 pro Monat und Quadratmeter mehr als das Doppelte zahlen mussten als im Vorjahr (4,23 Euro). Hingegen legten die Kosten für Mieter weniger zu - von 10,30 Euro auf 10,90 Euro.

Gestiegene Zinsen machen Kredite teurer

2021 sah alles noch ganz anders aus. „Damals waren Eigentümer noch überall im Vorteil“, sagt IW-Wissenschaftler Michael Voigtländer. Ihr Kostenvorteil gegenüber Mietern lag im deutschlandweiten Mittel bei rund 60 Prozent – jetzt sind es nur noch durchschnittlich acht Prozent. „Vor allem der aktuelle Anstieg der Kreditzinsen hat dafür gesorgt, dass Selbstnutzer 2022 mit 10,04 Euro pro Monat und Quadratmeter mehr als das Doppelte zahlen mussten als noch 2021 mit 4,23 Euro.“ Die Durchschnittskosten für Mieter legten dagegen weniger zu – von 10,30 Euro auf 10,90 Euro pro Quadratmeter bundesweit.

Gerechnet hatten die Immobilienexperten für die 2021er Studie mit einem Zins von 2,65 Prozent im Jahresschnitt für Kredite mit zehn Jahren Zinsbindung. Mittlerweile liegen die Zinsen höher. „Daher haben wir für das erste Halbjahr 2023 einen Zins von 3,7 Prozent angesetzt“, sagt Voigtländer. Das hat das Bild zugunsten von Mietern verändert: Jetzt stehen sie in drei Vierteln der deutschen Regionen besser da. Selbstnutzer haben vor allem noch im Umland von Großstädten sowie im ländlichen Raum Vorteile, heißt es beim IW. In Sachsen sind das vor allem die Landkreise Bautzen, Nordsachsen, Sächsische-Schweiz-Osterzgebirge und Görlitz. In diesen Gegenden kommen selbstnutzende Eigentümer teils bis zu 45 Prozent günstiger weg als Mieter.

Sinkende Inflation könnte Wende bringen

Die Autoren erwarten allerdings, dass die Inflation in der zweiten Jahreshälfte weiter sinkt, was eine Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank und wieder fallende Bauzinsen wahrscheinlich mache. Mit einer Zinssenkung dürfte die Attraktivität von selbst genutztem Wohneigentum „einen Schub bekommen“, sagte Accentro-Chef Lars Schriewer. Käufer müssten aber auf wirtschaftliche und soziodemografische Entwicklungen achten. „Automatische Preissteigerungen sind nicht mehr garantiert.“

Die IW-Wissenschaftler rechneten drei Szenarien durch. Die Szenarien „zügige Erholung“ und „mittlere Erholung“ gehen von ersten Zinssenkungen Ende 2023 beziehungsweise im ersten Quartal 2024 aus. Damit würden die Kosten für Selbstnutzer deutlich sinken. Im Szenario „Stagnation“ blieben trotz sinkender Inflation die Zinsen gleich. Hier würden steigende Mieten erst nach 2024 zu wachsenden Kostenvorteilen für Eigentümer führen. „Allerdings handelt es sich um Modellrechnungen“, betont Voigtländer. Starke Wertsteigerungen wie im Immobilienboom der vergangenen Jahre haben Eigentümer stärker begünstigt als in der Studie dargestellt. Auf der anderen Seite schneiden Mieter mit günstigen Altverträgen gut ab.

Auch die Stiftung Warentest verweist darauf, dass die Antwort auf die Frage „Kaufen oder mieten?“ nicht so einfach zu beantworten sei und von vielen Annahmen abhänge. So sei etwa die Einschätzung ausschlaggebend, wie sich Mieten und Immobilienwerte künftig entwickeln. Mitunter könne hier schon ein halbes Prozent mehr oder weniger den Ausschlag in dem Vergleich geben. Die Experten empfehlen, in einem Beispielrechner mehrere Szenarien mit Annahmen besonders über die Miet- und Wertentwicklung durchzuspielen. (mit dpa)