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Mit dem Schnellzug nach Prag

Liberec drängt auf eine bessere Verbindung. Davon könnte auch Görlitz profitieren.

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© Jan Skvara

Von Steffen Neumann

Region. Die Zugverbindung von Liberec nach Prag ist ein Ärgernis. 2,5 Stunden Fahrtzeit für rund 140 Kilometer und einmal umsteigen in Turnov lockt keinen auf die Gleise. Wer in die Hauptstadt will, nimmt lieber das Auto oder den Bus. Der braucht nur etwas mehr als eine Stunde bis zur Metrostation Èerný Most im Nordosten von Prag. Mit der U-Bahn ist man dann in weiteren 20 Minuten im Stadtzentrum.

Nicht nur für den Bezirkshauptmann des Bezirks Liberec Martin Pùta ist das ein unhaltbarer Zustand. „Liberec braucht eine konkurrenzfähige Zugverbindung mit Prag“, fordert er schon seit Jahren. Die Stadt unter dem Jeschken fühlt sich abgehängt. Während in anderen Teilen des Landes Milliarden Fördermittel in den Ausbau des Bahnstreckennetzes investiert werden, landet im ganzen Bezirk Liberec davon gerade einmal ein Prozent. Die Region hat einfach Pech. Sie liegt nicht an einem der vier europäischen Bahnkorridore, die Tschechien durchschneiden.

Während die Straßenverbindung vierspurig ausgebaut wurde, steht die Bahninfrastruktur immer noch auf dem Stand des 19. Jahrhunderts, als sie gebaut wurde. Das passe nicht zu einer aufstrebenden Wirtschaftsregion Liberec/Jablonec mit über 200 000 Einwohnern, so Pùta. Immerhin brachte sein Drängen einen ersten Erfolg. Mit dem neuen Fahrplan 2018/19 gibt es erstmals wieder Direktzüge nach Prag. Der soll nur zwei Stunden brauchen und damit deutlich schneller als bisher sein.

Für den Bezirk Liberec ist das aber nur ein erster Schritt. „Ziel ist eine Fahrtzeit von unter 60 Minuten“, sagt der Bezirkshauptmann. Doch das ist mit der heutigen Streckenführung nicht zu machen. Die spiegelt die Bedürfnisse ihrer Entstehungszeit. So gab es früher sogar eine Direktverbindung nach Berlin. Der Fernzug setzte die Reise aber von Liberec aus über Kolin nach Wien fort.

Einer schnelleren Verbindung steht der Gebirgszug Javorník südöstlich von Liberec im Weg. Seine umständliche Umfahrung kostet wertvolle Kilometer und Zeit. Ein Tunnel würde allein die Strecke nach Turnov um die Hälfte verkürzen. „Die Strecke ist bereits im Regionalplan reserviert“, bestätigt Pavel Blažek, Direktor der Firma Korid LK, die den öffentlichen Verkehr im Bezirk Liberec plant. Vor Hodkovice nad Mohelkou würden die Gleise aus dem Tunnel treten. Sie würden Turnov östlich passieren und in Richtung Mladá Boleslav führen. Von dort aus werden zwei Varianten diskutiert. Ein Strang würde wie heute über Neratovice nach Prag führen. Die wahrscheinlichere Variante führt aber über Èachovice, Milovice, Lysá nad Labem und Èelakovice. Auch hier müsste ein Teil der Strecke völlig neu gebaut beziehungsweise um Oberleitungen ergänzt werden. So weit der Plan.

Doch solch ein Neubau kostet viel Geld, zumal große Teile der Trasse zweigleisig ausgebaut werden müssten. Deshalb hat die staatliche Bahnnetzagentur SŽDC eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Dabei zeichnet sich bereits ab, dass die geforderte Stunde Fahrtzeit wohl nicht zu schaffen ist. „Das haben wir schon einmal geprüft und erwies sich als wirtschaftlich nicht haltbar“, sagt Kateøina Šubová von SŽDC. „Ziel ist eine Variante, die auch ökonomisch sinnvoll ist. Dabei kommen wir auf unter 100 Minuten.“

Trotzdem wäre das schon mal ein großer Fortschritt, der auch für Prag-Reisende aus Zittau oder Görlitz interessant wäre. Sie hätten dann eine direkte Alternative zum Umweg über Dresden. Zumal der Knotenpunkt Görlitz in den Planungen eine Rolle spielt. „Die Beschleunigung der Strecke nach Prag macht nur Sinn, wenn sie Teil des geplanten internationalen Korridors Wroclaw-Liberec-Prag wird“, sagt Pavel Blažek. Das hätte den Vorteil, dass Tschechien für den teuren Ausbau EU-Gelder beantragen könnte. Doch Liberec muss sich erst gegen die innertschechische Alternative über Hradec Králové durchsetzen. „Der Auswahlprozess steht noch am Anfang“, bremst Šubová. Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sollen im Juni 2018 vorliegen. Der Baubeginn ist offen.